Für
mich als Zen-Buddhist stellt sich beim Thema Geist die einfache Frage, wo die
Grenze zwischen Ideen und Spekulationen der denkenden Philosophen-Gehirne
einerseits und der Wirklichkeit des Hier und Jetzt in unserem Leben und unserer
Welt andererseits zu ziehen ist. Denn eine solche klare Unterscheidung ist
gerade das zentrale Anliegen Dōgens in seinem fulminanten Werk Shōbōgenzō – Die Schatzkammer des wahren
Dharma-Auges. Mir ist es daher ein großes Anliegen herauszuarbeiten, was im
Zen unter Geist verstanden und erfahren wird.
Das
Thema Geist ist bei uns im Westen immer wieder von führenden Philosophen
bearbeitet worden – manchmal habe ich den Eindruck, als ob jeder bedeutende
Philosoph den Ehrgeiz hatte, eine eigene Definition des Geistes zu erdenken und
zu verfassen. Damit wird das Thema Geist immer unklarer. Diese Entwicklung
erreichte einen Höhepunkt mit den hoch spekulativen Denkkonstrukten Hegels und beschränkte
sich fast ausschließlich auf das „reine Denken“.
Wir
dürfen beim Geist mit schönen Worten keine Illusionen erzeugen, die dem
wirklichen Leben im Alltag nicht standhalten und nur der flüchtigen Erbauung
dienen. Solche Illusionen verwandeln sich nur zu schnell in Täuschungen und
Ideologien und landen meist irgendwann in persönlichen und gesellschaftlichen
Katastrophen. Unsere Arbeiten zum Geist dürfen daher nicht von der Wirklichkeit
wegführen, sondern müssen im Gegenteil zur Wirklichkeit der Welt und des großen
offenen Selbst hinführen. Nur daraus können Heilung und Selbstheilung
hervorgehen.
Beim innerbuddhistischen
Dialog wird immer deutlicher, dass ein Bezug zu den ursprünglichen, in Pali
verfassten, authentischen Schriften Gautama Buddhas notwendig ist. Im ersten
Kapitel habe ich daher versucht, einen solchen Bezug zum frühen Buddhismus
herzustellen. Im zweiten Kapitel steht der eindeutige Entschluss im
Mittelpunkt, für den Buddha-Weg und die Klärung von Körper und Geist die Suche
nach dem Wahrheitsgeist konsequent zu beginnen und fortzusetzen.
Danach folgt mit den
Ausführungen zu „Der Geist hier und jetzt ist Buddha“ ein zentrales Kapitel des
Zen-Buddhismus, wobei Buddha für den erwachten Geist und die Erleuchtung steht.
Es geht also ganz konkret um das Hier und Jetzt der Wirklichkeit und nicht um
Spekulationen über einen Geist, den man sich als isoliert vom Körper vorstellt.
Im Kapitel 4 wird die
strahlende Klarheit von Körper und Geist weiter vertieft und in Kapitel 5 mit
dem berühmten Ausspruch des Meisters Gensa verbunden, dass unser Leben und das
Universum eine leuchtende Perle sind.
In der Einheit von
Körper-und-Geist kommt der Reinigung unseres Körpers eine tiefgründige und
exemplarische Bedeutung zu. Dies zeigt auch den ganz konkreten Bezug Dōgens zum
wirklichen Leben, und er scheut sich nicht, detaillierte Ausführungen zum
Verhalten auf der Toilette zu machen.
Im 7. Kapitel dieses Buches
wird die für den Westen fast schockierende Aussage begründet, dass der Geist
mit dem Denken nicht erfasst werden kann. Dies ist keineswegs Resignation oder
Abwertung des analysierenden Denkens, sondern Voraussetzung für die Klarheit,
was das Denken leisten kann und was nicht. In diesem Bereich ist aus meiner
Sicht ein fundamentaler Lernprozess im Westen notwendig, weil das Denken seit
Platon viel zu sehr idealisiert und überhöht wurde und der intuitiven Klarheit,
die über das Denken hinausgeht, viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Gerade
die Nüchternheit gegenüber den Fähigkeiten des Denkens ist die Voraussetzung
für den Durchbruch zur Klarheit, die wir in unserem materialistischen Zeitalter
so dringend benötigen.
Mit
den folgenden Kapiteln eröffnet Dōgen verschiedene fundamentale Dimensionen zum
Geist (Kapitel 8) und zur Einheit von Ideen, materiellen Formen und Handeln
(Kapitel 9). In den Kapiteln 10 bis 13 wird ein wichtiger Bezug zu der lebenden
Übertragung des Wahrheitsgeistes im Buddhismus hergestellt und der Frage
nachgegangen, wie man mit Worten den Geist des Hier und Jetzt erklären kann,
der niemals vollständig mit dem Denken zu erfassen ist.
Im
Kapitel 14 habe ich schließlich Gleichnisse und ein herausragendes
Kōan-Gespräch zweier großer Meister zum „ewigen Spiegel“ behandelt. Dabei
stellt Dōgen die zentrale Frage, was ist Einbildung, was ist Täuschung, was
sind Worte und was ist Realität.
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