Diese Erweckung ist der erste Schritt, um den Willen zur Wahrheit zu erwecken und entschlossen zu handeln, damit
andere befreit werden und ihnen geholfen wird. Dōgen nennt dies „die erste Erweckung des Geistes“. Damit
eröffnet sich eine neue Welt und eine neue Lebensphilosophie, und man „begegnet zahllosen Buddhas“ und ehrt
sie.
Im heutigen Sprachgebrauch würden wir sagen, dass eine
selbstverstärkende Entwicklung und Klärung in Gang gekommen ist. Der Weg des
Helfens und des Bodhisattva wird
dadurch nachhaltig beschritten und entwickelt eine sich beschleunigende Kraft.
Auf diese Weise eröffnen sich für Geist und Handeln völlig neue Bereiche, die
harmonisch zueinander passen und auf spannendes Neuland führen. Der Mensch
beginnt, den „eigenen Käfig zu
verschrotten“. Dōgen sagt dazu:
Wenn ihr „fortfahrt, den
Bodhi-Geist zu erwecken, fügt ihr dem Schnee noch den Frost hinzu“. Damit
meint er, dass der Bodhi-Geist nicht wieder verschwindet, sondern sich kräftigt
und stabilisiert, so wie der Frost dafür sorgt, dass der Schnee erhalten bleibt
und fest wird.
Anschließend weist Dōgen auf die enge Beziehung zwischen der Erweckung
des Bodhi-Geistes und dem vollkommenen
Erwachen hin. Dies sei das Höchste, weil man dann Buddha werde. Er schätzt
es deutlich höher ein, diese große Verwirklichung zu erreichen, als den
Bodhi-Geist zu erwecken, aber dessen Erweckung ist der erste maßgebliche Schritt dazu. Das große Erwachen vergleicht er
mit dem großen Feuer am Ende eines Weltzeitalters und den Bodhi-Geist mit dem
Licht eines Leuchtkäfers. Aber er fügt hinzu, dass beide letztlich eine Einheit
bilden und es daher außerordentlich wichtig ist, den Bodhi-Geist real zu
erwecken – und zwar unbedingt zuerst.
Dōgen ermahnt uns, ständig an Folgendes zu denken:
„Wie kann
ich die Lebewesen dazu bringen,
dass sie in
die höchste Wahrheit eingehen können,
und schnell
einen Körper Buddhas verwirklichen?“
Damit stellt er eine Verbindung zum Lotos-Sūtra
her, bei dem im Kapitel „Die Lebensdauer des Tathāgata“ die gleichen Zeilen
erscheinen. Wenn man den Lebewesen helfen will, ist es laut Dōgen sehr wichtig,
auch bei ihnen den Bodhi-Geist zu erwecken, damit sie ebenfalls den klaren
Entschluss fassen, andere zu befreien, bevor sie selbst Erleuchtung erlangt
haben. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass ein egoistischer und berechnender
Wille, durch dieses Handeln die Befreiung und Erleuchtung selbst zu erlangen,
falsch sei und ein Hindernis dafür darstelle. Dadurch werden Körper und Geist
unruhig und unklar.
Genauso irrig sei es, sich bei der Zazen-Praxis das egoistische Ziel zu
setzen, ein berühmter Buddha zu werden. Auch das Bodhisattva-Handeln sei falsch
verstanden, wenn man nur das eigene Karma verbessern und sich dadurch
spirituelle Vorteile verschaffen wolle. Es gehe immer darum, die wachsenden
Kräfte und die sich entwickelnde Klarheit im Handeln den anderen Menschen
zugutekommen zu lassen und keine egoistischen Ziele zu verfolgen.
„Nachdem der
Bodhi-Geist erweckt worden ist, verwandelt sich die Erde vollständig zu Gold,
wenn wir sie umarmen. Und wenn wir den Ozean umrühren, wird er sofort zu süßem
Tau.“
Dann bilden sogar einfache Handlungen, zum Beispiel einen Kieselstein
aufzuheben oder Sand zu schaufeln, eine Einheit mit dem Bodhi-Geist. Genau dies
meint Dōgen, wenn er davon spricht, dass sich die Erde zu Gold verwandelt.
Demgegenüber sind beispielsweise weltliche Güter wie Ehrungen, hohe Positionen
sowie die eigene „großartige“ materielle Körperlichkeit von untergeordneter Bedeutung.
Wenn der Bodhi-Geist erweckt wurde und das Bodhisattva-Handeln begonnen hat, stellen sich viele Hilfen in
unserem Leben wie von selbst ein. Die Gegenstände dieser Welt, die Umgebung und
ihre Bedingungen werden dann in vorher nicht gekannter Weise nützlich und
hilfreich sein