Sonntag, 1. März 2009

Die fünf Hemmnisse des Erwachens

In der großen Lehrrede von Gautama Buddha über die Grundlagen der Achtsamkeit werden fünf gravierende Hemmnisse des Erwachens beschrieben (Lange Sammlung 22, Übersetzung
aus dem Pali von Peter Gäng).


Aufgang im großen Kloster Ehei-ji
Diese sind:

1. Auf Sinnlichkeit gerichtetes Wollen

2. Übelwollen

3. Erstarren und Trägsein

4. Aufgeregtheit und Unruhe

5. Kritik- und Zweifelsucht.


Damit werden von Gautama Buddha die Hindernisse und Blockaden klar benannt, die sich uns auf dem Weg zum Erwachen entgegenstellen. Sie umfassen in der Tat das ganze Spektrum des problematischen menschlichen Handelns und Denkens und werden auch bei Dogen in vielen Kapiteln angesprochen.

Die Abhängigkeit von sinnlichen Genüssen ist ein wesentlicher Bereich, der den Weg zur Freiheit und zum Erwachen blockiert und der besonders in einem materiellen Zeitalter im Vordergrund steht. Sinnliche Genüsse haben keine Dauer und ergeben keine wirkliche Freude, wenn sie zwanghaft und ohne Entscheidungsfreiheit für den Menschen herrschen. Hier geht es um das zwanghafte Wollen für diese Genüsse, also um die Genusssucht. In der jetzigen Zeit ist es sicherlich nicht falsch, darunter auch die krankhafte Abhängigkeit von Alkohol, Drogen und Tabletten zu verstehen.

Sehr interessant ist das zweite Hemmnis, das von Gautama Buddha angeführt wird: Übelwollen. Man wünscht dann dem Anderen etwas Schlechtes, z. B. das Scheitern in Bezug auf bestimmte Zielvorstellungen, die der andere hat. Man wünscht ihm gerade nicht etwas Positives und Erfreuliches. Übelwollen ist meistens für den Betreffenden gar nicht bewusst und verbindet sich oft mit angeblichen oder wirklichen eigenen Verletzungen, die man durch den anderen Menschen erdulden musste.

Überwollen wird häufig unter der Maske großer moralischer Ideale verborgen. Im Sutra heißt es wörtlich: "(Der Mönch) erkennt, wenn in ihm Übelwollen da ist: 'in mir ist Übelwollen'. Er erkennt, wenn in ihm kein Übelwollen da ist: 'in mir ist kein Übelwollen'".
Ein solcher klarer Erkenntnisprozess über die wirklichen psychischen Gegebenheiten, in diesem Falle also Übelwollen, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Gerade wenn es das gesellschaftliche Tabu gibt, dass man anderen nichts Übles wünschen darf, verbergen sich derartige psychische Energien meist in der Form von moralisch erlaubten Maskierungen und sind daher sehr schwer erkennbar.

Gautama Buddha verwendet auch bei dem dritten Hemmnis "Erstarren und Trägsein" die Formulierungen, dass man erkennt, wenn diese wirksam sind und erkennt, wenn sie nicht da sind. Dieses Hemmnis kann nicht zuletzt durch übertriebenen Medien-Konsum verstärkt werden

Für die moderne Zeit ist sicher das vierte Hemmnis "Aufgeregtheit und Unruhe" ganz wesentlich. Viele Menschen verbringen ihren Alltag, insbesondere im Beruf, in dauerndem Stress und dauernder Hetze und verhindern damit selbst, dass sie ihre Aufgaben mit Freude und guter Qualität bearbeiten können und ihre kreativen Möglichkeiten ausschöpfen und zum Leben erwecken.

Die Kritik- und Zweifelsucht wird oft fälschlich als Intelligenz angesehen und ist sicher ausgesprochen modern. Menschen, die viel Zweifel und Kritik äußern, sind in der Kommunikation zunächst durchaus interessant, denn die Antithese im dialektischen Prozess des Erkennens hat sicher eine große Bedeutung. Viele meinen jedoch, dass die kritische und negative Sichtweise dann die letztendliche Wahrheit sei, weil dies mit ihrer eigenen psychischen Gesamtsituation übereinstimmt. Aber negative Menschen vereinsamen bald und isolieren sich in der Gesellschaft.

Im Sutra heißt es zu den Hemmnissen wörtlich: "'(Diese) Geistige Gegebenheiten sind da', so ist (des Mönchs) Achtsamkeit gegenwärtig, so weit es eben dem Wissen dient, so weit es der Achtsamkeit dient. Unabhängig lebt er und er haftet an nichts in der Welt."

Damit kommt Gautama Buddha auf die Freiheit des Mittleren Weges zu sprechen, in der es keine Anhaftungen, insbesondere an diese fünf Hemmnisse, gibt. Damit ist Weg zum Erwachen frei.