Nach der buddhistischen Lehre, die seit über 2500 Jahren erprobt ist, kann man die
Wahrheit und Befreiung nur dadurch erlernen, dass man sowohl den Geist als auch
den Körper schult. Beide gehören nämlich in der Wirklichkeit unauflösbar
zusammen und bilden eine Einheit. Der Lehre vom Handeln und Tun kommt im
Buddhismus eine sehr große Bedeutung zu, und zum Handeln gehören immer sowohl
der Geist als auch der Körper.
Während wir in der westlichen Philosophie den Intellekt und Geist meist
völlig losgelöst vom Körper des Menschen behandeln, wird eine solche Trennung
im Buddhismus als sinnlos abgelehnt. Wenn Dōgen zunächst den Lernvorgang des
Geistes und dann den des Körpers beschreibt, geschieht dies lediglich aus
didaktischen Gründen, um die jeweiligen Bereiche möglichst klar herausarbeiten
zu können.
Er betont, wie wichtig es ist, den klaren Entschluss für den Buddha-Weg
zu fassen. Und er bemerkt hierzu:
„Wenn ihr
euch nicht entschließen könnt, die Wahrheit zu erlernen, entfernt sie sich
immer mehr von euch.“
Das bedeutet, dass man durch den Entschluss allein zwar noch nicht zur
Wahrheit erwacht ist, aber dass man sich ohne eine solche grundsätzliche
Entscheidung in seinem Leben immer mehr verirrt und sich zum Beispiel im
Materialismus verliert.
Wesentlicher Teil dieses Wahrheitsweges ist ethisches Denken und
Handeln. Die Ethik darf nicht im Denken und bei den Ideen stehen bleiben,
sondern muss durch das Handeln umgesetzt
und im Hier und Jetzt verwirklicht
werden. Gleichwohl ist der Entschluss zum ethischen Handeln zunächst im Geist
und Willen angesiedelt. Der Entschluss ist der Beginn eines Lebens auf einem
neuen Weg.
Dōgen geht auf verschiedene Arten des Geistes ein, die ursprünglich aus
der altindischen Buddha-Lehre stammen. Er warnt uns jedoch davor, diese
Einteilungen nur rein theoretisch zu verstehen, und fordert uns stattdessen
auf:
„Dann
erlernt und erforscht ihr es im tätigen Handeln, das selbst das Erwachen des
Bodhi-Geistes ist.“
Weiter führt er aus, dass es auf die Gegenwart und den Augenblick beim geistigen Handeln
ankommt. Der Lernvorgang im Geist soll dabei den unterscheidenden Intellekt überschreiten. Und man soll sowohl
durch das Denken als auch durch das Nicht-Denken üben. Vor allem mit dem
Nicht-Denken spricht er zweifellos die Zazen-Praxis
an. Außerdem sei die Verbindung vom Meister zum Schüler, der später eventuell selbst
Meister wird, von fundamentaler Wichtigkeit, und Dōgen spricht davon, dass bei
dieser Verbindung „der Geist durch den
Geist lernt“. Der Geist des zukünftigen Meisters wird von dem des
vorherigen im direkten ganzheitlichen Kontakt als Lernprozess erfasst und dreht
damit das Dharma-Rad.
Dōgens umfassende
Vorstellung vom Geist und von der Einheit mit der konkreten Wirklichkeit wird
darin deutlich, dass er Berge, Flüsse, die große Erde, Sonne und Mond
einbezieht und erklärt, dass sich dies alles je im gegenwärtigen Augenblick realisiert. Er übersteigt dabei die
materielle Sichtweise der äußeren Form
und auch die Begriffe wie „Berg“ oder
„Fluss“. Daher sind Maßangaben und Bezeichnungen wie „innen“ oder „außen“,
„groß“ oder „klein“ und dergleichen ebenfalls ungeeignet, um diese Einheit von
Geist und konkreter Wirklichkeit zu
erfassen.