Montag, 21. Januar 2008

Wichtige Regeln für die Zazen-Halle

Meister Dôgen hatte bei seiner Reise nach China die überaus große Bedeutung der Zazen-Praxis für den buddhistischen Weg kennengelernt und brachte diese Erfahrung mit, als er anschließend nach Japan zurückkehrte.


Kloster Tokein, Innenplatz



In der damaligen Zeit gab es bereits in vielen chinesischen Klöstern eine Zazen-Halle, in der diese Übungspraxis durchgeführt wurde, und Dôgen realisierte eine solche baulichen Einrichtung anschließend auch in Japan. In der Nähe von Kyoto wurde 1233 unter seiner Leitung die erste große Zazen-Halle in Japan überhaupt errichtet.
Man muss sich die damaligen Klöster fast wie eine kleine Stadt vorstellen, mit den folgenden sieben Hauptgebäuden: Buddha-Halle, Dharma-Halle, Zazen-Halle, Küchengebäude, das große Eingangstor, das Badehaus und die Toiletten. Die Zazen-Halle lag meistens im Westen und war ausschließlich der Zazen-Praxis vorbehalten. Daher bestimmte Dôgen auch, dass der Raum für die Dharma-Vorträge und der Leseraum hiervon getrennt wurden. Die Zazen-Halle war durch halb hohe Zwischenwände unterteilt, die sich rechts und links von dem Hauptgang befanden. Vor diesen Zwischenwänden und an den Außenwänden waren die Plätze für die Zazen-Praxis angeordnet, die aus Holzpodesten bestanden, auf welche die Sitzkissen (Zafu) gelegt wurden. Alle Mönche saßen auf diese Weise vor einer Wand zur Zazen-Praxis, und wie Dôgen in seiner Einführung zum Zazen (Fukan Zazengi) ausführt, sollen die Augen halb geöffnet und auf die Wand gerichtet sein.

Dôgen nannte die Zazen-Halle die "Halle der schweren Wolke" und verfasste etwa sechs Jahre nach deren Errichtung die Verhaltensregeln, die sich aus der Erfahrung der ersten Jahre ergeben hatten. In diesem Kapitel 5: "Regeln für die Halle der schweren Wolke" (Ju-undo shiki) stellte Dôgen die Regeln sehr praxisbezogen zusammen.
Das Kapitel beginnt wie folgt:

"Diejenigen, die den Willen zur Wahrheit haben und sich (von dem Verlangen nach) Ruhm und Reichtum gelöst haben, dürfen in diese Halle eintreten. Die Unaufrichtigen sollten nicht in diese Halle kommen".

Wie schon in anderen Kapiteln des Shôbôgenzô ist das Streben und ehrliche Bemühen um Wahrheit auf dem Buddhaweg für Dôgen der zentrale Ansatz, um überhaupt sinnvoll beim Buddha-Dharma voranzukommen. Dazu gehören Ausdauer und auch ein starker Wille. Das Streben nach Ruhm und Profit muss abgelegt werden, weil sonst Körper und Geist nicht frei für den Buddha-Weg sind. Dies gilt natürlich besonders für die Zazen-Praxis selbst, bei der "Körper und Geist" fallen gelassen werden müssen und bohrende Ideen nach Ruhm und Geld dazu führen, dass der Geist nicht befreit werden kann. Es gab leider immer wieder Zeiten, in denen die buddhistischen Klöster größeren Reichtum ansammelten, sodass der Abt und die Mönche sich mit den Gedanken nach materiellem Vorteil und Profit beschäftigten und diese Ideen den eigentlichen Buddha-Dharma verdrängten. Auch das Streben nach Ruhm, also die Glorifizierung des Ego, spielt bei Menschen nach wie vor eine große Rolle und auch Buddhisten sind hiervon überhaupt nicht unabhängig.

Freundliches und kooperatives Verhalten, wie Dôgen es an anderer Stelle im Shôbôgenzô klar beschreibt, wird dann von den Gedanken und dem Handeln nach eigenem Ruhm beiseitegeschoben, und häufig entsteht aus anfänglicher guter Zusammenarbeit zweier oder mehrerer Buddhisten ein Wettbewerb der Verdrängung, weil jeder den Ruhm für sich beansprucht und zumeist sogar fest davon überzeugt ist, dass er selbst das Wichtigste und Maßgebliche bei der Arbeit eingebracht hat. Daraus müssen sich zwangsläufig Unaufrichtigkeit und aggressives Verhalten ergeben, und das Misstrauen überwuchert immer mehr den eigenen Geist.
Dôgen sagt weiter:

"Wenn wir jemanden fälschlich zugelassen haben, sollten wir ihn nach gründlicher Überlegung dazu bringen, fortzugehen.“

Er hält es also für besser, frühzeitig dafür zu sorgen, dass ungeeignete Mönche und Laien ausgeschlossen werden, um Schaden von der Gruppe fernzuhalten. Ein solcher Beschluss sollte jedoch nicht voreilig und unüberlegt getroffen werden und sollte auch nicht von persönlicher Feindschaft geprägt sein. Es ist interessant, dass Dôgen dabei ein demokratisches Modell der Gruppe für sinnvoll hält, bei der alle Mitglieder und die Mönche möglichst einstimmig eine solche Entscheidung fällen und wir können sicher annehmen, dass es ohne Erniedrigung und Verletzung für den Ausgeschlossenen vor sich gehen sollte. Dôgen sagt weiter:

"Wenn ihr den Willen zur Wahrheit erweckt, befreit ihr euch augenblicklich von Ruhm und Reichtum".

Er sieht also einen deutlichen Gegensatz zwischen dem Willen und Weg zur Wahrheit einerseits und der Abhängigkeit von Ruhm und Reichtum andererseits. Ruhm ist der Bereich der Ideen und Vorstellungen, und Reichtum ist der Bereich des Materialismus und angestrebten Genusses. Beide lösen sich bei dem ehrlichen Streben nach der Wahrheit auf. Umgekehrt können wir sagen, dass beim Überwiegen der Gedanken an Ruhm und Profit kein ehrlicher und starker Wille zur Wahrheit vorliegen kann. Dies ist im Übrigen auch ein gutes Kennzeichen, um einen wahren Lehrer und Meister zu finden, wie wohlklingend die Begründungen für dessen eigenen Vorteil auch sein mögen.

Besonders in Zeitaltern von starkem Materialismus, wie gegenwärtig im Westen und zunehmend auch im Osten, sind diese Aussagen von großer Aktualität. Nishijima Roshi betont hierbei, dass die beiden Lebensformen und Philosophien des Idealismus und Materialismus ungeeignet sind, wenn man sich ernsthaft auf den Weg des Buddha-Dharma begibt. Oft wird jedoch bei westlichen Menschen überhaupt keine Alternative zu diesen beiden Lebensformen gesehen, sodass dann auch der Glaube an eine umfassende Wahrheit des eigenen Lebens verloren geht. Die Gier nach Ruhm erwächst aus Idealismus und Ideologien und die Gier nach Profit aus dem Materialismus. Auf beiden Wegen sind jedoch eine innere Befreiung und ein Gleichgewicht überhaupt nicht zu erreichen.
Dôgen sagt weiter:

"Da nun jeder von uns dem (Etwas) begegnet, das man nur selten trifft und dasjenige praktiziert, das schwer zu üben ist, dürfen wir auf keinen Fall unsere Aufrichtigkeit verlieren. Diese (Aufrichtigkeit) wird der Körper-und–Geist der buddhistischen Vorfahren im Dharma genannt und sie wird zweifellos Buddha und Nachfolger im Dharma werden".

Dôgen betont hier wie viele große Meister, dass es selten ist, dass jemand dem wahren Buddha-Dharma und einem wirklichen Meister begegnet, der diese großartige Lehre klar und unverzerrt an die Schüler weitergibt. Dies gilt natürlich für uns im Westen in besonderem Maße, da der Buddhismus hier noch wesentlich schwieriger anzutreffen ist als in den buddhistischen Ländern Ostasiens. Wenn man also den Zugang zum Buddhismus gefunden hat, kommt es darauf an, dies klar zu erkennen und dabei zu bleiben, um mit zunehmender Aufrichtigkeit und Klarheit auch seinen eigenen Lebens-Weg immer besser zu erkennen.
Dôgen sagt weiter:

"Jetzt ist genau die Zeit, um (zu praktizieren), als wenn (ein Feuer) auf unserem Haupt gelegt wird und wir dies unverzüglich löschen. Wir sollten daher alles vergessen, was uns ablenkt, was den Egoismus unterstützt und die Ichsucht vergrößert.“

Durch die Übungspraxis in der Zazen-Halle und auch beim täglichen Praktizieren zu Hause haben wir eine bewährte Übungsform zur Verfügung, die seit Gautama Buddha, das heißt über 2.500 Jahre weitergegeben wurde und den „Härtetest“ bestanden hat. Wenn das Haar brennt, hat es keinen Sinn, lange darüber zu philosophieren, woher das kommt und was das bedeuten soll, sondern man muss dieses Feuer unmittelbar löschen und damit das Übel abstellen, um nicht zu Schaden zu kommen.

Dôgen erläutert dann, dass in der Zazen-Halle ausschließlich diese Übungspraxis des wahren Zazen durchgeführt werden sollte und dass dort z. B. keine Schriften studiert werden. Dazu gibt es einen gesonderten Raum, und Dôgen empfiehlt, dass man sich an ein helles Fenster setzt, um die Sutra zu studieren und gut lesen zu können. Auch die Zeremonien und rituelle Handlungen sollen ebenfalls in einem anderen Raum stattfinden und nicht in der Zazen-Halle.

Im Folgenden geht Dôgen auf mögliche Konflikte zwischen den Mönchen ein und schließt zunächst körperliches Schlagen ganz aus, wenn jemand z. B. deutliche Fehler begangen hat. Wer Fehler macht, muss sie sie wieder gut machen und muss wohl auch meist bestraft werden. Auch psychische Verletzungen sind unbedingt zu vermeiden, die oft schwerer zu heilen sind als körperliche Angriffe und in der modernen Gesellschaft sicher häufiger als körperliche Kämpfe stattfinden. Wie Dôgen auch an anderer Stelle herausarbeitet, ist Freundlichkeit oder sogar Sanftmut gegenüber feindlich handelnden Menschen notwendig, um nicht aus dem Buddha-Dharma herauszufallen. Keinesfalls darf das subjektive Gefühl, dass man benachteiligt wird oder dass einem etwas genommen wird, dazu führen, aggressiv und verletzend zu reden. Dôgen sagt hierzu:

"Wenn zwei (Mönche) sich streiten, sollten beide in ihr Quartier zurückgeschickt werden, weil sie nicht nur ihre eigene Praxis für die Wahrheit wesentlich behindern, sondern auch andere erheblich stören."

Beim Streit verlieren die Menschen ihr inneres und äußeres Gleichgewicht, und auch Buddhisten können leider bei bestimmten Anlässen erstaunlich aggressiv und bösartig werden und wollen den anderen bekämpfen und möglichst besiegen. Dies entsteht natürlich besonders bei Misstrauen und Missgunst, z. B. beim Streben nach Ruhm und Überlegenheit. Die Menschen sehen dann meist wie Dämonen aus und auf keinen Fall wie Helden. Dôgen sagt am Ende dieses Kapitels:
"Ihr solltet erbitten, dass euer ganzes Leben friedlich und ungestört verlaufen solle und euer Bemühen um die Wahrheit nicht aus Ehrgeiz (und Ruhmsucht) erfolgt".

Weitere Informationen: Grundprinzipien des Shôbôgenzô von Nishijima Roshi

Donnerstag, 17. Januar 2008

Die große intuitive Weisheit, die das Denken überschreitet

Meister Dôgen beschreibt im zweiten Kapitel des Shôbôgenzô "das Pâramitâ der großen Weisheit" (Makahannya haramitsu), also an herausgehobener Stelle ganz am Anfang, seiner umfassenden Lehre des Buddhismus das berühmte Sutrâ, das mit den Begriffen "Form und Leere" verbunden ist.
Peter Gäng nennt in seinem Buch über den Buddhismus Prajnâ die Weisheit, die über das Denken hinausgeht. Es gibt zu diesem Thema etwa vierzig einzelne Sutrâ, unter denen das Herz-Sutrâ das kürzeste, aber wohl auch das aussagekräftigste ist. Das Herz-Sutrâ wird in den Gruppen der meisten ostasiatischen Traditionen regelmäßig zitiert und hat eine herausragende Bedeutung.

Pâramitâ bedeutet in Sanskrit das „Erreichen des anderen Ufers“, also das Erwachen und das Überschreiten des üblichen Denkens und der gewöhnlichen Wahrnehmung, wobei beides meist bekanntlich mit mehr oder minder starken Emotionen verbunden ist. Prajnâ wird auch oft mit dem Begriff der Leerheit (Shûnyatâ) des Mahâyâna-Buddhismus verbunden und wurde vor allem von dem großen Meister Nâgârjuna ausgearbeitet. Die Leerheit hat häufig zu erheblichen Missverständnissen bei den Anhängern, aber vor allem auch bei den Feinden des Buddhismus geführt, weil sie meist mit der Vorstellung des Nihilismus und der Ablehnung von Vernunft und Logik verbunden wird. Dies ist aber grundsätzlich falsch.

Prajnâ bedeutet vielmehr die Weisheit, die das normale Denken überschreitet, die also Qualitäten unseres Geistes bezeichnet, die beim linearen Denken und der Trennung von Subjekt und Objekt nicht zum Zuge kommen. Ich selbst habe das Herz-Sutrâ immer wieder zitiert und hatte zunächst erhebliche Mühe, überhaupt den Sinn zu verstehen, besonders weil es am Schluss heißt, dass dieses Sutrâ mit seiner Kraft "alles Leiden wegnimmt". Wie kann man das Leiden überwinden, wenn es heißt: "Form ist Leere und Leere ist Form"? Das war mir völlig unklar. Nishijima Roshi sagt in der Einführung zu diesem Kapitel:

"Prajnâ wird intuitiv und unmittelbar erfahren, wenn Körper und Geist im Zustand des Gleichgewichts sind und Zazen ist die Übungspraxis, durch die Körper und Geist in diesen Zustand gelangen. So ist das Pâramitâ der großen Weisheit die Essenz des Zazen."

Er verwendet für den Begriff der Leerheit häufig den Zustand des ganzheitlichen Gleichgewichts von Körper und Geist, also des ganzen Menschen und auf keinen Fall nur seines Verstandes.
Dôgen beginnt dieses Kapitel wie folgt:

"Wenn der Bodhisattva Avalokiteshvara das tiefgründige Prajnâ-Pâramitâ praktiziert, reflektiert der ganze Körper, dass die fünf Komponenten des Menschen (Skanda) vollständig leer (also im Gleichgewicht) sind",

und Nishijima Roshi erläutert hierzu sein erstes Grundprinzip, dass man bei der Zazen-Praxis erfährt, „ dass das ganze Universum so ist, wie es ist". Die fünf Komponenten des Menschen und der Welt (Skanda) sind nach der altindischen Lehre: Körper (Form), Sinne (Wahrnehmung), Denken, Handeln und Bewusstsein. Beim Zazen werden bekanntlich das Denken und die Wahrnehmung überschritten, sodass sich das Bewusstsein ganz für das Hier und Jetzt öffnet und den Stress, die Gedanken und aufgeladenen Gefühle abschüttelt. Dies wird mit dem Begriff „Leerheit“ bezeichnet: Man ist leer von den üblichen Gedanken und Gefühlen. Damit hat der Begriff der „Leerheit“ eine ähnliche Bedeutung wie bei uns im Westen die „Freiheit“, allerdings in einem umfassenden spirituellen Sinn. Nishijima Roshi erklärt hierzu gern, dass auch gerade das vegetative, also autonome Nervensystem, im Zazen im Gleichgewicht ist und dass sich dadurch ein ausgeglichener, ruhiger Zustand einstellt. Es gibt dann im Bewusstsein keine Störungen und dadurch wird das Universum so erfahren, wie es ist. Damit ergibt sich eine weitgehende Identität von Leerheit, Zustand der Zazen-Praxis, Gleichgewicht und Soheit (es ist, wie es ist). Dôgen sagt zu den Begriffen von Form und Leerheit über das bekannte Zitat hinaus, dass die Form auch die Form selbst und die Leerheit auch die Leerheit selbst ist. Auch dadurch wird die Soheit von beiden noch einmal betont.

Ich hoffe, dass diese Ausführungen nicht allzu verwirrend sind; wichtig ist dabei, dass es sich um die übergreifende Weisheit jenseits des üblichen Denkens handelt, die nach der Lehre des Buddhismus sich in der Zazen-Praxis beim Menschen unmittelbar im Hier und Jetzt ereignet.
Eine solche intuitive grenzüberschreitende Weisheit ist bei den fünf Komponenten des Menschen (Skanda) auch für die Wahrnehmung wirksam. Ein erwachter Mensch haftet bei der Sinnes-Wahrnehmung, zum Beispiel beim Sehen, dann nicht mehr an der äußeren Form und an der Trennung von Subjekt und Objekt, sondern übersteigt diese.

Die Wahrnehmung wird nach altindischer Tradition mit den sechs Formen der Sinne und den jeweiligen Objekten erfasst. Auch die berühmten vier edlen Wahrheiten werden durch die intuitive Weisheit (Prajnâ-Pâramitâ) durchdrungen. Dasselbe gilt für die überlieferten sechs Arten des Bodhisattva-Handelns: Freizügiges Geben, Einhalten der Gebote, Geduld, Ausdauer, Meditation und Samâdhi. Dôgen ergänzt dann die Verwirklichung im gegenwärtigen Augenblick und fügt auch die drei verschiedenen Arten der Zeit, nämlich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hinzu.
Auch die altindischen Arten der Materie: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum sowie die vier Tätigkeiten des Alltags werden durch die große intuitive Weisheit erfasst, durchdrungen, und dadurch wird das herkömmliche Denken überschritten.

Vielleicht ist es an dieser Stelle hilfreich, sich die Herkunft des Sanskrit-Begriffes Shûnyatâ zu vergegenwärtigen: Nach Auskunft von Peter Gäng wurde kurz vor der Zeitenwende von indischen Mathematikern, die damals führend in der Welt waren, die Null im gesamten Zahlensystem von positiven und negativen Zahlen entdeckt. Die Null heißt auf Sanskrit Shûnyatâ. Die wichtigste Bedeutung liegt darin, dass die Null in der Mitte zwischen den positiven und negativen Zahlen angeordnet ist und sozusagen das Gleichgewicht und die Funktionsfähigkeit des gesamten Umfangs des Zahlensystems ermöglicht. In der gleichen historischen Zeit wurde im Buddhismus von mehreren großen indischen Meistern der Mahâyâna intensiv entwickelt, der wohl durch Meister Nâgârjuna seinen Höhepunkt und seine goldene Zeit erreichte. Dieser verwendete für die Kennzeichnung des Mittleren Weges, also des Gleichgewichts, vor allem den Begriff Shûnyatâ und hat dies im "Gesang des Mittleren Weges" (abgekürzt MMK) einzigartig beschrieben. In älteren buddhistischen Lexika wird Nâgârjuna immer noch als Nihilist bezeichnet, der angeblich durch den Ansatz von Shûnyatâ alle Logik und alles Denken außer Kraft setzen und eine Auflösung im „Nichts“ lehren würde. Dies ist aber sicher unrichtig, denn es geht um die intuitive, das Denken überschreitende Weisheit, die in der Praxis des Zazen erfahren wird.
Nishijima Roshi hat zuweilen den Eindruck, dass die intuitive Weisheit und überhaupt die Intuition im Westen nicht sehr geschätzt sind. Oft wird ein Gegensatz von rationalem Denken und Intuition behauptet und diese sei ein Bereich der Esoterik und der Mystik, wobei beides in eher abwertendem Sinn gemeint ist. Dies ist m. E. abwegig. Eine derartige intuitive Klarheit ist dagegen im Gleichgewicht des Zazen und beim täglichen Handeln möglich und führt auch zu ganz klaren Entscheidungen in existenziellen Situationen, die vom denkenden Verstand niemals vollständig durchdrungen werden können.
Dôgen zitiert dann einen Mönch des Ordens von Shakyamuni Buddha,

"der für sich dachte: stets werde ich mich ehrfürchtig vor dem tiefen Prajnâ-Pâramitâ verneigen".

Nishijima Roshi erläutert dies und erläutert Meister Dôgens Gedanken, dass das äußerlich nicht erkennbare, aufrichtige Verhalten des Mönchs die Weisheit Prajnâ selbst ist und dass diese sich in seiner achtungsvollen Verbeugung offenbart. Dôgen sagt wörtlich:

"Denn genau in diesem Augenblick der Verneigung verwirklicht sich (die Weisheit) Prajnâ, dass durch die Gebote das Gleichgewicht und die Weisheit bis hin zur Erlösung aller Wesen erklärt und verstanden werden kann."

Dies bezeichnet Dôgen auch wie folgt ": "Es ist, wie es ist", und damit ist die Soheit ohne irgendwelche Verzerrungen und Zusätze, also die Wirklichkeit der Welt und des Universums selbst gemeint.
Dôgen gibt für die Untersuchung des Prajnâ-Pâramitâ das Gleichnis des Raumes an und lässt den Schüler Gautama Buddhas zum Gott Indra sagen:

„Hochverehrter Indra, wenn die Bodhisattva Mahasattvas das tiefe Prajnâ-Pâramitâ erforschen wollen, sollen sie es wie den Raum erforschen. Der Raum ist im jetzigen Augenblick allgegenwärtig, und in gleicher Weise existiert das Prajnâ im ganzen Universum. So kann die Vorstellung des Raumes das intuitive Verstehen von Prajnâ erleichtern und dies ist möglich, wenn wir im gegenwärtigen Augenblick das Gleichgewicht verwirklichen.“

Auf die folgende Frage des Gottes Indra, wie man die intuitive Weisheit beschützen kann, antwortete der Mönch Subhuti, dass das Prajnâ-Pâramitâ beschützt wird, wenn die Menschen es leben und lehren. Und Nishijima Roshi fügt hinzu:

"Daher kann ein Mensch Buddha genannt werden, der immer den Zustand des Gleichgewichts aufrechterhält".

Im Buddhismus wird nach Dôgen dieses Prajnâ empfangen, bewahrt, gelesen und rezitiert und er sagt weiter, dass man
"mit Einsicht darüber nachdenkt".
Schließlich zitiert Meister Dôgen Shakyamuni Buddha, der zu seinem Schüler Shariputra unter anderem sagt:

"Die höchst verehrten Buddhas sind Prajnâ-Pâramitâ. Warum sage ich dies? Ich sage es Shariputra, weil der richtige, wahre und ausgeglichene Zustand der Wahrheit, den alle Tathâgatas haben, sich immer durch das Prajnâ-Pâramitâ offenbart“.

Wenn die Formen und das Materielle im Sinne der intuitiven Weisheit gesehen und erfahren werden, können sie im Zustand des Gleichgewichts als leer von allen Ideologien und Begierden bezeichnet werden. Sie sind dann so, wie sie sind. Dies kann zum Verständnis der berühmten Aussage: "Form ist Leerheit, Leerheit ist Form" beitragen. Es darf sich jedoch nicht allein auf das verstandesmäßige Denken verengen, denn es geht um die große intuitive Weisheit.

Montag, 14. Januar 2008

Wie schützt man sich vor Hitze und Kälte in den Jahreszeiten?

Dieses Kapitel 66 des Shôbôgenzô behandelt den Buddha-Weg bei extremen Witterungszuständen von bitterer Kälte im Winter und feuchter Hitze im Sommer.

Heng Shan Kloster in China



Es ist nahe liegend, dass man dann nur schwer einen ruhigen und ausgeglichenen Körper und Geist behalten kann und in Gefahr ist zu klagen und sich außerdem dauernd nach angenehmeren Zuständen z. B. im Frühling und Herbst sehnt. Aber dann lebt man nicht mehr im Hier und Jetzt, sondern in erträumten Illusionen. Was rät uns Dôgen in solchen Situationen?
Dieses Kapitel heißt wörtlich Shunjû, und die genaue Übersetzung ist "Herbst und Frühling". Dieser Begriff wurde jedoch im alten China und Japan ganz allgemein für die verschiedenen Zeiten und Perioden verwendet, die das ganze Jahr umfassen. In den damaligen Klöstern gab es bei starker Kälte kaum Möglichkeiten zu heizen und in den heißen, feuchten Sommern nur wenige Maßnahmen zur Kühlung.

Wir können daher sicher annehmen, dass die Mönche und Nonnen unter den Schwankungen der Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit sehr gelitten haben und dass es auf dem Buddha-Weg wichtig war, sich von diesen oft schweren Bedingungen der Umgebung nicht niederdrücken zu lassen und in Negativität abzugleiten. Für den Buddha-Dharma und das Gleichgewicht war es daher wichtig und notwendig, eine Unabhängigkeit des Geistes und Körpers von diesen äußeren Bedingungen zu erlangen oder besser gesagt, sich ihnen anzupassen, ohne unnötig darunter zu leiden, wenn eine Änderung überhaupt nicht möglich war. Es ging auch keinesfalls darum, sich vermeidbarer Askese bei Hitze und Kälte auszusetzen, indem man zum Beispiel die äußeren Bedingungen in der irrigen Annahme unnötig verschärfte, dass die Suche nach der Wahrheit dadurch verbessert und erleichtert würde. Bekanntlich hatte schon Gautama Buddha erkannt, dass die Askese als Weg zum Erwachen und zur inneren Freiheit eine böse Sackgasse war, da Körper und Geist unauflösbar eine Einheit bilden und die schlechte Behandlung des Körpers damit sofort den Geist beeinträchtigt.
Dôgen beginnt dieses Kapitel mit dem bekannten Koan-Gespräch, in dem ein Mönch den großen Meister Tozan fragt:

"Wie vermeidet man Kälte und Hitze, wenn sie kommen?"
Der Meister gab ihm daraufhin den Rat:

"Warum gehst du nicht zu dem Ort, an dem es keine Kälte und Hitze gibt?"
Der Mönch wollte dies noch genauer wissen und fragte weiter:

"Was ist das für ein Ort ohne Kälte und Hitze?" Der Meister sagte in der typischen Weise eines Koan:
"Wenn es kalt ist, töte dich mit der Kälte und wenn es heiß ist, töte dich mit der Hitze."


Das klingt zumindest recht eigenartig, denn wie soll man sich mit der Hitze und Kälte selbst töten? Dôgen unterstreicht in seiner Erläuterung zunächst die Wichtigkeit und tiefe Aussagekraft dieses Koan-Gesprächs und betont, dass es für die Erlangung der Wahrheit von großer Bedeutung ist. Er bittet uns dann, sich ganz genau in den wirklichen Augenblick zu versetzen, in dem die Kälte und Hitze kommt, also dieses Thema nicht abstrakt zu behandeln, sondern ganz konkret im Hier und Jetzt zu klären, was es damit auf sich hat. Je in dem Augenblick der Hitze und der Kälte sollen wir uns von abstrakten Zwangs-Gedanken und überstarken Emotionen befreien, also unseren Geist und unsere Wahrnehmung für die Wirklichkeit öffnen. Vor allem sollen wir unsere Bewertungen auflösen, die den Großteil unseres Leidens erzeugen. Wenn wir ein solches Gleichgewicht auch bei extremen Witterungen erlangen, haben wir nämlich schon den Ort erreicht, in dem es keine Kälte und Hitze im üblichen Sinne gibt. Die Abhängigkeit des Ich von solchen Zuständen ist dadurch "getötet" und die Unannehmlichkeiten sind so weit wie möglich reduziert. Eine solche Wirklichkeit müssen wir schlicht aushalten, ohne sie mental und emotional zu vergrößern.
Dadurch ergibt sich eine Harmonie der Umwelt mit uns selbst und eine gegenseitige gute Wechselwirkung, bei der wir selbst von der Umwelt nicht isoliert sind und damit auch nicht unnötig leiden müssen.

Wie mir Nishijima Roshi zu diesem Kapitel erläuterte, geht es hier hauptsächlich um die Wechselwirkung und den Zusammenhang zwischen Umwelt und Menschen und wie wir uns in die Gegebenheiten einfügen, die uns als Tatsachen begegnen und uns dabei nicht verbiegen. Es hat zum Beispiel keinen Sinn, sich im kalten Winter in die gemäßigte Jahreszeit des Frühlings hinein zu träumen und die Wirklichkeit des Augenblicks damit zu verdrängen, weil dies dazu führt, dass man unter der Kälte nur um so mehr leidet. Die Wirklichkeit schlägt dann um so mehr zu. So ist das Einfügen in die Umwelt auch die Harmonie mit dem Ablauf des Jahres und der Jahreszeiten, die in China und in Japan in der Tat besonders im Frühling und Herbst sehr angenehm sind. Aber es gibt auch die Wirklichkeit des kalten Winters und heißen Sommers. Dôgen sagt hierzu:

"Die Aussage, dass der Mönch sich mit der Kälte töten soll, wenn es kalt ist, und er sich mit der Hitze töten soll, wenn es heiß ist, beschreibt die Wirklichkeit genau in dem Augenblick, wenn die Kälte und die Hitze konkret da sind."

Es sei daher gar nicht sinnvoll, sich den Kopf damit schwer zu machen, dass man unbedingt die Kälte und die Hitze vermeiden will, und er sagt:

"Deshalb ist die Kälte nichts anderes als das kraftvolle Auge unserer Vorfahren und die Hitze nichts anderes als die heiße Haut und das heiße Fleisch meines früheren Meisters (Tendo Nyojo)".

Im Zusammenhang mit dem obigen Gespräch und zur vertieften Erläuterung wird ein anderer alter Meister wie folgt zitiert:

„Ein Eisvogel nistet in einem mit Juwelen geschmückten Turm, aber ein goldener Palast bietet für die Braut-Ente keinen Schutz.“

Was bedeutet dieses eigenartige Koan? Nach Nishijima Roshi wird dabei die Natürlichkeit und Harmonie von Umgebung und Lebewesen angesprochen. Ein Vogel kann sehr wohl in einem Turm nisten und es spielt dabei keine große Rolle, ob dieser mit Juwelen geschmückt ist oder nicht. Er fliegt in seiner ihm eigenen Lebensweise den Turm an, um dort zu brüten, und fischt in den Seen und Flüssen der Umgebung, und dies ist sein natürliches Leben. Demgegenüber lebt die Ente im Wasser und sie findet wirklich keine natürliche Lebensumgebung in einem Palast, auch wenn dieser noch so luxuriös mit Gold ausgestattet ist. Eine solche goldene Umgebung wäre für die Ente in der Tat sehr unnatürlich. Die Vielfalt der Lebewesen entspricht in der Natur damit ihren jeweiligen Lebensbedingungen, ist also in Harmonie mit der Umgebung und Umwelt. Ein goldener Palast macht also für die Enten keinen Sinn und sie können dort auch nicht „vernünftig“ nisten.

Der große Meister Tozan hatte darüber hinaus eine interessante Lehre und verkürzte Ausdrucksweise für unsere Welt und das Leben eingeführt und sprach dabei von dem „Relativen und Absoluten“. Dies kann man als die materielle Vielfalt der Dinge und Phänomene in der Welt einerseits und die absolute, spirituelle Einheit der Welt als Idee andererseits ansehen. Er lehrte, dass diese Extreme auf dem Buddhaweg zur Mitte gehen müssen und dass dadurch das Gleichgewicht und die Harmonie entstehen. Dôgen bedauert, dass diese Lehre oft viel zu oberflächlich verstanden wird. Es sei zum Beispiel im obigen Koan-Gespräch unsinnig zu sagen, dass Meister Tozan das Absolute und der Mönch das Relative anspricht. Dies sei aber eine häufige, jedoch gründlich falsche Interpretation des Koans.
Es wird dann ein weiterer Beitrag eines großen Meisters zu diesem Koan-Gespräch vorgestellt, der wie folgt lautet:

"Genau betrachtet gibt es an diesem Ort hier keine Hitze und keine Kälte.
Der tiefe blaue Ozean ist bis zum letzten Tropfen ausgetrocknet.
Ich sage euch, dass ihr eine Riesen-Schildkröte (leicht) dadurch ergreifen könnt, dass ihr euch nur ein wenig hinunterbeugt.
Ihr macht euch lächerlich, wenn ihr im Sand angeln wollt."

Mit diesem Koan soll zunächst darauf hingewiesen werden, dass sich die Umgebung sehr schnell ändern kann, dass sich z. B. der Ozean in eine Wüste verwandelt, wenn sich das Klima drastisch ändert. Es sei auch leicht, eine Riesen-Schildkröte zu fangen, denn dies bedarf keines großen Aufwandes und daraus kann man ein wunderbares Essen zubereiten, das im alten China und Japan besonders begehrt war. Damals waren die Riesen-Schildkröten übrigens noch nicht vom Aussterben bedroht. Wenn man jedoch entgegen der natürlichen Umgebung handelt, macht man sich lächerlich, weil man z. B. im Sand neben dem Wasser keine Fische angeln kann.
Auch dieses Koan beschreibt demnach die natürliche und harmonische und auch sinnvolle Beziehung zwischen den Bedingungen der Umgebung und dem handelnden Menschen. Dadurch verlieren auch Hitze und Kälte ihre Schrecken und werden Teil eines natürlichen Tagesablaufes.
In diesem Zusammenhang bringt Dôgen das Gleichnis des chinesischen Go-Spiels, das ähnlich wie unser Schachspiel nach festgelegten Regeln von zwei Personen an einem Brett mit bestimmten Steinen gespielt wird, sodass jeweils einer der Partner einen Zug macht und der andere darauf mit seinem eigenen Zug antwortet. Dôgen zitiert einen alten Meister:
Ein Spieler sagt beim Go-Spiel (zu seinem Gegenüber):

„Wenn du meinen Zug nicht beantwortest, wirst du verlieren, weil ich deine Dummheit nutzen werde."

Das Go-Spiel wird häufig als Gleichnis für das wechselnde Handeln im sozialen Zusammenhang von mehreren Menschen verwendet, sei es, dass man gegeneinander spielt oder sei es, dass man zusammenarbeitet. Wie im natürlichen Alltag läuft das Leben Zug um Zug zusammen mit der Umgebung ab, und dies vor allem im sozialen Handeln mit anderen Menschen. Wenn man sich nicht den Regeln und Pflichten dieses alltäglichen Lebens stellt und sie einhält, hat man das Nachsehen oder scheitert gänzlich. Es hat beim Go-Spiel auch keinen Sinn, dass man die Rollen vertauscht, weil die Spielregeln für beide gelten und sich jeweils entsprechen. Man kann insofern nicht Ich und Du vertauschen.
Häufig wird auch das Gleichnis einer Perle verwendet:

"Eine Perle rollt in der Schale und die Schale rollt um die Perle.
Das Absolute im Relativen und das Relative im Absoluten.
Es gibt bei einer Antilope mit großen Hörnern keine Fährte.
Der Jagdhund umrundet (dann) vergeblich schleichend den Wald."

Im ersten Teil werden die verschiedenen Sichtweisen bei einer Perle und einer Schale dargestellt, weil beide zueinander in einer unauflösbaren Beziehung sind, wechselseitig also notwendig sind. Beide Sichtweisen sind daher möglich. Auch das Absolute und Relative haben eine Beziehung miteinander und sollten sich auf dem Buddhaweg von den Extremen zur Mitte bewegen. Nach Nishijima Roshi kann sich weiterhin eine Antilope mit ihren großen Hörnern im Wald an einem Baum hochziehen, sodass sie keine Spur und keine Fährte hinterlässt, der Jagdhund sie deshalb überhaupt nicht finden kann. Er muss dann vergeblich herumschleichen und kann sie nicht aufspüren, um sie zu stellen. Auch in diesem Koan-Gespräch werden verschiedene auf einander bezogene wirkliche und natürliche Situationen geschildert, und es wird dabei vor extremen Ansichten und Lebensformen gewarnt.
Es wird dann ein weiteres Koan in Gedichtform wieder gegeben:

"Eine helfende Hand (des Meisters) ist wie eine Felswand, die zehntausend Fuß hoch ist.
Wie könnten das Absolute und Relative immer gut geordnet sein?
Ein schöner alter Palast aus Lapislazuli beleuchtet den klaren Mond.
Ein scharfer Wachhund trottet etwas niedergeschlagen die Stufen hinauf."

Auch in diesem Koan wird auf die Lehre von Meister Tozan über das Absolute und Relative eingegangen und beide Extreme werden als nicht sinnvoll abgelehnt. Die helfende Hand eines Meisters kann durchaus so gefährlich wie eine hohe Felswand werden, von der man abstürzen kann und dabei sein Leben verliert. Es gibt darüber hinaus manche falsche selbsternannte Meister, die ihren eigenen Irrtum oft nicht einmal selbst erkennen. Schließlich ist ein scharfer Wachhund völlig überflüssig, wenn sich im Haus oder in einem Palast alles in der Harmonie der Mitte befindet und auch die Umgebung friedlich ist. Der klare Mond des Gleichgewichts beleuchtet den friedlichen Palast. Dann verliert ein scharfer Wachhund seine Bedeutung und trottet etwas überflüssig und hilflos die Stufen einer Treppe des Palastes hinauf. Er wird dann überhaupt nicht benötigt.
Am Ende des Kapitels zitiert Dôgen ein weiteres Koan-Gespräch eines anderen Meisters:

"Tozan sprach vom Ort ohne Kälte und ohne Hitze.
Ein paar Zen-Menschen haben sich dort verirrt.
Wenn es kalt ist, setze ich mich vor ein Feuer und wenn es heiß ist, wende ich Hilfsmittel an, damit es kühl bleibt.
Mein ganzes Leben lang konnte ich Hitze und Kälte vermeiden und ihnen entkommen."

Dôgen kritisiert diese Aussage des von ihm nicht so sehr geschätzten Meisters, weil die Aussagen sich auf einem sehr abstrakten und allgemeinen Niveau bewegen. Es geht dabei nicht nur um Bequemlichkeit. Diesem Meister ist es offensichtlich nicht gelungen, zum konkreten Hier und Jetzt bei der Frage der Hitze und der Kälte vorzustoßen, sondern er verliert sich in allgemeinen Aussagen, die im konkreten Einzelfall sicher so gar nicht zutreffen. Dôgen sagt hierzu:
"Seine Worte sind wie die eines Kindes."

Lediglich die Worte: "Mein ganzes Leben lang…" könnten nach Dôgen darauf hindeuten, dass es sich hier darum handelt, dass er sein Leben als etwas Ganzes gelebt hat und dabei in Harmonie war. Vielleicht hat er doch "Körper und Geist (beim Zazen) fallen gelassen" und ist dadurch der unnötigen Belastung durch Hitze und Kälte entkommen. Dann hätte er nämlich in der Harmonie mit seiner Umgebung und den Jahreszeiten gelebt und sich nicht über Hitze und Kälte oder sonst irgend etwas unnötig aufgeregt.

Donnerstag, 3. Januar 2008

Start des Dogen Gesprächskreises Frankfurt am 2.2.2008

Regina Oberndorfer und ich werden in diesem Jahr einen Gesprächskreis über zentrale Themen von Meister Dogens großartigem Werk „Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges“ (Shôbôgenzô) durchführen.

Ich möchte dabei eine möglichst gut verständliche Einführung geben, um die oft schwierigen Texte an Sie als die Teilnehmer zu vermitteln. Dabei sollen auch die im Internet veröffentliche Texte verwendet werden, sodass dies neben dem Quellenwerk vom Kristkeits-Verlag eine gute Vorbereitung sein kann. Dies soll dann die Grundlage für eine offene Diskussion sein, bei der alle nur möglichen Fragen erwünscht sind.
Für Fortgeschrittene und Einsteiger!

Es gibt folgende Termine und Themen für 2008

02.02. Streben nach der Wahrheit und inneren Freiheit
(Bendôwa)
31.05. Verwirklichung und Gleichgewicht in dieser Welt
(Genjôkôan)
21.06. Dogens Sein-Zeit in unserem jetzigen Leben
(Uji)
20.09. Das Geheimnis der Buddha-Natur
(Busshô)
08.11. Dogens Interpretation des Lotos-Sûtra
(Hokke ten Hokke)

Darüberhinaus sind auch einige Einzelgespräche vorgesehen.
Bitte hier für die Anmeldung anklicken.

Yudo J. Seggelke

Dienstag, 1. Januar 2008

Die Bestätigung und Freude, dass jeder ein Buddha wird

In der buddhistischen Lehre und besonders im Lotus-Sutra gibt es die Weissagung, dass alle Menschen, die auf dem Buddha-Weg nach der Wahrheit streben, ein Buddha werden.
In diesem Kapitel "Die Bestätigung" (Kap. 32, Juki) geht Meister Dôgen über die herkömmliche Bedeutung und das übliche Verständnis einer solchen Bestätigung oder Weissagung hinaus, um die Ebene der Vorstellungen, Fantasien und Hoffnungen zu verlassen und zur Wirklichkeit selbst vorzustoßen. Die Bestätigung in seinem Sinne kommt damit der Dharma-Übertragung vom Meister auf den Schüler, der dann selbst Meister wird, sehr nahe. In diesem Kapitel werden verschiedene bekannte Begebenheiten der Dharmaübertragung wieder gegeben. Zum Beispiel, dass Gautama Buddha eine Blume in den Händen hielt und Mahâkâshyapa diese symbolische Handlung unmittelbar und ohne Worte "verstand", und damit in diesem Augenblick die Weitergabe des Dharma an ihn verwirklicht wurde.

Die Weissagung oder Bestätigung wird vor allem im Lotus-Sutra durch eine tiefe umfassende Freude im Leben und beim Handeln mit dem ganzen Körper und Geist beschrieben. Auch Dôgen vermittelt in diesem Kapitel die große Freude der wunderbaren Bestätigung, ein Buddha zu werden und straft damit alle diejenigen Lügen, die den Buddhismus für eine pessimistische oder gar nihilistische Religion halten. Es wäre ein totales Missverständnis, wenn die vier edlen Wahrheiten so verstanden würden, als ob das ganze Leben Leiden sei und es daraus kein Entkommen gäbe. Ganz im Gegenteil ist der Buddhismus eine lebensfreundliche, positive Lehre, die zwar nicht leugnet, dass es das Leiden im Leben gibt, die aber Wege aufzeigt, wie man das Leiden überwindet oder zumindest erträglich macht. Die Weissagung, ein Buddha zu werden, wird im Lotus-Sutra sogar auf den Vetter Gautama Buddhas mit dem Namen Devadatta angewendet, der seinerzeit den Sangha gespalten hat und mit einem verbrecherischen König zusammen arbeitete. Er wird im Buddhismus daher häufig als Verräter gebrandmarkt und hat damit eine ähnliche Rolle wie Judas als Verräter an Jesus Christus.
Auch für Devadatta gibt es die Weissagung, dass er Buddha wird, und so wird seine Dämonisierung vermieden.

Eine Weissagung, in Zukunft ein Buddha zu werden, verführt schnell zu romantischen zukunftsorientierten Träumen und Illusionen, die nach der Lehre von Nishijima Roshi nur der Ebene des Idealismus angehören und damit die Wirklichkeit und ganze Fülle des menschlichen Lebens und der Welt nicht erfassen können, sondern nur eine sehr begrenzte Wirklichkeit und damit geringe Kraft haben. Für Dôgen sind die drei anderen Ebenen, nämlich des Materiellen und Formgebundenen, des Handelns und Geschehen-Lassens und vor allem die höchste Ebene des Erwachens und der Wirklichkeit verlässliche Tatsachen des menschlichen Lebens und des Universums. Daher leuchtet es ein, dass er sich mit der idealistischen illusionären Dimension der romantischen Weissagung und Bestätigung nicht zufrieden geben konnte. Er fragt also danach, was je im Augenblick der Bestätigung zwischen Meister und Schüler wirklich passiert und entwickelt auf dieser Grundlage der Sein-Zeit seine tiefgründige Lehre der Bestätigung, die eine völlig neue Dimension und Sichtweise eröffnet und aus den romantischen Träumen und Spekulationen in die Wirklichkeit und Wahrheit des Hier und Jetzt vorstößt.
Dôgen sagt hierzu:

"Bestätigung ist die große Wahrheit, die von Buddhas und Vorfahren im Dharma direkt weiter gegeben wurde ... Wer die Buddha-Natur hat, wird bestätigt und wer die Buddha-Natur nicht hat, wird (auch) bestätigt; was einen Körper hat, wird bestätigt und (auch) was keinen Körper hat, wird bestätigt.“
Die Aussage zur Buddha-Natur mag zunächst widersprüchlich und unverständlich erscheinen, das Rätsel löst sich jedoch dadurch, dass die Buddha-Natur als Idee wirklich ist und große Kraft bei den Menschen und in der Welt erzeugt, dass aber in der Lebensphilosophie der Formen und Materie eine solche Buddha-Natur gar nicht vorfindbar ist. Dies wird in dem großartigen Kapitel der Buddha-Natur (Busshô) im Shôbôgenzô herausgearbeitet und dargestellt.

Bekanntlich war die Frage der Buddha-Natur für Dôgen selbst von existenzieller Bedeutung und war nicht zuletzt ein wesentliches Motiv, von Japan aus die damals gefährliche Reise nach China zu unternehmen, um eine Antwort auf seine bohrenden Fragen zu finden. Auf der höchsten Ebene des Buddha-Dharma verschmilzt die Buddha-Natur mit den drei Lebensbereichen des Idealismus, Materialismus und Handelns und sie ereignet sich je in der Gegenwart und im Einklang mit der Moral und dem Gesetz des Universums. Auf diesen Augenblick in der Gegenwart zielt Dôgens Lehre der Bestätigung und er wiederholt dabei häufig, mit welcher großen Freude und mit welchen tiefen Glücksgefühlen dies verbunden ist. Ohne Zweifel beschreibt er damit auch den Zustand der Zazen-Praxis, die er an anderer Stelle als „Tor zum Frieden und zur Freude des Buddha-Dharma“ bezeichnet. Dôgen sagt hierzu wörtlich:

"Vielmehr verwirklicht ihr Buddha im Augenblick der Bestätigung und ihr praktiziert und erfahrt (Buddha) im Augenblick der Bestätigung. Deshalb ist die Bestätigung in den Buddhas selbst und sie existiert auf der wirklichen Ebene der Buddhas."

Für Dôgen spielt es keine Rolle, ob man sich der Bestätigung voll bewusst ist oder nicht, denn die intellektuellen Fähigkeiten im gegenwärtigen Erleben sind ohnehin sehr begrenzt. Es wäre aber auch falsch zu behaupten, dass man kein Bewusstsein bei der Bestätigung hat, wie dies leider von manchen Zen-Buddhisten verkündet wird. Häufig wird dabei nämlich das Denken und das Bewusstsein miteinander verwechselt, die jedoch schon bei den fünf Komponenten des Menschen (skanda) im alten Indien unterschieden werden. Manchmal kommt darin auch eine deutliche Feindlichkeit gegenüber allem Geistigen und dem Denken zum Ausdruck. Dôgen geht es immer um die Einheit von Körper und Geist und wie Nishijima Roshi immer wieder betont, lehnt der Buddhismus die Vernunft keineswegs ab, sondern hält sie für einen wichtigen Lebensbereich. Dôgen sagt hierzu:

"Es gibt die Bestätigung, von der das Selbst weiß und die Bestätigung, von der das Selbst nichts weiß. Es gibt die Bestätigung, von der die anderen wissen und die Bestätigung, von der die anderen nichts wissen."

Da es sich um die umfassende klare Erfahrung und das Erleben im Augenblick der Gegenwart von Körper und Geist handelt, sind also Aspekte des Selbst und der Anderen von geringerer Bedeutung.
Im Gegensatz zum Westen, wo vor allem das Denken und der Geist kulturell im Mittelpunkt stehen, betont Dôgen in diesem Kapitel noch einmal die Bedeutung zu handeln und zu lehren. Dies findet nicht in romantischen Fantasien und wunderbaren Träumen statt, sondern in der ganzen Wirklichkeit des Hier und Jetzt, also nicht in einer paradiesischen Idealwelt, sondern im Alltag mit seinen Problemen, Schwierigkeiten, mit seinen Fortschritten und Rückschlägen.
Es ist falsch anzunehmen, dass man die Bestätigung in der gedachten Zukunft erhalten wird und sie jetzt in der Gegenwart gar nicht wirksam ist.

Wie bei der Zazenpraxis lehnt Dôgen die Trennung von Praxis und angestrebtem Ziel ab. Die Praxis selbst ist die erste Erleuchtung und steht für sich selbst. Sie ist nicht ein Instrument, um ein fernliegendes Ziel zu erreichen. Dies würde den Menschen nur von sich selbst entfremden und bewirken, dass die Gegenwart im Hier und Jetzt nicht oder nicht richtig erfahren und erlebt werden kann. Dôgen erläutert hierzu:

"Wenn die Bestätigung den Menschen gegeben wird, haben sie das Höchste verwirklicht." Und weiter: Die Bestätigung "ist ein Gesicht, in dem ein Lächeln erscheint, sie ist Leben und Sterben, Kommen und Gehen. Die Bestätigung ist das ganze Universum der zehn Richtungen und ist diese ganze Welt, in der es nichts Verborgenes gibt."

Damit wird deutlich, dass die Bestätigung von einer romantischen Zukunftsvorstellung entkleidet wird, so dass nicht die „Blüten in den Himmel wachsen“, sondern dass es um das wirkliche Leben im Hier und Jetzt geht. Gleichzeitig kommt die große Freude, die der Buddhismus verkündet, in bewegender Weise zum Ausdruck und es wird bestätigt, dass man auf dem richtigen Wege ist, nachdem man den Bodhi-Geist erweckt und sich zu diesem Weg entschieden hat.

Im Folgenden gibt Dôgen ein berühmtes Koan-Gespräch zwischen den beiden großen Meistern Seppô und Gensa wieder. Seppô war der ältere von beiden und neigte eher zu Ideen und Abstraktionen, während Gensa immer auf die unmittelbare Wirklichkeit im Hier und Jetzt hinführte. Dabei betonte Gensa oft die konkrete materielle Dimension des Lebens, um ein Gegengewicht zu den Vorstellungen und Ideen von Meister Gensa einzubringen. Es wäre aber völlig falsch, leichtfertig zu behaupten, dass das Materielle der bessere Weg sei, denn die Koan-Gespräche gehen wegen ihrer umfassenden Aussagekraft und Wirksamkeit immer sowohl über die ideelle und als auch die materielle Ebene hinaus und gelangen zum Handeln und zur höchsten Ebene der Wirklichkeit, Wahrheit und inneren Freiheit.

In diesem Koan-Gespräch, das auch in zwei verschiedenen Versionen in der Koan-Sammlung Shinji-Shôbôgenzô enthalten ist, gingen beide Meister über Land und der ältere Seppô zeigte auf einen schönen Ort und sagte:

"Dieses Stück Land ist ein guter Platz für (meinen) Grabstein." Gensa sagte dazu: "Wie hoch (soll er sein)?"

Seppô antwortete nicht gleich, sondern ließ seinen Blick offensichtlich ein wenig in Gedanken hin- und herschweifen und auf- und abgleiten. Dies brachte Gensa zu der Aussage:

"Deine Verdienste für die Menschen und Götter stehen außer Frage, aber es scheint, Meister, dass du die Bestätigung auf dem Geiergipfel noch nicht einmal im Traum gesehen hast."

Seppô fragte daraufhin: "Was meinst du?", und Gensa antwortete:
"Sieben oder acht Fuß."

Der Sinn dieses Koans ergibt sich daraus, dass Meister Gensa auf die konkrete Wirklichkeit kommen wollte und Seppô davon abhalten wollte, weiter zu überlegen und abzuschweifen, was natürlich bei dem Gedanken an den eigenen Tod und den eigenen Grabstein mehr als verständlich ist. Gensa drückt seine Hochachtung gegenüber Seppô aus, indem er dessen Leistungen für den Buddha-Dharma betonte, äußerte sich jedoch humorvoll kritisch, indem er sagt, dass Meister Seppô auf dem Geiergipfel, also bei den Vorträgen von Gautama Buddha selbst, die Bestätigung des Buddha-Dharma nicht erhalten habe.

Dies bedeutet nicht, dass er an dem großen Meister Seppô und seinem tiefen Verständnis und seiner Erfahrung des Buddha-Dharma zweifelte, sondern er möchte ihn in die Wirklichkeit zurückholen und sagte im Kern:

"Was sollen wir hier lange überlegen, fangen wir doch einfach an und handeln."
Dôgen sagt hierzu: "Es ist offenkundig, dass jeder Buddha und jeder Vorfahre im Dharma die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges besitzt und sie weitergibt."

So wichtig also die Theorie, die Idee und die Lehre sind, so notwendig ist es, direkt und unmittelbar zu handeln und sich ganz "in den Augenblick zu werfen."
Auch in dem obigen Koan-Gespräch ist für die Weitergabe der Buddha-Lehre der unmittelbare Kontakt zwischen Meister und Schüler angesprochen. Dôgen zitiert in diesem Zusammenhang einen großen alten Meister:

"Wie könnten wir heute über die tiefgründige Wahrheit sprechen, wenn (die alten Meister) uns ihre Lehren nicht weiter gegeben hätten?"

Diese Aussage hat in der Tat gerade heute im Westen eine großartige Aktualität und ist von höchster Bedeutung, denn wie könnten wir die umfassenden Lehren von Dôgen, der wiederum auf die großen Meister in China zurückgeht, heute erfahren, wenn er sie nicht vor fast achthundert Jahren schriftlich niedergelegt hätte und wenn es nicht lebende Meister wie Nishijima Roshi und Kodo Sawaki gegeben hätte, die uns diese direkt hätten lehren können. Mich erfüllt dies mit großer Dankbarkeit, nachdem ich vieles in unserer westlichen Welt studiert habe und schließlich die großartigen Lehren des Buddhismus und besonders von Dôgen kennen gelernt und erfahren habe.

Dôgen spricht dann von dem "selbstlosen Selbst" und schlägt die Brücke zum Handeln der Bodhisattvas im Buddhismus, denn dieser steht nicht für eine theoretische Lehre und Philosophie, sondern für die Einheit von Körper, Geist und Moral. Das Denken allein reicht nicht aus, sondern das selbstlose Handeln erschafft eigentlich erst das wahre Selbst, das aber zwischen Ich und Du und den anderen und der Welt nicht mehr trennt. Ein solches Handeln geht in den großen Akkord und die große Melodie des Universums ein. Dabei ist der Augenblick des Handelns und des Geschehenlassens der eigentliche Grundbaustein oder wenn man so will, das Element des Universums und nicht eine materielle Entität, wie es meist in der westlichen Philosophie angenommen wird.

Dôgen zitiert einen alten Meister und Buddha mit den Worten:

"Jetzt wo wir von Buddha die erhabene und wunderbare Sache der Bestätigung gehört und einer nach dem anderen Bestätigung empfangen haben, sind Körper und Geist ganz von Freude erfüllt."
Dieses Zitat aus dem Lotus-Sutra kennzeichnet in beeindruckender Weise den Buddhismus und die Lebensphilosophie von Meister Dôgen und ist ein großes Vermächtnis, das er an uns weiter gegeben hat. Die von ihm gemeinte Freude hat eine ganz besondere Qualität und sollte nicht mit den üblichen Glücks- und Genussgefühlen verwechselt werden, die man z. B. bei Materialisten beobachten kann. Gautama Buddha spricht im Lotussutra von dem "höchsten rechten und ausgeglichenen Zustand der Wahrheit" (anuttara samyak sambodhi).
Im Lotus-Sutra heißt es, dass man diese große Freude bereits erfährt, wenn man nur einen einzigen Satz aus dem Sutra der „Lotusblume des wunderbaren Dharma“ hört und dass Gautama Buddha dann durch die großen Meister und Vorfahren im Dharma je im Augenblick die Bestätigung gibt.

Am Ende des Kapitels zitiert Dôgen den berühmten Laien Vimalakirti, der zu den Schülern Gautama Buddhas gehörte, der aus tiefer eigener Erfahrung und eigenem Erleben handelte und redete. Auch Vimalakirti distanzierte sich ähnlich wie Meister Gensa von Spekulationen und Illusionen und lehrte, dass es um den gegenwärtigen Augenblick geht und nicht um die Vergangenheit und Zukunft. Im gegenwärtigen Augenblick gibt es auch kein Entstehen und Vergehen, da dies mit einer gedachten linearen Zeit von Vergangenheit und Zukunft verbunden sei. Im gegenwärtigen Augenblick ist zwar die Vergangenheit und Zukunft intuitiv enthalten, aber sie wird nicht intellektuell gedacht, denn dies würde vom unmittelbaren Handeln und Leben wegführen und die Offenheit des Augenblicks zerstören. Er wird mit folgenden Worten zitiert:

"Wenn also (der Buddha) Maitreya den höchsten rechten und ausgeglichenen Zustand der Wahrheit erlangt, können auch alle Lebewesen dies erlangen. Weshalb: alle Lebewesen sind die Form der Wirklichkeit."

Dôgen schließt mit der Aussage, dass die Bestätigung die Wirklichkeit selbst ist und durch die Bestätigung die Welt überhaupt erst existiert. Er hat damit einen großartigen Bogen von der zukunftsbezogenen Weissagung zu der kraftvollen Lehre von Körper und Geist im Hier und Jetzt geschlagen.