Mittwoch, 22. Oktober 2014

Wir sind im Gleichgewicht, wenn der Weg des Buddha gegangen wird


Im Zustand des Gleichgewichts sehen wir also alles ganz klar und realisieren, dass der menschliche Körper nach der Überwindung der Dualität das Ganze der zehn Richtungen ist. Dabei sei es von geringer Bedeutung, dass der menschliche Körper „durch sich selbst und andere begrenzt ist.“[i] Das heißt nichts anderes, als dass der menschliche Körper zu einem konkreten Menschen gehört und in Wechselwirkung mit anderen Menschen und Situationen steht.

Diese Aussage unterstreicht, dass das Leben im Gleichgewicht ist und das ganze Universum der zehn Richtungen ebenfalls balanciert ist. Zum menschlichen Körper gehören nach buddhistischer Vorstellung die vier materiellen Elemente und die fünf Komponenten des Menschen (skandas). Auch sie sind im Gleichgewicht, wenn der Weg des Buddha gegangen wird. Das Gleichgewicht ist nicht nur eine Angelegenheit des Gehirns oder der Psyche: So ist zum Beispiel die Körperhaltung bei der Zen-Meditation von zentraler Bedeutung.[ii]

Die intellektuellen Fähigkeiten sind im Gegensatz zum umfassenden Körper-und-Geist sehr begrenzt:

Weder die großen Elemente noch die kleinsten Partikel können von den gewöhnlichen Menschen vollständig erkannt werden, aber sie werden in der Erfahrung durch die Heiligen (mit Körper-und-Geist) gemeistert.“

Wer also nicht die im Buddhismus gelehrte Wahrheit und Freiheit erlangt hat, besitzt zwangsläufig nur ein eingeengtes Bewusstsein sowie ein eingeengtes Wahrnehmungsvermögen. Auch die Konzentrationsfähigkeit wird durch die regelmäßige Zazen-Praxis ganz wesentlich verbessert. Ich habe das selbst bei der Entwicklung neuartiger und komplexer Informatiksysteme erfahren.

Es geht also bei der Zen-Praxis nicht um einen Ausstieg aus dem Alltag, um für eine begrenzte Zeit die Wohltaten einer esoterischen, „rein geistigen“ Meditation zu genießen und dann wieder in den alten Stress, die alten Einengungen und Fixierungen zurückzufallen. Der Zen-Buddhismus ist aus meiner Sicht gerade besonders dafür geeignet, das Leben in allen Dimensionen des Körpers und Geistes zu verbessern. Ein elitärer Geist, der sich von allem Körperlichen und Materiellen abgelöst hat und in höheren Sphären schwebt, ist wenig hilfreich.

Auf dieser Basis (ist das ganze Universum) aufgebaut, und dieser Aufbau ist auf dieser Basis verwirklicht.“


Durch das Erlangen der umfassenden Wahrheit bekommt man also sowohl ein umfassendes intuitives Verständnis der Einheit der Welt, die immer aus Körper und Geist als Einheit besteht, als auch die Präzision und Klarheit für das Detail, für die Dinge und Phänomene. Nicht zuletzt sind solche erwachten Menschen durch abstrakte Ideologien kaum zu beeinflussen, und sie laufen keinen charismatischen Verführern nach, die manchmal sogar kriminelle Energie besitzen.

Eine Gehirnwäsche zum Beispiel ist bei solchen Menschen völlig wirkungslos, weil sie den gesagten oder geschriebenen Worten nur begrenzt vertrauen. Außerdem besitzen sie ein präzises Beobachtungsvermögen sowie Kombinationsintelligenz und erkennen, ob zum Beispiel das wirkliche Handeln mit den rhetorisch schön formulierten Zielen übereinstimmt.






[i] Shobogenzo, englische Fassung, Bd. 2, S. 254, Fußnote 57
[ii] vgl. hierzu: Nishijima, G. W. und Seggelke, Y. J.: Die Kraft der ZEN-Meditation. Im Auge des Zen, Bd. 4