Montag, 16. Mai 2011

Die strahlende Klarheit im Buddhismus (Kômyô)

Die japanische Bezeichnung dieses Kapitels lautet Kômyô, wobei Kô strahlend und hell bedeutet und myô die Klarheit ist.


Im Buddhismus wird die strahlende Klarheit der ganzen Welt und des Universums gelehrt, an der die Menschen teilhaben können, wenn sie nach der Lehre von Gautama Buddha praktizieren, handeln und leben. Dann sind sie in der leuchtenden Wirklichkeit des Hier und Jetzt. Sie verlieren sich nicht in idealistischen Träumereien.


Materiell orientierte Menschen haben kein Verständnis für religiöse oder idealistische Ziele, sondern erhoffen sich von materiellen Gütern und Reichtum das Glück auf dieser Erde, weil dies das einzige Reale sei. Mit einer materiellen Weltsicht kann man aber die strahlende Klarheit nicht erfahren. In der buddhistischen Lehre werden diese beiden Lebensdimensionen als einseitig angesehen.


Meister Dôgen erklärt in diesem Kapitel, dass das ganze Universum klar und strahlend ist und dass wir durch den Buddha-Dharma und die Übungspraxis daran teilnehmen können.


Durch die Lehre des reinen Handelns und des Gleichgewichts im Hier und Jetzt können wir uns für die strahlende Klarheit öffnen. Unser Körper und Geist erfahren dadurch nach Dôgen eine unerwartete Stärkung durch Energien, die wir uns vorher nicht ausdenken konnten und die sich jäh ereignen. Er zitiert dazu einen alten Meister:


„Das ganze Universum der zehn Richtungen ist die Strahlende Klarheit des Selbst.
In der strahlenden Klarheit dieses Selbst existiert das ganze Universum der zehn Richtungen.
Im ganzen Universum der zehn Richtungen gibt es keinen Einzigen Menschen, der nicht dieses Selbst ist.“

Nach der alten indischen Lehre besaßen das Universum und die Welt zehn konkrete Himmelsrichtungen. Diese werden hier mit dem Selbst in strahlender Klarheit gleichgesetzt. Das Selbst ist nicht das abgegrenzte Ich des Egoismus, sondern hat die Trennung von Subjekt und Objekt und damit den Dualismus überwunden und sich zum ganzen Universum hin geöffnet. Es bildet eine großartige Einheit mit ihm, mit der Natur und mit andren Menschen. Bei dieser Öffnung entsteht nach dem obigen Zitat die strahlende Klarheit.


Dieses so verstandene Selbst ist in allen Menschen ausnahmslos vorhanden und wirksam. Es sei jedoch erforderlich, diese Buddha-Wahrheit in der Praxis und mit Ausdauer zu erlernen. Wenn man nicht mit voller Ernsthaftigkeit handelt, entfernt man sich immer mehr von dieser Wahrheit. Doe Strahlende Klarheit gibt es nicht zum Nulltarif. Dôgen sagt hierzu:
Der Buddhismus wurde zuerst im ersten und zweiten Jahrhundert nach China gebracht, allerdings ohne die Praxis des Zazen. Dort kam es zu einigen tief greifenden Auseinandersetzungen mit dem bis dahin vorherrschenden Daoismus. Als Meister Bodhidharma Anfang des sechsten Jahrhunderts als authentischer Dharma-Nachfolger in der direkten Linie von Gautama Buddha nach China kam und den Dharma an seinen eigenen Schüler Taiso Eka weitergab, war dies laut Dôgen ein


„historisches Ereignis der strahlenden Klarheit der Buddhas und Vorfahren im Dharma. Davor hatten die Menschen (in China) die Klarheit der Buddhas und Vorfahren im Dharma weder gesehen noch davon gehört. Wie hätten sie ihre eigene strahlende Klarheit erkennen können?“


Mit Bodhidharma kam die buddhistische Praxis nach China, wo bis dahin nur die theoretische Lehre vorgeherrscht hatte, der nach Dôgen die Einheit von Theorie und Praxis fehlte. Die strahlende Klarheit des Buddhismus ist genau diese Verschmelzung von theoretischer Lehre und der Praxis des Zazen sowie des Handelns im Alltag. Die strahlende Klarheit ist also keine schöne Vorstellung, kein Wunschdenken und keine Flucht aus der Wirklichkeit.


In dem ZEN- Gesprächskreis Berlin haben wir gestern dieses Thema behandelt, ein Zusammenschnitt ist in Youtube zugreifbar: