Gautama Buddha hatte auf der Suche nach der Befreiung
aus dem Leiden und der Wahrheit zunächst den Weg idealistischer
Erlösungs-Philosophien beschritten, aber enttäuscht festgestellt, dass die
angebotenen Lösungen, die allein auf dem Denken und der Sprache beruhten, nicht tragfähig waren. Wenn befreite Zustände entstanden,
war das nur vorübergehend und nur während der Phase der Meditation. Auch
eine materielle Lebensphilosophie kann nicht
das erhoffte Glück und die angestrebte Befreiung bringen. Dies gilt sowohl für
das Streben nach Genuss und Sinnlichkeit als auch für die körperliche Askese,
weil über das Körperliche allein keine Befreiung möglich ist. Ganz anders sieht
es beim Handeln aus, wie es Nishijima kurz und bündig formuliert: „Das
buddhistische Konzept der Zeit und des Universums, das nur im gegenwärtigen
Augenblick existiert, ist Teil der umfassenden Lehre des Buddhismus über das
Handeln.“
Genau im Augenblick selbst können wir mit unserem
Denkapparat nicht viel ausrichten, weil er viel zu langsam arbeitet. Wir können
zwar im Vorhinein an das kommende Handeln denken und es planen und wir können
später über unser Tun nachdenken und es analysieren. Der Augenblick selbst ist
aber zu kurz, als dass wir mit dem Denken alles ausschöpfen könnten, was im
Handeln geschieht. Nishijima Roshi fasst deshalb zusammen: „Gautama Buddha
erklärte, dass das Leben im Wesentlichen aus Handlungen im Hier und Jetzt
besteht.“ In der Tat handeln wir ununterbrochen, selbst wenn uns dies nur
teilweise bewusst ist. Für das Handeln sind laut Nishijima die beiden
Komponenten des Hier und Jetzt von zentraler Bedeutung. Der Ort des Hier und
die Zeit des Jetzt kann jeder klar erkennen und sie sind auch dem „gesunden
Menschenverstand“ und der Wahrnehmung direkt zugänglich.
Der Zen-Buddhismus legt großen Wert auf diesen
konkreten Ort, dass man genau hier, wo man gerade ist, mit Bedacht und
Aufmerksamkeit handelt. Demgegenüber ist die Zeit sehr viel schwerer zu
erfassen. Im Kapitel über die Sein-Zeit erläutert Dōgen seine schon fast
revolutionäre Sicht der Zeit, dass nämlich allein der Augenblick die
Wirklichkeit erfasst, wobei Vergangenheit und Zukunft nur Gehirntätigkeiten der
Erinnerung oder der Erwartung darstellen. „Mit anderen Worten ist die Situation
hier und jetzt unser wirkliches Leben“, so formuliert es Nishijima Roshi.
Die buddhistische Lehre und Praxis besagt, dass wir
nicht zuletzt darunter leiden, dass wir in der meist unbewussten Dualität von
Ich und Umwelt, von Subjekt und Objekt, zu leben glauben. Aber dies ist ein
fundamentaler Irrtum! In der Sein-Zeit im gegenwärtigen Augenblick wird diese
Dualität nämlich aufgehoben und dies geschieht genau im Jetzt des Handelns.
„Wenn wir handeln, gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Körper und Geist“,
stellt Nishijima fest und fährt fort: „Es gibt nur diesen Ort, diese Zeit,
diese Handlung, dieses Leben, diese Existenz und dieses Universum: jetzt,
jetzt, jetzt.“
Damit ist mit einfachen Worten die Lebensphilosophie
des Handelns im jetzigen Augenblick beschrieben.
Dōgen erläutert, dass die Freiheit für den Menschen
gerade im Augenblick des Handelns möglich ist. Damit ist das Dilemma zwischen ideell gedachter Freiheit, das Richtige zu tun und
das Falsche zu unterlassen, einerseits und der Festlegung durch das Gesetz von
Ursache und Wirkung andererseits aufgehoben. Wer im Augenblick lebt und
die Zazen-Praxis ausübt, der kann zumindest im Rahmen seiner gegebenen
Situation ein Optimum an Freiheit verwirklichen.