Ein allzu sehr auf den gewöhnlichen Menschen bezogenes Verständnis des Buddhismus kann nicht zur wahren buddhistischen
Lehre und Praxis führen. Nur dann sind alle praktischen Tätigkeiten des Alltags
sowie die sinnlichen Wahrnehmungen im Einklang mit der buddhistischen
Wirklichkeit!
Vermutlich
spricht Dōgen solche buddhistischen Gruppen und Übertragungslinien an, die er
nicht für authentisch hält, die die Lebenswirklichkeit des Handelns nicht
konkret kennen und den Dharma nicht praktizieren. Sicher meint er auch Gruppen,
die nicht Zazen praktizieren und in Theorien und Zeremonien gefangen sind.
Dōgen
hält fest, dass viele verschiedenartige, zu seiner
Zeit gelehrte Formen der Erleuchtung überhaupt nicht die Wirklichkeit des
wahren und reinen Handelns erreichen. Sie verharren
in dogmatischen traditionellen Lehren und liebgewordenen Ideen-Konstrukten ohne
großen Wahrheitsgehalt. Sie sind nur nettes Wetterleuchten im Geist ohne Kraft
und ohne Entwicklungs-Potential. Dies gilt nicht zuletzt für bestimmte buddhistische
Lehren, die vielleicht sogar als heilig und unantastbar anerkannt waren.
Für Dōgen ist es von großer
Bedeutung, ernste Fragen zu stellen und nichts ungeprüft hinzunehmen. Für
solches Verhalten sind sogar heilige Hierarchien auch in heutigen buddhistischen
Gruppen bestimmt hinderlich.
Auch
Begriffe und Vorstellungen von der Achtsamkeit oder der Nicht-Achtsamkeit
erreichen nicht das Handeln selbst. Das behandelt Dōgen in den Kapiteln über
die Lotus- Sūtra und das Lesen der Sūtras. Ob man Erleuchtung erlangt hat oder
ohne Erleuchtung ist, oder ob man „erlernte Erleuchtung“ oder „ursprüngliche
Erleuchtung“ hat, sind laut Dōgen
„nur
aufgeregte Gedanken der gewöhnlichen Menschen und sie werden hektisch von den
gewöhnlichen Menschen der Gegenwart hin- und hergewälzt.“
Im
Verhältnis zum Handeln in seiner Einfachheit und Reinheit seien dies jedoch nur
Gehirntätigkeiten, die letztlich nicht weiterführen. Solche Denkgebäude würden
sich auch nicht im Einklang mit dem authentischen Buddha-Dharma befinden.
Dōgen
arbeitet dann heraus, dass sich die Achtsamkeit als Begriff und Vorstellung bei
den gewöhnlichen Menschen fundamental von der Achtsamkeit der handelnden
Buddhas unterscheidet. Davon ist im großen Sūtra der Achtsamkeit des frühen
Buddhismus die Rede, in dem auch die Vier Edlen Wahrheiten, die Fünf Hemmnisse
des Erwachens und vor allem der Achtfache Pfad enthalten sind. Im Kapitel des Shōbōgenzō über die 37 Elemente des
Erwachens bespricht Dōgen die Achtsamkeit ebenfalls detailliert.
Er
lehnt sie also keineswegs ab, sondern führt sie durch die Praxis des wahren und
reinen Handelns auf ihren Kern zurück.