(von Nishijima Roshi, editierte Fassung)
Durch
die Fürsorge seines Vaters schien Gautama Buddha glücklich zu sein, aber in
Wirklichkeit war er nicht im Gleichgewicht und litt unter schwankenden Stimmungen
und Gefühlen. Seit seiner Jugend wollte er mit großem Ernst wissen, ob die Wahrheit in der Welt als Wirklichkeit
existiert oder nicht. Er dachte, dass er diese Wahrheit selbst in aller
Klarheit erlangen wollte, wenn es sie wirklich in der Welt gab. Obgleich er
verheiratet war und einen Sohn hatte, litt er an dem bohrenden Zweifel, ob es
nicht besser wäre, ein Mönch zu werden.
Gautama
Buddha hatte in jener Zeit nicht die Freiheit, einfach in die nahe gelegene
Stadt zu gehen, weil dies gegen den Befehl seines Vaters verstieß, aber eines
Tages versuchte er einfach das Schloss zu verlassen. Zunächst versuchte er
durch das Osttor hinaus zu gelangen, und schon bald traf er einen Menschen, der
sehr alt und gebrechlich war. Dieser erschütterte ihn wegen seines elenden
Zustandes sehr. Er wandte sich um und wollte durch das Südtor hinausgehen, traf
aber wieder einen Menschen, der von starker Krankheit gezeichnet war, so dass
er wieder umkehrte und dann durch das Westtor hinausgehen wollte. Dort traf er
eine Prozession, die zu einer Begräbniszeremonie gehörte und einen Toten bei
sich führte. Deshalb kehrte er schon fast verzweifelt wieder um. Anschließend
verließ er das Schloss durch das Nordtor und dort erblickte er einen Mönch, der
heiter und mit großer innerer Ruhe voranschritt. Als Gautama Buddha diesen
Mönch genauer ansah, war er tief beeindruckt. Dieser heitere Mönch ohne allen
Besitz verstärkte die große Anziehungskraft, die das Leben eines Mönches schon
früher auf ihn ausgeübt hatte.
Abschied vom Familienleben
Nachdem
Gautama Buddha lange Zeit hin und her überlegt hatte, entschied er sich
endgültig, seine Familie zurückzulassen und ein religiöser Mönch zu werden.
Haus und Familie zu verlassen bedeutet, dass ein Mann oder eine Frau Mönch oder
Nonne wird, um der religiösen Wahrheit zu folgen. Ich nehme an, dass Gautama
Buddha sich viele Gedanken und Sorgen darüber gemacht hatte, ob es moralisch zu
vertreten sei, die Familie zu verlassen und nicht mehr für sie zu sorgen und
sie nicht mehr unterstützen zu können. Aber es erschien ihm unmöglich, dem
Drang nach der Wahrheit nicht zu folgen, denn dies war sein Ziel seit langer
Zeit:
Er
wollte den Menschen in der unruhigen schweren Welt helfen und sie retten, indem
er die wirkliche Wahrheit der Welt finden und mit ihnen teilen wollte. Als er
29 Jahre alt war, sagte er seinem Diener mit dem Namen Channa, dass er sein
weißes Pferd in den Garten des Schlosses bringen solle. Dann verließ Gautama
Buddha das Schloss unbemerkt, er hatte seine Familie vorher nicht über seine
Pläne eingeweiht. Der Diener Channa folgte Gautama Buddha bis zu einem Hain mit
dem Namen Anupiya und dort gab Gautama Buddha Channa den Befehl, zu seinen
Eltern und seiner Familie zurückzukehren. Er nahm die wertvollen Kleider
Gautama Buddhas auf dessen Bitte mit sich, die dieser nicht mehr tragen wollte.
So machte sich Gautama Buddha auf, nach der Wahrheit zu forschen.
Die beiden Denker als Lehrer von
Gautama Buddha
Am
Anfang seiner Suche nach der Wahrheit ging Gautama Buddha zu einem Denker mit
Namen Alara Kalama, der nahe der Stadt Vaisali mit ca. 300 Schülern lebte. Er
war vermutlich kein Brahmane, aber er war ein Denker mit einer neuen Lehre, der
von sich behauptete, dass er "den Zustand nichts zu haben" erlangt
hatte. Wir Menschen haben im Allgemeinen immer das Verlangen nach bestimmten
Dingen und Besitztümern. Aber Alara Kalama vertrat mit Nachdruck den hohen
moralischen Wert, nicht irgendeine Sache oder materielle Dinge haben zu wollen
und nicht an ihnen zu hängen. Im Allgemeinen haben die Menschen starkes
Begehren etwas zu besitzen. Eine solche Schwäche ist manchmal sehr gefährlich
und macht die Menschen blind für konkrete Gefahren und Fehlentwicklungen. In
diesem Sinne lehrte uns Alara Kalama, nicht gierig zu sein. Aber Gautama Buddha
verstand schon bald, dass der Ansatz von Alara Kalama sehr intellektuell und
nicht sehr praktisch war. Daher entschloss er sich, ihn zu verlassen und einen
anderen Denker aufsuchen.
Dieser
zweite Denker, den Buddha besuchte, war Udraka Ramaputra. Es wird berichtet,
dass Udraka Ramaputra nicht weit entfernt von dem Ort des Alara Kalama lebte,
aber die Überlieferung ist in diesem Fall nicht ganz sicher, weil auch andere
Orte infrage kommen. Der Name Udraka Ramaputra bedeutet “das Kind von Rama“ und
es wird berichtet, dass dort insgesamt ca. 700 Schüler zusammenlebten. Er war selbst
vollständig überzeugt von seiner eigenen Lehre, die etwa beinhaltet: "Der
Zustand des Nichtdenkens; des nicht
Nichtdenkens". Diese Lehre könnte etwa Folgendes bedeuten: "Der
Zustand, in dem man Denken und Sinneswahrnehmung überschreitet". Wir
können aber annehmen, dass diese beiden ersten Lehrer und Denker im Bereich des
abstrakten Denkens und der theoretischen Lehre verharrten, obgleich sie
teilweise durchaus realistische Philosophien vertraten. Gautama Buddha fand es
jedoch schwierig, ihre philosophischen Standpunkte als fundierten Realismus und als Wirklichkeit selbst anzunehmen. Er spürte: Philosophien bleiben immer im
Dualismus, sie sind nicht die ungeteilte Wirklichkeit selbst, die mit Denken
und Worten nicht erfasst werden kann und allein das große Gleichgewicht von
Körper und Geist realisiert.