„Die
dreifache Welt ist nur der eine Geist,
es gibt
nichts anderes außerhalb des Geistes.
Der Geist,
Buddha und die Lebewesen –
diese drei
sind ohne Unterschied.“
Wie mehrfach im Shōbōgenzō
ausgeführt, darf man auch hier den Geist auf keinen Fall im Sinne der
europäischen Philosophie oder der Umgangssprache als etwas Immaterielles im
Gegensatz zum Körper und zu Emotionen verstehen. Denn dann wäre der Geist nur
eingeengt auf das serielle Denken und das
Bewusstsein oder vielleicht sogar identisch mit einem gedachten „absoluten
Weltgeist“ wie bei Hegel.[ii]
Eine solche Trennung von Geist und
Körper führt aus der Sicht des Buddhismus vollständig in die Sackgasse.
Wenn das Gleichgewicht oder die Erleuchtung wirksam ist, eröffnet sich uns die
Einheit der sogenannten dreifachen Welt,
also des Lebens und Universums, und genau dies ist der hier angesprochene
buddhistische Geist. Dōgen ergänzt:
„Dieses (Gedicht
Buddhas) ist die ganze Anstrengung (seiner) ganzen Lebenszeit. Die ganze
Anstrengung seiner Lebenszeit ist die vollständige Ganzheit seiner totalen
Anstrengung. Während es bewusstes Handeln ist, mag es auch Handeln im natürlichen
Strom von Sprache und Handeln sein.“
Dōgen geht hier auf das Erwachen ein und spricht von der ganzen Anstrengung oder Praxis Gautama
Buddhas während seiner Lebenszeit: Erwachen gibt es nicht zum Nulltarif oder im
Schnellverfahren von geschickten aber unseriösen Geschäftmachern.
Dōgen stellt die Verbindung zum Handeln her, das er einerseits als
bewusst charakterisiert und andererseits als natürlichen Strom von Rede und Handeln. Gautama Buddha hat die
umfassende Ganzheit von Geist und Lebewesen durch sein Handeln verwirklicht, zum Beispiel indem er den Menschen direkt und
praktisch mit seinen tiefgründigen und umfassenden Dharma-Reden bei ihren
Lebensproblemen geholfen hat.
In diesen Reden verwendete er häufig Gleichnisse aus dem Alltag der
Menschen. Wie Nishijima Roshi betont, ist das Handeln maßgeblich für die
Verwirklichung des menschlichen Lebens und der Welt, und damit ist es unauflösbar mit dem buddhistischen Geist
verbunden. Dies ist ein grundsätzlicher Unterschied zum philosophischen Denken
des Westens, in dem der Geist mit dem Handeln kaum in Verbindung gebracht oder
oft sogar im Gegensatz dazu gesehen wird.
Wichtig ist auch die Feststellung, dass das bewusste Handeln ein natürlicher Strom ist, also nichts
Ausgedachtes oder Künstliches, das beispielsweise nur durch Glauben oder
Illusionen verursacht ist und der Wirklichkeit demnach nicht entspricht.
Dass sich Dōgen bei diesen Aussagen auf den indischen Meister Nāgārjuna bezieht, untermauert das
Argument, dass dieser kein Nihilist
ist. Das zeigt sich auch in Nāgārjunas Girlanden-Sūtra, das ganz praktische
Ratschläge für das Leben hier und jetzt enthält.
„Deshalb
sind die jetzt gesprochenen Worte des Tathāgata, dass die dreifache Welt nur
der eine (umfassende) Geist ist, die ganze Verwirklichung des ganzen Tathāgata;
und sein ganzes Leben ist das Ganze dieses einen Gesagten.“
Die dreifache Welt ist genau so, wie sie ist, die ganze Wirklichkeit und
Wahrheit. Dōgen führt aus, dass es außerhalb dieses Geistes, der mit der
dreifachen Welt identisch ist, nichts anderes gibt und geben kann: nämlich
Ideologien Fantasien und Täuschungen. Es geht ihm besonders um die Lebensdimension
der Dinge, der Vielfalt in der Welt und der Materie. Nach Nishijima Roshi ist
unsere Wahrnehmung mit dieser zweiten Lebensphilosophie der Formen und der
Materie unauflösbar verbunden.
[i] Dieses Zitat ist aus dem Girlanden-Sūtra von Meister
Nâgârjuna übernommen. In diesem Sūtra gibt der Meister Ratschläge für das
praktische Leben nach dem Buddha-Dharma; es entstand vermutlich im zweiten
Jahrhundert.
[ii] Hügli, Anton; Lübcke, Poul (Hrsg.): Philosophie-Lexikon. Personen und Begriffe der abendländischen
Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart, S. 232 ff.