Dienstag, 30. November 2021

Neue Erkenntnisse zum Erwachen mit der tiefen Weisheit des Herz-Sutra

 

Das Herz Befreiungs-Sutra des Erwachens

Was ist die tiefe Bedeutung des berühmten und weit verbreiteten Herz-Sutra, das in so vielen buddhistischen Zentren und Übertragungs-Linien auf der ganzen Welt rezitiert wird? Dort heißt es:" kein Mund, keine Nase, keine Skandhas usw.? Wird dort negiert, dass wir einen Körper haben und dass es die Weisheiten Buddhas gibt? Sicher nicht! Aber wie kann man die buddhistische Philosophie verstehen, die dem zugrunde liegt?
Nach dem DBU-Seminar zu Wirklichkeit, Leerheit und zum Herz-Sutra hier in Berlin habe ich immer wieder darüber nachgedacht und wohl einen Schlüssel zu dessen Geheimnis gefunden. Der Dalai Lama und Dogen sagen dazu, dass man das Herz-Sutra geistig verstehen kann. In diesem Sinne habe ich dazu meditiert. Meinen Schlüssel möchte ich hier mit euch teilen: 

Die buddhistische Befreiung und Erleuchtung  des Geistes, des Herzens und des ganzen Menschen kann man sinnvoll in drei Phasen gliedern.

1. Erste Phase. Zunächst führen die Menschen ein normales  gewöhnliches Leben, in dem es manche Verwirrungen, Verhärtungen und Enttäuschungen gibt. 

Daraus entstehen Leiden und Schmerzen, deren tiefere Ursachen aber nicht bewusst sind. Das ist die Verhärtung und Verkopfung des Herzens, Körpers und des Geistes. Dan ist das Verständnis der Wirklichkeit des eigenen Selbst und des soziale Zusammen-Lebens ungenau oder verhärtet und oft von naivem oder verkrampften Ich-Bezug geprägt. Dann sind die eigenen Augen keine wahren Augen und der Mund ist kein wahrer Mund usw., ohne dass man das durchschaut. In der Wirklichkeit lebt man in einer verhärteten und verengten Scheinwelt von sich selbst und macht viele vermeidbare Fehler. 

2. Zweite Phase. Dann kommt man mit der tiefen Weisheit des Buddhismus in Berührung, praktiziert und lernt andere Menschen in einer buddhistischen Gruppe kennen und schätzen. Dann vergisst man seine bisherigen Augen usw., wie es auch bei Dogen heißt. Manches erscheint einem zunächst widersinnig oder unverständlich. Die neuen Augen usw., sind dann noch nicht Wirklichkeit. Aber irgendwie werden die eigenen Ängste, Unsicherheiten und Unklarheiten des Lebens geringer, besonders beim gemeinsamen Rezitieren. Das wird im Herz-Sutras ausführlich behandelt. Das bisherige Weltbild beginnt sich umzudrehen und der verhärtete Herz-Geist  fängt an sich aufzulösen. Dann verlieren die alten Augen und das alte Sehen ihre unwahre und verhärtete Selbstverständlichkeit. Aber man hat die neuen Augen noch nicht verwirklich. Wie im Herz-Sutra: man hat dann gar keine Augen und kann eigentlich nicht sehen, usw.. 

Aber man hat noch keine neuen wirklichen Klarheiten und noch keine neue heilsame Richtung des Herz-Geistes. Der Mund und das Reden sind nicht wie bisher der unwahre alte Mund, also kein Mund, und das unwahre Reden also kein Reden usw.. Genau diese zweite Phase beschreibt das Herz-Sutra im einzelnen für unseren Körper, Geist, das Herz, für die Welt und sogar für die Vier Edlen Wahrheiten. Sie enthält aber schon den Samen und die Ahnung für die dritte Phase und gibt uns berechtigte Hoffnungen. Die falschen Wirklichkeiten, also kein wahrer Mund usw., werden erkannt und erfahren, sie können dann überwunden werden! Dogen sagt dazu: Dann sind die Berge keine Berge und die Flüsse sind keine Flüsse.

In dieser Phase gibt es also weder den falschen unwahren alten Körper und Geist der ersten Phase noch den wahren befreiten neuen Körper und Herz-Geist der dritten Phase. Das wird im Herz-Sutra kein Körper und Geist genannt. Aber es gibt schon heilsame Erfahrungen und Erkenntnisse und es gibt erfülltes Handeln im flow des Alltags.

3. Die dritte Phase ist die Befreiung von den bisherigen Fesseln, Unklarheiten, Verkrampfungen und Leiden des Körpers, Geistes und Herzens. 

Es ist die Befreiung zur wahren Wirklichkeit und der Leerheit von Verblendungen, Verhärtungen und falschen Ideologien der Wirklichkeit. Dann versteht und lebt man die Leerheit wirklich, hat sie also integriert und realisiert, sie ist nicht mehr abstrakte Philosophie. In der Meditation der Vierten Vertiefung kann man nach meiner Erfahrung dieses Gefühl der Unendlichkeit, Grenzenlosigkeit und Offenheit direkt intuitiv erleben. Man erkennt ohne Intellekt, dass in den Phänomenen keine unveränderliche isolierte Substanz enthalten ist. Denn das wäre schlicht und einfach eine Pseudo-Substanz. Ein solches Erleben ist leer von den drei Giften Gier, Hass und Verblendung, also ohne Ich-Verkrampfung und Ich-Zentrierung. Dann gibt es auch im Alltag wirklich Augen, Sehen, Mund, Hören, die Komponenten des Menschen, die Skandhas, die Vier Edlen Wahrheiten Buddhas usw.. Das ist die Befreiung und die Verwirklichung von Körper-und-Geist des Herz-Sutra. 

Dann gibt es keine Sorgen und Ängste, wie es heißt: "Vollständig hinüber gegangen. Para samgate!", nämlich von der zweiten zur dritten Phase. Buddha und Nagarjuna verstehen und erfahren diese lebende Wirklichkeit als "gemeinsames Entstehen in Wechselwirkung". Und ich möchte hinzufügen die lebendige Befreiung von Körper, Geist und Herz. Dann gibt es keine verzerrten Extreme und unveränderlichen Verhärtungen. Das wären nach Nagarjunas Mittlerem Weg nur Pseudo-Substanzen und falsche Essenzen des Lebens ohne Wert. Und das wäre ein Rückfall in die erste Phase. Es wären Täuschungen und Fallen, die zum Leiden führen. Vor allem würde die Ego-Falle wieder zuschnappen.  Aber in der dritten Befreiungs-Phase ist all dies gerade überwunden und zur Ruhe gekommen: Ganz hinüber gegangen und befreit: para samgate !

Das Herz-Sutra beschreibt also die zweite und dritte Phase der Befreiung von Geist, Körper und Herz des Menschen, also des Bodhisattvas mit Herz und Hand. Die erste Phase sollte man dabei ergänzen.

Meister Dogen sagt ähnliches:

„Buddhas Wahrheit zu erlernen ist, uns selbst zu erlernen. Uns selbst zu erlernen, ist uns zu vergessen (kein wahrer Mund usw.). Uns zu vergessen, ist von den vielen Dingen und Phänomenen, Dharmas, erfahren zu werden (sich und seinen Geist zu öffnen). Von den vielen Dharmas erfahren zu werden, ist unseren eigenen (alten) Körper und Geist fallen lassen.“ Also in der Meditation alles loslassen.

Oder wie es beim ihm auch heißt: Dann sind die Berge wirkliche Berge und die Flüsse sind wirkliche Flüsse: Vom Schein über die Leerheit zur Wirklichkeit. Wir müssen uns also auf dem Buddha-Weg von vorgefassten und verengten Gedanken, Vorstellungen und Ideologien der ersten Phase befreien. Dann kommen wir zur zweiten und danach zur dritten Phase des Menschen: befreit für eine neue Entwicklung der Wirklichkeit, Offenheit und tiefen Wahrheit. Dabei ist die rechte Meditation von großer heilsamer Wirkung. Nishijima Roshi sagte häufig:  Meditation ist genau Tun und Handeln.