Montag, 25. Juni 2012

Zazen ist Handeln und Arbeiten ist Handeln



Wenn wir dem Tun und Handeln gerade im Hinblick auf die Freiheit einen so hohen Stellenwert einräumen, muss auch unsere Einstellung zur Arbeit ganz neu bedacht und grundsätzlich geändert werden. Arbeit ist dann das Tun und Handeln im Augenblick, also das Leben selbst, und nicht mehr die Mühsal, um das nötige Geld zu erwerben, um überleben zu können. Dōgen zitiert dazu Meister Daichi: „Ein Tag ohne Arbeit ist ein Tag ohne Essen.“
So ergibt sich eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Dōgens Aussagen zum Zazen, weil die Übungspraxis im Augenblick nicht von dem Ziel des Erwachens und der Erleuchtung abgetrennt werden darf, sondern beides im Augenblick des wahren Handelns verschmilzt. Übungspraxis bedeutet also, handelnd das Erwachen selbst zu erfahren, und Nishijima nennt dies folgerichtig die erste Erleuchtung. 

Wer „richtig“ Zazen praktiziert, hat bereits alles erreicht, was möglich ist, und sitzt in der wahren Wirklichkeit. Das ist der große Beitrag von Meister Dōgen zum japanischen Buddhismus, der in der heutigen Zeit in den Westen gekommen ist. Das Handeln im Augenblick ist also die Wirklichkeit und unser wahres Leben.
Dōgen behandelt verschiedene Begriffe und Vorstellungen davon, was ein Buddha sei, und grenzt sie entschieden ab vom wirklichen Handeln. Auf diese Weise verdeutlicht er, dass die Begriffe von „Buddha“ nicht die Wirklichkeit selbst sind, sondern eben nur Bezeichnungen auf der Wortebene. Er erinnert daran, dass die wahren Buddhas, die im Zustand der Wirklichkeit sind, nicht sehnsuchtsvoll auf die Erleuchtung warten, sondern im Augenblick handeln.

„Das Meistern des Handelns in Buddhas höchstem Zustand der Wahrheit gehört allein zum handelnden Buddha. Er wird niemals von dem Buddha als subjektive Natur und Ähnlichem verwirklicht, nicht einmal im Traum.“

Mit dieser Feststellung legt Dōgen den Schwerpunkt auf die Meisterschaft des Handelns im höchsten Zustand der Wahrheit, die Nishijima als vierte Lebensphilosophie bezeichnet. Allein dieser handelnde Buddha ist nach Dōgens Verständnis ein wirklicher Buddha und nur wer ein solches Handeln meistert, kann sich im höchsten Zustand befinden. Ob wir dabei den Begriff „Erleuchtung“ verwenden oder nicht, hat gegenüber der Wirklichkeit des Handelns keine große Bedeutung. Solche Begriffe dienen zwar der Kommunikation und sind wohl notwendig für das Verständnis des Lernprozesses auf dem Buddha-Weg, aber sie können die Wirklichkeit nicht voll erfassen. Sie liegt nach Dōgen im Handeln selbst, das nicht egoistisch nach eigener Erleuchtung strebt und mit großer Willensanstrengung darauf hinarbeitet; sie ist das reine und wahre Handeln.

„Weil dieser handelnde Buddha die Wahrheit in jedem Augenblick verwirklicht, ist die Wahrheit (schon) vor (der Trennung) von Körper (und Geist) verwirklicht. (Schon) vor den verbalen Formulierungen umfasst das Herausströmen des Wesentlichen der Lehre die Zeit, umfasst (alle) Richtungen, umfasst Buddha und umfasst das Handeln.“

Diese schwierige Textstelle hat Nishijima kürzlich wie folgt erklärt: Beim Handeln gibt es keine Trennung von Körper und Geist, das Handeln ist das Ursprüngliche. Wenn wir handeln, ist der Körper daher nicht isoliert. Eine solche mögliche Isolierung erfolgt immer nach dem Handeln und die Wirklichkeit der handelnden Buddhas gibt es deshalb vorher.
Die verbalen Formulierungen erfolgen später als das Handeln. Das Handeln als Wirklichkeit gibt es daher vor dem Denken und Reden.