Wie wir heute aus der modernen Physik wissen, kann der menschliche denkende
Verstand die vielfältigen Daten der Welt nur im sogenannten mittleren, uns
vertrauten Bereich der Physik sinnvoll verarbeiten, während das extrem Große,
zum Beispiel das Weltall, und das extrem Kleine, zum Beispiel die
Elementarteilchen, nur mathematisch zu beschreiben sind. Da wir mit unserer
Vorstellungskraft und dem denkenden Verstand hier nicht weiterkommen, müssen
wir also zum Hilfsmittel der nicht mehr anschaulichen Mathematik greifen. Aber
die wesentlichen nicht materiellen
Bereiche des menschlichen Lebens lassen sich weder mit Naturwissenschaft
noch mit der Mathematik erfassen. Das haben Buddha und Dōgen ganz klar erkannt!
Die Sein-Zeit schreitet dabei unaufhörlich voran, ob wir das wollen oder
nicht, ob wir es verhindern wollen oder zulassen und ob wir es bedauern oder
begrüßen. Unser Leben bewegt sich also schnell voran, und Körper und Geist
werden „auf diese Weise durch den
Kreislauf von Leben und Tod gefegt“. Dōgen betont hier die Schnelligkeit,
mit der das Leben durchlaufen wird. Aber wir haben die große Kraft der Zen-Meditation,
sie gibt uns Ruhe, Klarheit, Gleichgewicht und ein erfülltes Leben.
Er zitiert Gautama Buddha mit einem Gleichnis, mit dem
dieser einem Mönch die Schnelligkeit erklärt,
die mit dem üblichen Verstand nicht begriffen werden kann. Buddha bezeichnet
einen Menschen als schnell in diesem Sinne, dem es gelingt, alle Pfeile von
vier Bogenschützen zu fangen, die ihre Pfeile gleichzeitig in die vier
Himmelsrichtungen abschießen. Alle Pfeile werden dabei ergriffen, bevor sie den
Boden berühren. Die Bedrängnis, in der wir uns aufgrund dieser Schnelligkeit
des Lebens und der Flüchtigkeit des Augenblicks befinden, können wir laut Dōgen
überwinden, wenn wir den Bodhi-Geist und
den Willen erwecken, anderen zu helfen, bevor wir uns selbst befreit haben.
„(Das Leben) fließt in jedem Augenblick
weiter, ohne die kleinste Pause.“
Es gilt, sich mit diesem
Strom der Augenblicke zu verbinden, denn jeder Widerstand oder jedes Leugnen
wäre völlig sinnlos und würde erhebliche praktische und psychische Probleme
erzeugen. Die Freiheit des Menschen liegt gerade im freien Handeln im Augenblick,
das die Zukunft und die Folgen des Handelns einbezieht, ohne an vordergründigen
Absichten und Zielen zu kleben und von ihnen dominiert zu werden. Eine kluge
Planung ist sich der Unsicherheiten der zukünftigen Entwicklungen bewusst und
hütet sich vor falschen Sicherheiten oder von Gier gesteuerten Fixierungen.
Dōgen arbeitet dann die
wesentlichen Eckpunkte der Lehre und Praxis des Augenblicks weiter heraus und
knüpft damit an das fundamentale Kapitel zur Sein-Zeit an, das er etwa vier
Jahre früher verfasst hatte: Wir sollten uns in jedem Augenblick unseres Lebens
des Fließens der Zeit klar bewusst sein und dabei ganz im Augenblick als der einzigen Wirklichkeit leben. In jedem
dieser Augenblicke sollten wir davon erfüllt sein, andere zu befreien und uns
für sie einzusetzen. Dadurch gewinnt unser Leben Sinn und Zufriedenheit, und
wir erfahren selbst Befreiung, die lineare Zeit verliert ihre Bedrohung und
ihre Schrecken. Dies ist der Bodhi-Geist, der von allen Buddhas und großen
Meistern bewahrt und an die Nachfolger übermittelt wurde.