Sonntag, 5. Februar 2017

Buddhas Achtsamkeit und der Stress der Moderne


Nach zuverlässigen Ergebnissen der Gehirnforschung kann kurzfristiger Stress nützlich sein, aber langfristiger Stress ist eine große Gefahr für unsere Gesundheit und zudem eine psychisch gefährliche Sackgasse.

Solcher Stress hat folgende Wirkungen: Angst, bleibende Gehirnschäden für Verhalten im Alltag und in neuen Situationen, Schwächung des Immun-System, Depression, Isolation, Verschlechterung der Kreativität, erhöhter Blutdruck und letztlich Verminderung der Lebenserwartung. Zudem besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Demenz früher einsetzt. Stress und Angst bedingen sich gegenseitig: Angst löst Stress aus und Stress erzeugt Angst. Beides ist also gefährlicher als man denkt!

Richtige Achtsamkeit und Meditation nach Buddha (z. B. Achtfacher Pfad) sind auch und gerade heute wirkungsvolle Gegenmaßnahmen. Was ist nun maßgeblich für die Achtsamkeit?

Der Begriff Achtsamkeit ist leider in den letzten Jahren fast zu einem Modewort geworden, sodass es sinnvoll ist, sich deren Bedeutung genauer anzusehen und von seichten Bedeutungen zu entschlacken. Ganz wichtig ist es nach Peter Gäng, dass man etwas vergegenwärtigt, hier den Stress und seine Nebenwirkungen, die eigentlich gar nicht unbekannt aber weniger bewusst ist. Viele "Gefühlsregungen" sind z.B. nicht unbekannt doch weitgehend unbewusst und nur durch Übung und Training ins Bewusstsein zu holen und damit auch steuerbar zu machen

Es geht um die Zustände und Veränderungen unserer geistigen Phänomene und deren Tönungen, die ein hohes Maß an Wirklichkeit beinhalten, nicht zuletzt bei den Gefühlen. Buddha, Nagarjuna (Weg der Mitte) und Dogen (Shobogenzo) beschäftigen sich intensiv mit der Achtsamkeit, z. B. bei den fünf Hemmnissen und den sieben Gliedern der Erleuchtung.

Achtsamkeit ist niemals ein rein passiver Vorgang, der vielleicht nur mit gefühlsmäßiger Neutralität durchgeführt wird, sondern betrifft uns wirklich selbst und hat eine hohe Bedeutung und Aktualität für ein Leben, das von Angst, Stress, Panik aber auch von Dumpfheit und Abhängigkeit befreit werden kann und soll. Die Achtsamkeit betrifft uns also selbst ganz zentral, nicht zuletzt wie in den Vier Edlen Wahrheiten Buddhas.

Das sutta der Grundlagen der Achtsamkeit beschreibt die zeitliche Entwicklung für acht zentrale Teilbereiche des Menschen und des Lebens aus Abhängigkeit und Leiden zur Freiheit und Offenheit. Diese acht Glieder des Weges sind mit einander vernetzt und in gemeinsamer Wechsel-Wirkung, die Nagarjuna in der Präambel des MMK als zentrale Aussage des Buddhismus herausstellt.

Dieses wechsel-wirkendes gemeinsames Entstehens (pratitya samutpada), beinhaltet daher sowohl die Vernetzung als auch die prozesshafte Entwicklung und Emanzipation des Menschen. Um solche Zusammenhänge zu erkennen, sich also selbst auf die Schliche zu kommen, kommt der Achtsamkeit ohne Zweifel eine zentrale Bedeutung zu. Sie darf nicht verengt und oberflächlich verstanden werden, vielmehr geht es auch um unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven und einen ganzheitlichen und umfassenden Begriff der Achtsamkeit.

Peter Gäng formuliert wie folgt:
Die Achtsamkeitsmeditation beginnt damit, die Achtsamkeit ringsum zu errichten, also so gut wie möglich eine allgemeine nach außen gerichtete Vergegenwärtigung dessen zu erreichen, was da ist“.

Danach ginge es aber um uns als Menschen selbst, zum Beispiel, dass ich atme und daher lebe.

Das erlebe ich in mir und außen. Ich erlebe das Leben um mich herum und ich erlebe ... auf jeden Fall die Teilhabe am Lebensprozess ganz allgemein“.

Es geht bei der Achtsamkeit ganz umfassend darum, wie ich überhaupt lebe, wie ich „funktioniere“ und wie ich „meine Gier, meinen Hass, meine Dummheit, etc.“ aber auch mein besser werdendes Gleichgewicht und meine wachsende Lebenskraft beobachten kann und schließlich nicht zuletzt, wie ich mit anderen Menschen verbunden bin, also prozesshaft in Wechselwirkung mit ihnen stehe.
Das Herz-Sutra sagt dazu (meine Übersetzung):

Die Bodhisattvas beruhen auf der höchsten Weisheit. Daher haben sie Achtsamkeit für die Hindernisse im Geist. Und so überwinden sie die Hindernisse und sind ohne Angst. Sie lassen alle verwirrten Traumbilder weit hinter sich. Und verwirklichen im Hier und Jetzt den höchsten Zustand des Nirvana.