„Indem wir fortfahren, Augenblick für
Augenblick den (bisherigen) Körper aufzugeben und den (wahren) Körper zu
empfangen, ist es der gegenwärtige Zustand, die Wahrheit durch Schritte
vorwärts und Schritte rückwärts zu lernen.“
Diese Formulierung mit den
vorwärts und rückwärts gerichteten Schritten wird im Shōbōgenzō häufig verwendet, um das Handeln näher zu
charakterisieren. Die Schritte vorwärts bezeichnen ein aktives, vorwärts gerichtetes Handeln, während die Schritte rückwärts bedeuten, etwas Sinnvolles
geschehen zu lassen oder sogar einige Schritte zurückzutreten und der gesamten
Situation die Freiheit zu geben, sich harmonisch und natürlich zu entwickeln.
Eine dauernd vorwärts
drängende Hektik kann niemals zu einem ausgeglichenen Leben für sich selbst
oder für andere führen. Es mag Phasen geben, wo eine solche drängende,
konzentrierte Kraftanstrengung notwendig und sinnvoll ist, um eine Hürde zu
überwinden oder in einen ganz neuen Lebens-Zustand zu gelangen. Aber dann
sollte man wieder einen Schritt zurücktreten, das Ganze genau beobachten, um
nicht zu sagen darüber meditieren, um keinen
unnötigen Zwang auf die gesamte Situation auszuüben.
Die neue Situation ist dann
die Ausgangslage für das weitere Vorgehen, das einer konkretisierten Analyse
bedarf, die vorher gar nicht möglich war. Erst dadurch ergibt sich die nötige
Offenheit: Zen-Geist ist Anfängergeist.[i]
Andauernder Aktivismus erzielt oft eine schlechte Wirkung und kostet viel
unnötige Kraft. Wer sich ohne Gleichgewicht verausgabt, landet im Burnout.
Dōgen verwendet für die Ruhe
und das Gleichgewicht gern Wendungen aus bekannten Kōan-Geschichten des Zen,
zum Beispiel: „ein polierter Ziegel“,
ein Baum mit „verwelkten Blättern“ der
falschen gierigen Emotionen oder die „tote
Asche“ des Egoismus. Das sind Bereiche,
die auf dem Weg der Zen-Praxis verwelken und vergehen. Es geht um positive Eigenschaften der
ausgeglichenen Zazen-Praxis, die aus ihr entstehen, und keineswegs um Askese,
die alles Lebendige abtötet und die
Menschen zu gefühllosen Baumstümpfen werden lässt. Wenn der Körper abstirbt,
stirbt auch der Geist und mit ihm unsere menschliche Kreativität. Denn
Lebensfreude und Kreativität sind ein "Geschwister-Paar".
Es geht darum, den Mittleren
Weg zu gehen und überschießende Extreme zu vermeiden. Der Mittlere Weg führt
aus der Abhängigkeit und Mittelmäßigkeit zur Selbstbestimmung. Das Streben nach
der Wahrheit und die meditative Praxis sollten ohne Unterbrechungen und
kontinuierlich durchgeführt werden. Wenn wir einmal nachlässig waren bei der
Praxis oder im täglichen Handeln, sollten wir möglichst schnell wieder zum
guten Rhythmus zurückkehren.
Das Leben im Zen ist
zunächst keine bequeme Angelegenheit. Aber der wahre Zen es ist auch nicht rau, trostlos und ärmlich, wie
Außenstehende manchmal behaupten; das ist blanker Unsinn:
„(Unser) Leben ist eine Anstrengung, aber wir sind
gleichzeitig keine armen Gestalten. Vergleicht uns nicht mit Begriffen wie
Täuschung oder gut und böse. Geht nicht in die Falle der Bereiche von falsch
und richtig oder wahr und unwahr.“
Dōgen fügt weitere Kōan-Formulierungen
hinzu: Wahres „Leben-und-Sterben, Gehen-und-Kommen
sind der wirkliche menschliche Körper.“ Das fortlaufende, ziellose Wandern im Leben der gewöhnlichen Menschen, welche die
Bodhi-Wahrheit nicht anstreben und erlangen, ist etwas anderes als das nur scheinbar ziellose Leben der
praktizierenden Buddhisten. Denn es geht nicht um materielle Ziele, um Ansehen
oder äußerer Ruhm. Besser ist Handeln im Gleichgewicht.
Dōgen bezeichnet diesen
Unterschied als „zwei der sieben
Arten von Leben-und-Tod“ und meint damit das eingeengte Leben gewöhnlicher
Menschen, die nur zwei verschiedene Lebensweisen kennen, zum Beispiel
Unterscheidung und Veränderung im Äußeren. Im Gegensatz dazu haben
praktizierende Buddhisten zusätzliche
Varianten, Möglichkeiten und Freiheiten, die hier mit den „sieben Arten“
symbolisiert werden.[ii]
Wenn wir die vielfältigen Arten zu leben vollkommen verwirklichen, brauchen wir
uns nicht zu fürchten und keine Ängste für die Zukunft zu haben. Wer in seinem
jetzigen Leben alte Zustände und Fesseln abgelegt hat, ist damit schon eines Todes
seines früheren negativen Lebens
gestorben.