Mittwoch, 22. August 2007

Sich waschen und den Körper-Geist reinigen (Senjô)


Im Buddhismus bilden Körper und Geist immer eine Einheit, so dass die im Westen häufig anzutreffende oft sehr grundsätzliche Unterscheidung zwischen beiden nicht besteht. Wenn man sich also körperlich wäscht und reinigt, ist dies im Buddha-Dharma auch gleichzeitig eine geistige und religiöse Handlung, so dass geistige Reinheit auch immer bedeutet, dass man den Körper rein hält.

Kleiner Wasserfall in Kyoto

Dôgen beschreibt in diesem Kapitel (Kap. 7, Senjô) des Shôbôgenzô sehr genau, wie man sich waschen und reinigen soll.
In einem berühmten Dialog zweier alter Meister geht es um diese Reinheit von Körper und Geist, dass man also immer so lebt und handelt, man nicht beschmutzt und verunreinigt ist. In dem Gespräch fragt der ältere Meister Daikan Enô seinen Schüler, der ebenfalls Meister ist:

"Stützt du dich auf die Praxis und Erfahrung oder nicht?"

Dieser antwortet darauf, dass die Praxis und Erfahrung nicht als Wahrheit verwirklicht werden kann, wenn nicht der Zustand der Reinheit besteht. Somit müssen Praxis, Erfahrung und Reinheit, also sowohl körperliche als auch geistige und moralische Sauberkeit zusammen kommen, damit Wirklichkeit und Wahrheit erlangt werden. Dies ist in der Tat bemerkenswert und unterscheidet sich von den westlichen Philosophien des Idealismus, in dem zwar moralische Reinheit angestrebt wird, aber häufig die Praxis des Lebens und sein körperlicher Bereich vernachlässigt werden. Auch die Philosophie des Materialismus, die ganz auf die Körperlichkeit abzielt, kann in diesem Licht nur als unzureichende und einseitige Lebensphilosophie gekennzeichnet werden, da sie als einseitige Theorie weder die Wirklichkeit ausgewogen einbezieht noch Ethik und Moral ausreichend berücksichtigt. Kennzeichnend dafür ist z. B. der alte Werbeslogan für Zigaretten: “Genuss ohne Reue“.
In dem obigen Gespräch unterstreicht daher der Meister Daikan Enô auch:

„Gerade diese Reinheit ist es, welche die Buddhas immer bewahrt und beherzigt haben. Du bist auch so, ich bin so und die alten Meister in Indien waren ebenso“.

Wie erwähnt, geht es in diesem Kapitel auf der Grundlage dieses bekannten Gesprächs der großen alten Meister darum, wie man den Körper mit Sorgfalt und ohne Hektik wäscht und säubert, und dies gilt gleichzeitig auch für den Geist und die Moral des Menschen.
Für den Westen erscheint es schon etwas verwunderlich, dass Dôgen sich in diesem Kapitel vor allem darauf bezieht, wie man die damalige Toilette benutzt und sich danach mit den damaligen Mitteln gründlich reinigt. Dôgen erwähnt z. B., dass man sich die Nägel schneiden soll und dass sich die Mönche im Kloster die Haare scheren und rasieren sollen. Eine solche Reinigung nach dem Stuhlgang auf der Toilette säubert nach seinem Verständnis damit zugleich den Geist und das Land, denn im Buddhismus gibt es auch keine Trennung zwischen dem einzelnen Menschen und dem Land, in dem er lebt. Ein solches Handeln wird als Übungspraxis des Dharma-Weges beschrieben, wird also keineswegs aus dem Leben des Buddha-Dharma ausgeschlossen, sondern ist untrennbarer Teil davon. Bei der Entleerung von Darm und Blase handelt es sich demnach um einen Vorgang und eine gute Handlung, bei denen man sich säubert und reinigt. Dabei solle man den Wunsch haben, dass auch andere Lebewesen und Menschen sauber und rein werden. Dôgen erwähnt an dieser Stelle das Beispiel des Wassers, das von Natur aus und ursprünglich weder rein noch verschmutzt ist. Das gleiche kann man für den menschlichen Körper und für alle Dharmas, also für die gesamte Welt, sagen: Das Wasser hat dabei keine Gefühle der Abneigung oder des Ekels und dies sollte auch für uns selbst und alle Dharmas gelten. Auch die Entleerung unserer Abfallstoffe nach der Verdauung ist eigentlich nur eine einfache Tatsache, zu denen wir unsere Gefühle des Ekels selbst hinzusetzen, und diese sind eigentlich weder vorhanden und auch nicht nötig. Die Wirklichkeit ist Handeln beim Waschen und Reinigen, wie Dôgen dies immer wieder heraus arbeitet. Die Verrichtung auf der Toilette wird nicht ausgeklammert oder "schamvoll" verschwiegen, sondern wird als natürlicher Teil des Lebens einbezogen. Durch das Waschen und Reinigen ergibt sich dann ein besonders enger Bezug zum Handeln selbst und dies wird als Übungspraxis des Buddha-Dharma beschrieben.
Meister Dôgen verurteilt die Mönche, die ungepflegt sind, viel zu lange Nägel und Haare haben und das Gebot der Reinheit nicht beachten. Er vergleicht solche Menschen sogar mit Tieren und hält sie auf keinen Fall für Buddhisten auf dem Weg der Übungspraxis. Besonders falsch ist aus seiner Sicht eine solche Nachlässigkeit, Willkür und Ungepflegtheit, wenn es sich um selbst ernannte Meister handelt. Er spricht diesen grundsätzlich ab, Meister und Lehrer für andere sein zu können. Da Körper und Geist eine Einheit sind, kann es danach keinen reinen Geist geben, wenn der Körper vernachlässigt und verschmutzt ist.
Dôgen beschreibt dann im Folgenden sehr genau, wie man sich auf der Toilette verhalten soll und dass man auch dort in Ruhe und Sorgfalt handelt. Bemerkenswert ist zum Beispiel, dass er dringend rät, rechtzeitig und nicht im letzten Augenblick zur Toilette zu gehen, um keine unnötige Hektik zu erzeugen und alles in Ruhe verrichten zu können. Man sollte auch kein Wasser verspritzen und es unbedingt vermeiden, die Toilette selbst zu verunreinigen. Schließlich sollte man die Hände an wohlriechendem Holz reiben, so dass sich ein natürlicher angenehmer Duft verbreitet. Dôgen sagt weiter:

"Die Menschen mit begrenztem Wissen denken nicht, dass Buddhas sich in der Toilette würdevoll verhalten".

Auf keinen Fall sollte man ungereinigt und ungewaschen Zazen praktizieren, sich in einem solchen Zustand vor den drei Kostbarkeiten verbeugen und Räucherstäbchen anzuzünden.
Schließlich beschreibt Dôgen sehr genau, wo sich die Toiletten auf dem Gelände eines Klosters befinden sollten und gibt damit genaue Anweisung für dessen Architektur und Betrieb. Er sagt, dass die Toiletten nicht im Osten oder Norden, sondern im Süden oder Westen der Gebäude liegen sollten.

Weitere Informationen:

Die vier Lebensphilosophien des Buddhismus

Philosophische Grundlagen

Tägliches Leben in der Dogen-Sangha