Sonntag, 6. Februar 2011

Höchste Wertschätzung der Zazen-Praxis

Wenn es bei Dōgen heißt, dass die ganze Welt des Dharma die Haltung Buddhas einnimmt, bedeutet dies, dass die Welt dann und nur dann in ihrer wahren Wirklichkeit zusammen mit uns selbst existiert. Das ist eine kühne und weitreichende Aussage! Dōgen bringt damit seine höchste Wertschätzung der Zazen-Praxis zum Ausdruck, denn die Verwirklichung des Menschen ist gleichzeitig die Befreiung von allen Täuschungen, Illusionen, von der Gier nach vordergründigen Vorteilen wie Ruhm, Geld, Macht, und Ansehen. Nishijima Roshi formuliert dieses Grundprinzip wie folgt:

„Ein menschliches Verhalten kann das ganze Universum sofort verändern.“

Damit ist der Dualismus der üblichen Trennung von menschlichem Ich, der Umwelt und des Universums, und vor allem von anderen Menschen, überwunden und beendet. Dies ist die Kernaussage der buddhistischen Lehre und des buddhistischen Heilsweges, der uns aus der Umklammerung von Angst, Größenwahn und Leid befreit.
Die drei Formen des Verhaltens bedeuten in der buddhistischen Lehre das Verhalten des Körpers, des Mundes beim Reden und des Geistes beim Denken. Diese drei Lebensbereiche werden nach Dōgen durch den Samādhi, also das Zazen, zur Wirklichkeit gebracht. Das heißt, unser Körper überwindet die Lebensphilosophie des Materiellen und unser Reden und Denken überwinden die eindimensionale Lebensphilosophie des Idealismus. Dies ist nach Gautama Buddha der wesentliche Schritt zur Emanzipation aus dem Teufelskreis des Leidens und so vieler schwerwiegender und oft nicht umkehrbarer Fehlentwicklungen in unserem Leben.


Nishijima Roshi betrachtet die Zazen-Praxis als das wahre und reine Handeln, das die Trennung von Subjekt und Objekt ausschaltet und dadurch den Zugang zur Wirklichkeit ermöglicht. Der Buddhismus geht also einen fundamentalen Schritt über intellektuelles Philosophieren sowie naturwissenschaftliches Beobachten und Denken hinaus, so wichtig beide Bereiche für den Menschen und die menschliche Gesellschaft sein mögen. Aber sie stellen jeweils nur Teilwahrheiten oder bestimmte Aspekte der Wahrheit dar und sind damit nur eine Teilsicht der Welt. Als solche müssen sie klar erkannt werden, damit man im Leben nicht in die Irre geht.


Dōgen unterstreicht in diesem ersten Teil des Kapitels immer wieder mit kraftvollen Worten die Bedeutung der Zazen-Praxis: Sie erhöhe die Dharma-Freude und erneuere die Großartigkeit der Verwirklichung zur Wahrheit. Körper-und-Geist würden beim Praktizieren unmittelbar klar und rein. Dies sei die große Erfahrung der Befreiung und dadurch verwirkliche sich der natürliche, ursprüngliche Zustand des Menschen. Es gehe dabei nicht um das Ansammeln von Erfahrung und die rückwärtsgewandte Erinnerung, sondern um das unmittelbare Erleben im Augenblick selbst: „(Diese Menschen) sitzen aufgerichtet als Könige des Bodhi-Baumes, in einem Augenblick drehen sie das große Dharma-Rad, das der unübertroffene Zustand des Gleichgewichts ist, und sie legen den höchsten natürlich-schlichten und tiefgründigen Zustand der Prajnya-Weisheit dar.“