Donnerstag, 27. Januar 2011

Das richtige Sitzen im Samādhi


Den Zustand des Gleichgewichts bei der Zazen-Praxis bezeichnet Dōgen als

„aufrechtes Sitzen im Samādhi des Empfangens und Benutzens des Selbst“.

Dies sei unzweifelhaft der richtige Weg, um den Zustand der Verwirklichung und des Erwachens zu eröffnen. Da Dōgen fest davon überzeugt ist, dass es nur einen einzigen wahren Buddhismus gibt, gilt seine Aussage selbstverständlich sowohl für Indien, China und Japan als auch für die euro-amerikanische Kultur.
Für ihn ist es von zentraler Bedeutung, dass die „mystische und authentische Übertragung der feinen Methode“ des Zazen direkt vom Meister auf den Schüler erfolgt und der Schüler damit die buddhistische Wahrheit empfängt. Die Übertragung müsse eins zu eins, das heißt von Angesicht zu Angesicht, geschehen und sei

das Höchste des Höchsten“. Er ergänzt sogar: „Nach der ursprünglichen Begegnung mit einem (guten) Lehrer müssen wir (daneben) niemals Räucherwerk brennen, Niederwerfungen machen, den Namen Buddhas zitieren, beichten, praktizieren oder Sūtras lesen.“

Diese erstaunlichen Äußerungen setzen klare Prioritäten für die Eins-zu-eins-Übertragung in einer authentischen Linie. Sicher will Dōgen damit nicht anregen, dass diese typisch buddhistischen zeremoniellen Tätigkeiten ganz abgeschafft werden sollten. Er betrachtet sie aber nur als stützendes Beiwerk und nicht als das Wesentliche auf dem Buddha-Weg.

Leider ist es auch heute noch in manchen Zen-buddhistischen Gruppen zu beobachten, dass die bis ins kleinste Detail durchstrukturierten Abläufe der Zeremonien eine übergroße Bedeutung erlangt haben. Dann besteht die Gefahr, dass sie zum Selbstzweck werden und den wahren Kern des Buddhismus an den Rand drängen. Die Schüler müssen in diesem Fall einen komplizierten und langwierigen Lernprozess durchlaufen, um den zeremoniellen Ablauf zu erlernen.

Stattdessen rät Dōgen, sich unbedingt einen verlässlichen, guten Lehrer zu suchen und im lebendigen Kontakt mit ihm sowie mithilfe intensiver Zazen-Praxis den Buddha-Weg zu gehen.

„Wenn ein Mensch auch nur für einen einzigen Augenblick Buddhas Haltung in den drei Formen des Verhaltens manifestiert, während er ganz aufrecht im Samādhi sitzt, nimmt die ganze Welt des Dharma Buddhas Haltung an und der ganze Raum wird der Zustand der Verwirklichung.“

Mit dieser außergewöhnlichen Formulierung erklärt Dōgen ganz eindeutig, dass der Mensch sich im Samādhi, also in der Haltung Gautama Buddhas, zusammen mit dem gesamten Universum der ganzen Welt verwirklicht! Das können wir demnach als Verwirklichung von uns selbst verstehen.

Freitag, 21. Januar 2011

Bodhidharma und Zazen

Nishijima Roshi sagt zur Praxis: „Zazen ist niemals eine Unterweisung mit Worten, sondern ist genau die tatsächliche Praxis.“




Die vor dem Eintreffen Bodhidharmas in China vorherrschenden theoretischen Lehren erzeugten mehr Verwirrung als Klarheit, sie widersprachen sich teilweise und waren sicher auch mit anderen philosophischen Aussagen, die zum Beispiel in der Tradition des großen chinesischen Weisen Laotse standen, vermischt. Aus den Schriften allein konnte man den Kern des Buddhismus also nicht erlernen, zumal sie nicht immer korrekt ins Chinesische übersetzt worden waren.

Dazu benötigte man einen wahren Lehrer aus einer authentischen Übertragungslinie, bei dem die buddhistische Lehre, die Zazen-Praxis und das tägliche Handeln im Umgang mit den Menschen, der Natur und den Dingen im Einklang und im Gleichgewicht waren. Nach Nishijima Roshis Überzeugung hatte deshalb



„Meister Bodhidharmas Reise nach China für den dortigen Buddhismus einen außerordentlich großen Wert und eine hohe Bedeutung und später wurde dies ein hervorragender wertvoller Beitrag für die Weltkultur.“



Dieser wahre und authentische Buddhismus wurde von Gautama Buddha an die großen Meister Mahākāshyapa, Nāgārjuna und Bodhidharma weitergegeben, von diesem an den großen sechsten Nachfolger im Dharma von China, Daikan Enō, und schließlich zu Tendō Nyojō und Meister Dōgen, dessen unschätzbares Verdienst die umfassende und vor allem authentische Dokumentation des Zen-Buddhismus ist. Dōgen hatte die große Hoffnung, dass in seiner Zeit in seinem Land Japan das Gleiche geschehen würde wie 600 Jahre zuvor in China.

Freitag, 7. Januar 2011

Die authentische Übermittlung der Lehre und Praxis


Dōgen kommt erneut darauf zu sprechen, dass große und häufig dauerhafte Schäden beim lernenden Menschen entstehen, wenn der ehrliche Wille zur Wahrheit durch falsche Lehrer und eine unrichtige Theorien fehlgeleitet wird.
Manche buddhistische Lehrer und angebliche Meister verbergen nämlich ihre unreife Persönlichkeit hinter der Behauptung der eigenen Omnipotenz; sie erklären also, sie seien allmächtig und allwissend.


Psychologisch betrachtet dürfte es sich dabei jedoch eher um narzisstische Störungen handeln, die zur Ich-Überhöhung sowie zur Entwertung der Schüler führen. Deren Entwertung und Erniedrigung werden sogar buddhistisch als Überwindung des „Ich-Wahns“ deklariert.


Dōgen ist der Überzeugung, dass es besser sei, überhaupt nicht den Buddha-Dharma zu studieren als bei falschen Lehrern zu lernen, weil dies in menschlichen Katastrophen enden könne. Daher sei die authentische Weitergabe des Buddha-Dharma von einem wahren Meister zu seinem Nachfolger von zentraler Bedeutung. Diese authentische Übermittlung der Lehre und Praxis lässt sich für jeden wahren Meister bis auf Gautama Buddha selbst zurückführen und ist in China und Japan sorgfältig dokumentiert. In der Linie Dōgens kommt vor allem den Meistern Nāgārjuna, Bodhidharma, Daikan Enō, Daishō und Tendō Nyojō eine herausragende Bedeutung zu; Dōgen bezeichnet sie als „ewige Buddhas“. Für die neuere Zeit möchte ich in dieser Linie die großen Meister Kodo Sawaki, Rempo Niwa und Nishijima Roshi nennen.

Dōgen betont, dass die Zazen-Praxis in einer Kette von Nachfolgern, die nicht ein einziges Mal unterbrochen wurde, immer authentisch übermittelt wurde, sodass sie bis in seine Zeit erhalten und lebendig geblieben ist.


„Nachdem der Vorfahre und Meister aus dem Westen kam, zerschnitt er direkt die Wurzel der Verwirrung und verbreitete den unverfälschten Buddha-Dharma.“

Dōgen bezeichnet hier den indischen Meister Bodhidharma, der zu Beginn des 6. Jahrhunderts nach China kam und dort als Erster die richtige Zazen-Praxis lehrte, als Vorfahren und Meister aus dem Westen. Nach der Zen-buddhistischen Überlieferung gab es in China zwar vorher schon Lehrer mit umfangreichen theoretischen Kenntnissen, es waren bereits viele Sūtras aus dem Sanskrit in das Chinesische übersetzt worden und es existierten auch Klöster mit vielen Mönchen. Aber der unverfälschte Buddha-Dharma aus der Praxis und Theorie einer verlässlichen Übertragungslinie war noch nicht nach China gelangt, bis schließlich Bodhidharma kam.

Montag, 3. Januar 2011

Dōgens Lehrer Tendō Nyojō

Im Folgenden geht Dōgen etwas ausführlicher auf seinen Meister Tendō Nyojō ein:

„Schließlich besuchte ich Zen-Meister Nyojō auf dem Berg Dai-byaku-hō und dort war ich in der Lage, die große Aufgabe der Praxis (meiner) Lebenszeit zu vollenden.“

Tendō Nyojō lebte von 1163 bis 1228. Dōgen schätzte ihn sehr, zitierte häufig Aussprüche und Gedichte von ihm und nannte ihn einen „ewigen Buddha“. Tendō Nyojō verfasste viele Gedichte von tiefer Poesie und buddhistischer Aussagekraft und war auch ein hervorragender Maler, der zum Beispiel die Natur in der Umgebung des Klosters meisterhaft in ein Bild bringen konnte.

Dōgen sagt einmal von seiner Malkunst, dass „der Bambus in das Bild gekommen ist“; damit drückt er aus, dass die Wirklichkeit der Natur, in diesem Falle des Bambus, im Bild selbst existent ist. Das Bild ist daher nicht eine Kopie der Natur, sondern deren Wirklichkeit.

Dōgen missachtet dabei keinesfalls Bilder und erläutert dies im Kapitel „Was bedeutet das Bild eines Reiskuchens?“ Dessen Inhalt wird im Zen-Buddhismus zum Teil missverstanden, da man das Bild des Kuchens nicht essen könne und es nicht den „Wert“ der Wirklichkeit habe. Auch in Nishijimas Buch „Begegnung mit dem wahren Drachen“ steht das Verhältnis der Wirklichkeit zu Abbildungen und Vorstellungen im Vordergrund. Denn was wäre der Buddhismus ohne Bilder und Skulpturen?
Tendō Nyojō lehrte die Zazen-Praxis als unverzichtbare, zentrale Übung, die Dōgen im obigen Zitat als die große Aufgabe seiner Lebenszeit bezeichnet. Er hatte sich zwar durch intensive Studien schon ein umfassendes Bild der buddhistischen Lehre und Theorie erarbeitet, kam aber bei der Frage des Erwachens und der Wirklichkeit mit der Theorie allein nicht weiter. Erst durch die Begegnung mit diesem Meister vollendete er seinen Weg und Lernprozess in der Praxis. Eine wichtige Rolle spielte dabei, dass er mit seinem Meister im täglichen Leben und Handeln in ganz engem Kontakt verbunden war.