Der Bodhi-Geist
(Wahrheits-Geist) ereignet sich auf unerklärbare Weise und hat eine wunderbare,
um nicht zu sagen mystische Verbindung zu Gesprächen über die Wahrheit – dies
gilt vor allem zwischen Meister und Schüler sowie zwischen Buddhas, also den Vorfahren
im Dharma und wahren Meistern. Dōgen bemerkt hierzu:
„(Der
Bodhi-Geist) wird uns nicht von den Buddhas und Bodhisattvas verliehen, und
er ist jenseits unserer eigenen Fähigkeiten.“
Woher dieser Bodhi-Geist eigentlich kommt, könne man nicht mit Sicherheit
sagen, denn er komme nicht von uns selbst und auch nicht von anderen. Seine Erweckung geschieht in unserem täglichen Leben
und im menschlichen Körper. In manchen Gebieten ereignet er sich häufiger als
in anderen, laut Dōgen vor allem im legendären südlichen Kontinent der
indischen Mythologie. Vermutlich geht er auch davon aus, dass im buddhistisch
hoch entwickelten Indien der Bodhi-Geist häufiger erweckt wird als in anderen
Ländern, in denen der Buddhismus nicht gelehrt und nicht praktiziert wird.
Dōgen betont, dass es falsch wäre, nicht mehr zu praktizieren, wenn der
Bodhi-Geist einmal erweckt worden ist: Die
Praxis und das Bodhisattva-Handeln müssen ständig fortgesetzt und
verfeinert werden, um die Klarheit nicht wieder zu verlieren. Es geht darum,
anderen Lebewesen zu helfen und das Ziel
der eigene Erleuchtung zurückzustellen, und genau dann kann sich der
Bodhi-Geist verwirklichen. Wenn wir so handeln, befinden wir uns in
vollständigem Einklang mit dem Bodhi-Geist und erleben Bodhi mit Freude und Glück.
Im Allgemeinen handelt der Bodhi-Geist ohne Unterbrechung auf drei
verschiedene Arten: durch den Körper, durch das Sprechen und durch den
denkenden Geist. Durch das Handeln im Bodhi-Geist wird den Menschen und allen
anderen Lebewesen wirklich geholfen.
Dieses praktische Leben und Handeln ist kein vordergründiges und
oberflächliches Vergnügen in einer materialistischen Weise, denn dieses lenkt
bekanntlich eher vom Wesentlichen ab oder macht es sogar unmöglich. Das Handeln
im Bodhi-Geist hat auch die „Fassaden von Täuschung und Erleuchtung“
überschritten, ist also die klare
Wirklichkeit selbst. An dieser Stelle zitiert Dōgen den Bodhisattva Mahākāshyapa:
„Den Geist und das Höchste erwecken:
Diese beiden sind ohne Trennung.
Von diesen beiden Zuständen ist der erste schwieriger (zu verwirklichen):
Andere zu befreien, bevor man selbst Befreiung erlangt hat.
Aus diesem Grund verbeuge ich mich vor (deiner) ersten Erweckung des Geistes.“
Diese beiden sind ohne Trennung.
Von diesen beiden Zuständen ist der erste schwieriger (zu verwirklichen):
Andere zu befreien, bevor man selbst Befreiung erlangt hat.
Aus diesem Grund verbeuge ich mich vor (deiner) ersten Erweckung des Geistes.“
Und weiter:
„Eine solche Erweckung des Geistes überschreitet die dreifache Welt.
„Eine solche Erweckung des Geistes überschreitet die dreifache Welt.
Wir
können ihn daher als das Höchste bezeichnen.“
Dōgen geht es in diesem Zitat
vor allem um den Anfang des Buddha-Weges, bei dem zum ersten Mal der
Bodhi-Geist der Wahrheit erweckt wird. Ich folge ihm dabei ohne Wenn und Aber:
Es bedarf eines kleinen Wunders, um den „schlummernden“ Wahrheitsgeist im
Menschen zu erwecken. Damit beginnt eine völlig neue Lebensdimension, die sich
von herkömmlichen Vorstellungen und Ideologien befreit und auch nicht blind den
scheinbar so wertvollen Dingen des Materialismus nachjagt, die gerade in
unserer heutigen Konsumgesellschaft eine meist nicht hinterfragte Dominanz
erlangt haben.
Es ist von fundamentaler
Bedeutung, sich darüber klar zu werden, dass die beiden Wege des Materialismus und Idealismus, wenn sie
unreflektiert und bedenkenlos gegangen werden, in Sackgassen führen, aus denen
man sich nur sehr schwer wieder befreien kann.
Bei vielen Menschen nehmen
daher heute in der zweiten Lebenshälfte und im hohen Alter die Enttäuschungen
immer mehr zu, sie haben das Gefühl, dass sie Wesentliches im Leben verpasst
haben und vieles wirklich sinnlos war. Ein solches Eingeständnis könnte auch
den Wahrheitsgeist erwecken, aber das erfordert eine gute Portion Mut.
Deshalb ist es nicht
verwunderlich, dass viele stattdessen auf die Angebote der medialen
Unterhaltungsindustrie zurückgreifen, um nicht über verpasste Möglichkeiten
nachdenken zu müssen. Damit wird aber nur die
Unklarheit des wahren Selbst verstärkt. Zum Handeln ist es jedoch nie zu spät!