Mittwoch, 19. November 2014

Tätigen Handeln ist selbst das Erwachen des Bodhi-Geistes


Nach der  buddhistischen Lehre, die seit über 2500 Jahren erprobt ist, kann man die Wahrheit und Befreiung nur dadurch erlernen, dass man sowohl den Geist als auch den Körper schult. Beide gehören nämlich in der Wirklichkeit unauflösbar zusammen und bilden eine Einheit. Der Lehre vom Handeln und Tun kommt im Buddhismus eine sehr große Bedeutung zu, und zum Handeln gehören immer sowohl der Geist als auch der Körper.

Während wir in der westlichen Philosophie den Intellekt und Geist meist völlig losgelöst vom Körper des Menschen behandeln, wird eine solche Trennung im Buddhismus als sinnlos abgelehnt. Wenn Dōgen zunächst den Lernvorgang des Geistes und dann den des Körpers beschreibt, geschieht dies lediglich aus didaktischen Gründen, um die jeweiligen Bereiche möglichst klar herausarbeiten zu können.
Er betont, wie wichtig es ist, den klaren Entschluss für den Buddha-Weg zu fassen. Und er bemerkt hierzu:

„Wenn ihr euch nicht entschließen könnt, die Wahrheit zu erlernen, entfernt sie sich immer mehr von euch.“

Das bedeutet, dass man durch den Entschluss allein zwar noch nicht zur Wahrheit erwacht ist, aber dass man sich ohne eine solche grundsätzliche Entscheidung in seinem Leben immer mehr verirrt und sich zum Beispiel im Materialismus verliert.
Wesentlicher Teil dieses Wahrheitsweges ist ethisches Denken und Handeln. Die Ethik darf nicht im Denken und bei den Ideen stehen bleiben, sondern muss durch das Handeln umgesetzt und im Hier und Jetzt verwirklicht werden. Gleichwohl ist der Entschluss zum ethischen Handeln zunächst im Geist und Willen angesiedelt. Der Entschluss ist der Beginn eines Lebens auf einem neuen Weg.

Dōgen geht auf verschiedene Arten des Geistes ein, die ursprünglich aus der altindischen Buddha-Lehre stammen. Er warnt uns jedoch davor, diese Einteilungen nur rein theoretisch zu verstehen, und fordert uns stattdessen auf:

„Dann erlernt und erforscht ihr es im tätigen Handeln, das selbst das Erwachen des Bodhi-Geistes ist.“

Weiter führt er aus, dass es auf die Gegenwart und den Augenblick beim geistigen Handeln ankommt. Der Lernvorgang im Geist soll dabei den unterscheidenden Intellekt überschreiten. Und man soll sowohl durch das Denken als auch durch das Nicht-Denken üben. Vor allem mit dem Nicht-Denken spricht er zweifellos die Zazen-Praxis an. Außerdem sei die Verbindung vom Meister zum Schüler, der später eventuell selbst Meister wird, von fundamentaler Wichtigkeit, und Dōgen spricht davon, dass bei dieser Verbindung „der Geist durch den Geist lernt“. Der Geist des zukünftigen Meisters wird von dem des vorherigen im direkten ganzheitlichen Kontakt als Lernprozess erfasst und dreht damit das Dharma-Rad.


Dōgens umfassende Vorstellung vom Geist und von der Einheit mit der konkreten Wirklichkeit wird darin deutlich, dass er Berge, Flüsse, die große Erde, Sonne und Mond einbezieht und erklärt, dass sich dies alles je im gegenwärtigen Augenblick realisiert. Er übersteigt dabei die materielle Sichtweise der äußeren Form und auch die Begriffe wie „Berg“ oder „Fluss“. Daher sind Maßangaben und Bezeichnungen wie „innen“ oder „außen“, „groß“ oder „klein“ und dergleichen ebenfalls ungeeignet, um diese Einheit von Geist und konkreter Wirklichkeit zu erfassen.