Freitag, 22. Mai 2009

Sesshin der Dogen Sangha Frankfurt a. M.

Teilenehmer der Sesshin

Am letzten Wochenende fand eine Sesshin der Dogen Sangha in Frankfurt statt. Sie war wie die Sesshins der Internationalen Dogen Sangha in Japan im Kloster Tokei-in aufgebaut, die meist im September viele Jahre lang unter dem großen Meister Nishijima Roshi durchgeführt wurde und jetzt von Brad Warner geleitet wird.
Zusammen mit dem Schwerpunkt der Zazen-Praxis von 6 Sitzperioden am Tag gab es nach einleitenden Referaten ausführliche Diskussionen zu Kernpunkten der Lehre von Meister Dôgen. Diesmal hatten wir uns das Kapitel 10 des Shôbôgenzô zum Thema „Erzeugt kein Unrecht und erlangt die Freiheit! (Shoaku makusa)“ vorgenommen.

In diesem Kapitel erläutert Dôgen, dass aus buddhistischer Sicht das Unrecht „von Natur aus“ in der Welt und im Universum ursprünglich nicht vorhanden ist, sondern vom Menschen durch unrechtes Handeln erzeugt, also hinzugefügt, wird. Das ist eine bemerkenswerte Sicht, denn in den meisten Religionen wird gelehrt, dass das Böse, zum Beispiel in Gestalt des Teufels, ein Teil dieser Welt und des Menschen ist und mit der Kraft des Guten bekämpft werden muss. In der Wirklichkeit des Buddhismus gibt es das Unrecht als eine Art böser, dauerhafter Essenz und als böses Sein überhaupt nicht, sondern es gibt nur das unrechte Tun und Handeln der Menschen, das gegen Moral und damit gegen die Gesetze des Universums verstößt. Gleichwohl ist falsches, unrechtes und verbrecherisches Handeln in der Lebenswelt der Menschen leider eine Tatsache, die man nicht wegdiskutieren und verdrängen darf. Dōgen warnt uns mehrfach im Shôbôgenzô davor, uns in Illusionen zu verlieren und über die Wirklichkeit zu täuschen.

Er betont in diesem Kapitel besonders, dass Moral und Ethik, also richtiges Handeln, untrennbar mit der buddhistischen Lehre und Praxis verbunden sind. Der Buddhismus ist also keine „wertfreie“ Philosophie oder Theorie, sondern die Einheit von Körper, Geist, Handeln und Moral. Rechtes oder unrechtes Handeln im Hier und Jetzt des Augenblicks und Ortes sind für den Buddha-Dharma ganz wesentlich.
Dôgen zitiert einen alten Buddha, der lehrte:

„Vielfältiges Unrecht nicht zu erzeugen,
die vielen Arten des Rechten achtungsvoll zu tun,
macht Herz und Geist auf natürliche Weise rein:
Dies lehren alle Buddhas.“

Die Lehre, dass man Unrechtes und Übles erst im Handeln selbst erzeugt und es in der Harmonie des Universums und der Welt sonst gar nicht vorhanden ist, mag zunächst überraschen. Wenn wir aber bedenken, dass der Buddhismus wesentlich auf das Handeln abstellt, und so dem Handeln die Qualität der Wirklichkeit und Wahrheit zumisst, nicht aber einer abstrakten Idee oder gedachten Essenz, dann hat dies für unser Leben wirklich eine sehr große Bedeutung. Es kommt einfach darauf an, dass wir nichts Unrechtes erzeugen und dass wir uns in unserem Leben und Handeln den vielen Möglichkeiten, etwas Sinnvolles und Gutes zu tun, mit Sorgfalt und Achtung widmen. Dies ist der Weg in die Unabhängigkeit und Freiheit. Unrechtes zu erzeugen macht abhängig.

Wichtig ist, dass die buddhistische Praxis des Zazen hinzukommt und dass ein moralischer Vorsatz nicht auf Denken und Reden beschränkt bleibt. Denn die Kraft der Praxis ermöglicht es uns, an Klarheit zu gewinnen und unser Handeln und Verhalten umzustellen. Aus der Praxis ergibt sich eine intuitive moralische Klarheit im Augenblick, so dass es nahezu unmöglich wird, etwas Unrechtes zu tun. Da wir immer im gegenwärtigen Augenblick handeln, bedeutet dies die Klarheit und Kraft im Jetzt.

Mittwoch, 13. Mai 2009

Neues Buch: ZEN Schatzkammer Band 1


Liebe Bloggerinnen und Blogger,

ich möchte Ihnen das Einführungsbuch zu Dogens Shobogenzo, ZEN Schatzkammer Band 1 vorstellen.

Ich freue mich, dass damit alle 3 Bände der einführenden Gesamtausgabe zu dem großen Werk des Shobogenzo von Meister Dogen fertig gestellt sind. Das heißt, dass damit alle 95 Kapitel des Shobogenzo auch von denen studiert werden können, die zunächst nicht die Zeit für die Originaltexte haben. An der deutschen Übersetzung dieses Quellenwerkes habe ich selbst 8 Jahre mitgearbeitet.
Aus dem Inhalt:

- Ein Gespräch über das Streben nach der Wahrheit
- Das verwirklichte Leben und Universum

- Der Geist hier und jetzt ist Buddha

- Erzeugt kein Unrecht und erlangt die Freiheit!

- Die Sein-Zeit der Wirklichkeit im Hier und Jetzt

- Was ist das große Erwachen oder die Erleuchtung?

- Die heilende Bambusnadel der Zazen-Praxis

Nach meiner Kenntnis ist dies die erste Gesamtausgabe einer, wie ich hoffe, gut verständlichen und authentischen Einführung zum Shobogenzo in Deutsch und überhaupt in einer westlichen Sprache

Die Inhalte des Buches wurden ganz eng mit dem großen Altmeister des Shobogenzo, Nishijima Roshi, abgestimmt, der auch der ´Vater´ der deutschen Übersetzung dieses großen Werkes ist.

Wir haben uns mit der Lektorin, Frau Ursula Richard besonders um eine möglichst gute Verständlichkeit bemüht.
Dadurch konnte die Lesbarkeit dieses so wichtigen Werkes aus unserer Sicht ganz wesentlich verbessert werden.

Es kann in jedem Buchladen oder im Internet bestellt werden, z. B unter:

LIBRI

Amazon


Und nun viel Freude beim Lesen!
Yudo J. Seggelke





Samstag, 9. Mai 2009

Bedeutung der buddhistischen Essschale Patra (Hatsu-u), Teil 2

Dôgen unterscheidet daher bei der praktischen und spirituellen Bedeutung nicht zwischen dem buddhistischen Gewand des Kesa und den Essschalen (Patra).
Kloster Ehei-ji in Japan

Bei dem Kesa denken wir vor allem an die spirituelle buddhistische Bedeutung dieses Gewandes, das zum Beispiel beim Zazen oder bei den offiziellen Vorträgen und Interviews mit den Meistern getragen wird. Im gleichen umfassenden Sinne versteht Dôgen die Essschalen, Patra, als Teil der buddhistischen Praxis im Hier und Jetzt.
Er sagt weiter:
"So ist die großartige Essschale der Ort, wo die Wunder verwirklicht worden sind."
Im Zen-Buddhismus werden fantasievolle Erleuchtungserlebnisse, die sich allein im Bereich der Ideen und Vorstellungen ereignen, wenig geschätzt. Man sollte sie schnell wieder vergessen.
Gautama Buddha hatte selbst bei seinen ersten Lehrern derartige, rein geistige Übungen erlernt und enttäuscht festgestellt, dass sie nicht anhalten und zur Überwindung des Leidens im menschlichen Leben nicht dauerhaft beitragen können. Auf der Grundlage dieser tiefen Erfahrungen von Gautama Buddha entwickelte sich nach dem Eintreffen von Bodhidharma in China die große Klarheit und lebensbejahende Lehre und Praxis des Zen, die uns über Meister Dôgen bis zu Nishijima Roshi in der Gegenwart übermittelt wurde.

Dôgen lehnt eine Abgrenzung und Abwertung der Essschalen gegenüber dem Kesa als dem heiligen Gewand grundsätzlich ab. Deswegen seien auch wohlklingende Beschreibungen des Kesa als Seide, Baumwolle und transformiertem Tuch wenig sinnvoll, wenn sie den Essschalen aus "Stein, gebranntem Ton oder Eisen" abwertend gegenübergestellt werden. Dôgen sagt dazu:
"Sie reden dies auf solche Weise, weil sie noch nicht mit den Augen des Lernens in der Praxis ausgestattet sind."

Er beschreibt das unmittelbare Handeln und den Augenblick bei der Benutzung der Essschalen und sagt, dass sie jenseits von Verstehen, Vergehen, Verlassen und Kommen, Verdienst und Fehlern, Alt oder Neu sind. Es habe keinen Sinn, sich auf die Vergangenheit oder Zukunft zu beziehen, sondern die Wirklichkeit gibt es nur in der Gegenwart. Er betont, dass die rein materielle Sichtweise der Essschalen überschritten werden muss, wenn man ihnen beim buddhistischen Gebrauch entsprechen will.

Aber auch eine schwärmerische idealistische Sicht kann nach Nishisjima Roshi bei der Wirklichkeit der Essschalen nicht weiterhelfen. Wäre man in solche schwärmerischen Gedanken verfangen, so kann es sicher nicht ausbleiben, dass man beim Essen selbst geistig abwesend ist und sich nicht im Augenblick des Hier und Jetzt befindet. Nach Dôgen sind die Dinge und Phänomene in diesem Sinne die Wirklichkeit selbst. Er sagt:
"Die Essschale ist nur aus wirklichen Dharmas aufgebaut."
Er spricht von dem umfassenden integrierten Geist, dem Raum und bringt sie mit den Essschalen in Verbindung. Die von ihm genannte offensichtliche Selbstverständlichkeit, dass „die Essschale aus der Essschale selbst zusammengesetzt ist“, bedeutet, dass nichts weggelassen und nichts hinzugefügt werden darf, wenn es um die Wirklichkeit geht.
Am Ende des Kapitels betont Dôgen noch einmal die umfassende Bedeutung und Wirklichkeit der Essschale und sagt:

"Bitte nennt sie nicht ein Stück Steingut oder ein Holzteil. Wir haben sie in der (eigenen) Erfahrung wie die sind verwirklicht."