Montag, 16. Januar 2012

Gewöhnliches Verständnis der Zeit



Was haben die Schilderungen Dōgens der Sein-Zeit mit der Sichtweise und dem Verständnis der „normalen“ Menschen zu tun? Auch darüber hat er sich Gedanken gemacht:


„Die Sicht der heutigen gewöhnlichen Menschen und die Ursachen und Bedingungen für (diese) Sicht sind das, was der gewöhnliche Mensch erfährt, aber (dies ist) nicht die (wahre) Wirklichkeit des gewöhnlichen Menschen. Es ist für die Gegenwart genau so, dass die Wirklichkeit einen gewöhnlichen Menschen (gerade) zu seinen Ursachen und Bedingungen gemacht hat. Weil er es so versteht, (dass) diese Zeit und diese Existenz etwas anderes als die Wirklichkeit selbst sind, meint er, dass auch ‚der 16 Fuß goldene Leib‘ (des Buddhas) jenseits von mir ist.“

Damit bringt Dōgen zum Ausdruck, dass die Erfahrung des gewöhnlichen Menschen oftmals gerade nicht die eigentliche Wirklichkeit ist. Dessen Erfahrungen seien durch seine eigene subjektive Sichtweise und deren Ursachen und Umstände bestimmt. Die Ursachen und Umstände täuschen dem gewöhnlichen Menschen für eine Weile eine Wirklichkeit vor, die aber nicht real ist!


Sein Verständnis sagt ihm fälschlicherweise, dass die Zeit und Existenz von der Wirklichkeit verschieden seien. Er ist daher der Meinung, dass der „16 Fuß goldene Leib (des Buddhas) jenseits von ihm ist“. Aber die Wirklichkeit ist nicht teilbar in eine Buddha-Statue und uns selbst. Darüber hinaus ist das durch Buddha symbolisierte Erwachen die wahre Natur jedes Menschen und für jeden zu erlangen, wenn er sich auf den Buddha-Weg begibt.


Nishijima Roshi sagt zu diesem Problem:
„Obgleich das Universum jeden Menschen genau so wie Gautama Buddha geschaffen hat, lehnt der gewöhnliche Mensch diese wirklichen Tatsachen ab. Daher akzeptiert er nicht, dass er genau so wie Gautama Buddha selbst ist.“

Er verfällt dem Dualismus und gibt sich mit dem gewöhnlichen unerwachten Leben voller Täuschungen, vorgefasster Meinungen und Verdrängungen zufrieden. Damit gerät er immer wieder in den Teufelskreis der vermeidbaren Leiden. Ihm ist nicht klar, dass die Sein-Zeit die Wirklichkeit selbst ist, sondern er meint, davon getrennt zu sein. Infolgedessen erkennt er nicht, dass er ursprünglich mit Buddha identisch ist.


Nach der Lehre und Praxis des Buddha-Dharma ist es jedoch für jeden Menschen wirklich möglich, im Gleichgewicht zu sein, zu erwachen und damit genauso zu sein und zu leben wie Gautama Buddha und die großen Meister. Es bedarf allerdings der Ausdauer und des richtigen Übungsweges in Praxis und Theorie, um dies zu verwirklichen. Zazen ist dafür eine einzigartige Methode.