Samstag, 9. Mai 2009

Bedeutung der buddhistischen Essschale Patra (Hatsu-u), Teil 2

Dôgen unterscheidet daher bei der praktischen und spirituellen Bedeutung nicht zwischen dem buddhistischen Gewand des Kesa und den Essschalen (Patra).
Kloster Ehei-ji in Japan

Bei dem Kesa denken wir vor allem an die spirituelle buddhistische Bedeutung dieses Gewandes, das zum Beispiel beim Zazen oder bei den offiziellen Vorträgen und Interviews mit den Meistern getragen wird. Im gleichen umfassenden Sinne versteht Dôgen die Essschalen, Patra, als Teil der buddhistischen Praxis im Hier und Jetzt.
Er sagt weiter:
"So ist die großartige Essschale der Ort, wo die Wunder verwirklicht worden sind."
Im Zen-Buddhismus werden fantasievolle Erleuchtungserlebnisse, die sich allein im Bereich der Ideen und Vorstellungen ereignen, wenig geschätzt. Man sollte sie schnell wieder vergessen.
Gautama Buddha hatte selbst bei seinen ersten Lehrern derartige, rein geistige Übungen erlernt und enttäuscht festgestellt, dass sie nicht anhalten und zur Überwindung des Leidens im menschlichen Leben nicht dauerhaft beitragen können. Auf der Grundlage dieser tiefen Erfahrungen von Gautama Buddha entwickelte sich nach dem Eintreffen von Bodhidharma in China die große Klarheit und lebensbejahende Lehre und Praxis des Zen, die uns über Meister Dôgen bis zu Nishijima Roshi in der Gegenwart übermittelt wurde.

Dôgen lehnt eine Abgrenzung und Abwertung der Essschalen gegenüber dem Kesa als dem heiligen Gewand grundsätzlich ab. Deswegen seien auch wohlklingende Beschreibungen des Kesa als Seide, Baumwolle und transformiertem Tuch wenig sinnvoll, wenn sie den Essschalen aus "Stein, gebranntem Ton oder Eisen" abwertend gegenübergestellt werden. Dôgen sagt dazu:
"Sie reden dies auf solche Weise, weil sie noch nicht mit den Augen des Lernens in der Praxis ausgestattet sind."

Er beschreibt das unmittelbare Handeln und den Augenblick bei der Benutzung der Essschalen und sagt, dass sie jenseits von Verstehen, Vergehen, Verlassen und Kommen, Verdienst und Fehlern, Alt oder Neu sind. Es habe keinen Sinn, sich auf die Vergangenheit oder Zukunft zu beziehen, sondern die Wirklichkeit gibt es nur in der Gegenwart. Er betont, dass die rein materielle Sichtweise der Essschalen überschritten werden muss, wenn man ihnen beim buddhistischen Gebrauch entsprechen will.

Aber auch eine schwärmerische idealistische Sicht kann nach Nishisjima Roshi bei der Wirklichkeit der Essschalen nicht weiterhelfen. Wäre man in solche schwärmerischen Gedanken verfangen, so kann es sicher nicht ausbleiben, dass man beim Essen selbst geistig abwesend ist und sich nicht im Augenblick des Hier und Jetzt befindet. Nach Dôgen sind die Dinge und Phänomene in diesem Sinne die Wirklichkeit selbst. Er sagt:
"Die Essschale ist nur aus wirklichen Dharmas aufgebaut."
Er spricht von dem umfassenden integrierten Geist, dem Raum und bringt sie mit den Essschalen in Verbindung. Die von ihm genannte offensichtliche Selbstverständlichkeit, dass „die Essschale aus der Essschale selbst zusammengesetzt ist“, bedeutet, dass nichts weggelassen und nichts hinzugefügt werden darf, wenn es um die Wirklichkeit geht.
Am Ende des Kapitels betont Dôgen noch einmal die umfassende Bedeutung und Wirklichkeit der Essschale und sagt:

"Bitte nennt sie nicht ein Stück Steingut oder ein Holzteil. Wir haben sie in der (eigenen) Erfahrung wie die sind verwirklicht."