Mittwoch, 15. Mai 2013

Gier der sinnlichen Wahrnehmung



Wo kann Gier entstehen, und wo setzt sie sich fest? In dem Sūtra der Achtsamkeit werden dafür die Bereiche der sinnlichen Wahrnehmung durch Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper und Geist genannt.

Auch durch das Denken kann nämlich bei der sinnlichen Wahrnehmung eine Abhängigkeit und Gier entstehen, so üben zum Beispiel der verführerische Glanz des Goldes und das magische Glitzern von Diamanten eine starke Anziehungskraft auf manche Menschen aus; sexuelle Gier kann durch die äußere Attraktivität und Schönheit eines Menschen ausgelöst werden.

Im Zentrum der Vier Edlen Wahrheiten steht der rechte Weg zur Aufhebung des Leidens, der aus den folgenden acht Gliedern besteht:
rechte Sichtweise, rechter Entschluss, rechte Rede, rechtes Handeln, rechter Lebenswandel und rechter Beruf, rechte Bemühung und Anstrengung, rechte Achtsamkeit sowie rechter Samādhi (Sammlung).

Beim Begriff des „Rechten“ sind auch ethische Bereiche relevant. Man kann auch den Begriff „heilsam“ verwenden. Das heißt, das praktische, umfassende Leben ist der Weg zur Überwindung des Leidens und ein wesentlicher Bereich der geistigen Bereiche des Menschen. Aber die klare Sichtweise von sich selbst ist der wesentliche Anfang des Heilungsprozesses: Erkenne dich selbst.

Für moderne Menschen ist bedeutsam, dass der ganze Umfang der Achtsamkeit, also der Betrachtung von uns selbst, und die meditative Sammlung mit den sogenannten Vier Vertiefungen für die Befreiung aus dem Leiden unbedingt notwendig sind. In der heutigen westlichen Welt steckt die Meditation als Methode der Leidensüberwindung noch in den Kinderschuhen, es gibt sie außerhalb des Buddhismus überhaupt nicht oder nur in Ansätzen.

Gerade die Vierte Vertiefung beim Samādhi, die frei ist von Objekten des Denkens und Fühlens und im Zen-Buddhismus als Zazen bezeichnet wird, ist aber nach meiner Erfahrung von zentraler Bedeutung.

Dōgen beschreibt die Zazen-Praxis zum Beispiel in seiner ersten Schrift Fukan zazengi sehr detailliert. Er hatte diese Übung erst auf seiner Chinareise bei seinem eigenen Meister und Lehrer Tendō Nyojō erlernt und als Schlüssel zum Erwachen und zur Klarheit erfahren.