„Daher kann sich zum selben Augenblick das Erwecken des Willens zur Wahrheit ereignen und derselbe Wille zur Wahrheit kann sich zum selben Augenblick ereignen. Die Praxis und die Verwirklichung der Wahrheit sind auch in (ein und) derselben Situation (und im selben Augenblick).“
Derartige Augenblicke sind Ereignisse von größter Bedeutung im Leben eines Menschen. Sie geschehen im gegenwärtigen Jetzt, sind also weder die allmählich verblassende oder romantisierende Erinnerungen an die Vergangenheit, noch sind sie Hoffnungen, Erwartungen oder Ängste für die Zukunft. Das sind nur Bereiche des Denkens und der Psyche aber nicht die leuchtende Wirklichkeit.
Nun kommt Dōgen auf das eigene Selbst zu sprechen und erklärt, dass auch das Selbst die Sein-Zeit ist:
Nun kommt Dōgen auf das eigene Selbst zu sprechen und erklärt, dass auch das Selbst die Sein-Zeit ist:
„Indem wir das Selbst in Ordnung bringen, sehen wir, was es ist. Die Wahrheit, dass das Selbst (genau) Zeit ist, ist so beschaffen.“
Er spricht hier nicht nur vom erwachten Selbst, sondern formuliert diese Aussage zur Sein-Zeit ganz allgemein, also für Dich und mich, wie wir sind. Er sagt zur Sein-Zeit, dass nichts in diesem Universum unabhängig von der wahren Zeit ist; nichts in unserer Welt und nichts in unserem Leben. Wenn wir unser Leben in Ordnung bringen, können wir nach Dōgen das Selbst in diesem Augenblick genau so sehen, wie es ist. Nishijima unterstreicht: „Daher ist es sehr klar, dass wir genau Zeit sind.“
Dōgen fährt fort: „Wir sollten in der Praxis lernen, dass die ganze Erde wegen dieser Wahrheit unzählige Phänomen und Hunderte von Dingen einschließt und dass jedes Phänomen und jedes Ding auf der ganzen Erde (wirklich) existiert.“
Die einzelnen Dinge und Phänomene dieser Welt, also die Dharmas, sollten wir in der Praxis genau so erfahren und sehen, wie sie sind, also nichts hinzusetzen und nichts wegnehmen. Vor allem durch Ideologien werden die Menschen zu ganz einseitigen Bewertungen verführt, sie denken oder fantasieren dann zusätzliche Phänomene hinzu, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Oft geschieht dies unbewusst.
Dieses Thema behandelt Dōgen zum Beispiel eingehend im Kapitel über die Wirklichkeit des Mondes. Einerseits reduzieren wir den wirklichen Mond häufig auf ganz wenige Formen, etwa auf den Vollmond als Symbol der Erleuchtung oder auf eine schmale Sichel, während er sich jedoch dauernd verändert und schon während einer Nacht die sichtbare Form nicht dieselbe bleibt. In jedem Augenblick sieht er anders als vorher aus. So unendlich vielfältig ist die Welt, in der wir leben!
Andererseits erzeugen wir künstlich im Geist durch Illusionen und Täuschungen viele angeblich verschiedene Monde, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Deshalb fordert uns der Buddhismus auf, auch die Formen oder – wie es hier heißt – die Dinge und Phänomene genau so in der Praxis zu erfahren, wie sie sind. Immer ganz genau hinsehen und in sich aufnehmen; dann ist man auch vor Täuschungen durch andere geschützt.