Dienstag, 26. Januar 2010

Die Siebenunddreißig Elemente des Erwachens und der Wahrheit, Teil 3.

Für den Körper bezieht sich Dogen vor allem auf dessen wahres Handeln. Durch dieses reine Tun ohne eigennützige Absichten wird die Unreinheit des Körperlichen außer Kraft gesetzt. Auch Bodhidharmas Lehren beinhalten dieses Handeln und dabei wäre die genannte Unreinheit aufgelöst. Dogen sagt dazu:

"Die verwirklichte Reflexion hat die Bedeutung, täglich zu handeln, den Boden zu fegen und ihn zu säubern."
Dieses Handeln sei ungeteilt und die Wirklichkeit im Hier und Jetzt selbst. Dabei gibt es keine Gier nach Vorteil und keine Überheblichkeit.
Leiden ist nach Dogen immer auch Fühlen, hat also vor allem eine psychische Dimension.
In der Zazen-Praxis werden die Gefühle und überschießenden Emotionen verlassen und dadurch entsteht der Zustand des Gleichgewichts oder der ersten Erleuchtung. Der mittlere Weg hält die Gefühle im Gleichgewicht und daher sind wir in der Lage, das Leiden zu überwinden. Die Gefühle sind wir nach Dogen nicht wirklich selbst, wie wir häufig glauben. Sie sind also nicht unser Inneres, aber sie kommen auch nicht von außen.
Der Geist sei nicht dauerhaft und konstant. Dogen zitiert den ewigen Buddha Daikan Enô:
"Dasjenige ohne (egoistisches) Selbst ist die Buddhanatur." Damit stellt er die Verbindung zum Kapitel über die Buddha-Natur her, die für ihn selbst ein großes Problem war und mit deren Lehre er gerungen hatte, bevor er nach China reiste.
Ein anderer Meister sagte: "Handlungen sind Nicht-Konstanz. Alles ist leer. Genau dies ist die große und umfassende Verwirklichung des Tathagata."

Dies spiegelt nach Dogen den wahren Geist wieder. Die Dharmas sind ohne konstantes Selbst, weil sich alles auf das Handeln zurückführen lässt. Die üblichen Vorstellungen des Selbst gehen dagegen von einer konstanten Einheit aus und sind die Abstraktionen der Handlungen und Bewegungen des Menschen. Auch die Buddha-Natur darf nicht als ein existenzieller Kern des Menschen verstanden werden, denn Dogen sagt auch:
"Alle Lebewesen sind ohne die Buddhanatur." Wichtig ist, dass man sich von der Fixierung auf den eigenen Körper löst, der oft mit dem Selbst gleichgesetzt wird.

(2) Die vier Arten der Anstrengungen und des Strebens.
Dogen zitiert wie folgt:
"Die Erste bedeutet, das Schlechte zu verhindern, das sich noch nicht ereignet hat. Das Zweite bedeutet, dass das Schlechte ausgelöscht wird, das bereits entstanden ist. Das Dritte bedeutet, dass wir bewirken, dass sich das Gute ereignet, das noch nicht vorhanden ist. Das Vierte ist die Unterstützung des Guten, das schon entstanden ist. Im Theravada wird das Gute häufig auch als das Heilsame bezeichnet."
Dogen versteht dieses moralische Handeln jedoch über das Denken und die Vorstellungen hinausgehend als das direkte Tun im Augenblick des Hier und Jetzt. Wenn sich etwas ereignet oder wenn wir handeln, ist dies die Wirklichkeit selbst, der nichts hinzugefügt und von der nichts weggenommen werden kann, wenn es die Wahrheit und Wirklichkeit ist.
In einem anderen Kapitel im Shobogenzo erläutert Dogen, dass es das Schlechte und Falsche, absolut gedacht, im Universum und in der Welt überhaupt nicht vorhanden wäre, wenn es nicht sozusagen künstlich erzeugt wird.
Darin spiegelt sich die positive Lebensphilosophie des Buddhismus wieder. Das Falsche wird einfach durch falsches Handeln erzeugt und dieses ist häufig von der Gier nach Reichtum, Macht und Ruhm gesteuert. Bei Abhängigkeit von der Gier befindet sich der Mensch nicht im Gleichgewicht, sondern ist einer einseitige Übertreibung erlegen, die von der Vernunft nicht mehr gesteuert wird.. Eine solche Gier wird heute meist als Sucht bezeichnet.

Mittwoch, 20. Januar 2010

Die Siebenunddreißig Elemente des Erwachens und der Wahrheit, Teil 2.


Die siebenunddreißig Elemente des Erwachens lassen sich wiederum in sieben größere Gruppen gliedern, die jeweils vier bis acht einzelne Elemente umfassen. In diesem Kapitel werden alle diese Elemente von Dogen aufgeführt und kommentiert. Dôgen schafft damit ein beeindruckendes übergreifendes Dach für die beiden Hauptströmungen des Theravada und Mahayana im Buddhismus.
Dies zeugt nicht zuletzt von seiner umfassenden und tief greifenden Kenntnis der gesamten buddhistischen Lehre. Es soll auch heute z. B. angebliche Zen-Buddhisten geben, die sich niemals mit den Reden Gautama Buddhas selbst eingehend beschäftigt haben und sich nur auf bestimmte Bruchstücke der Lehren von Bodhidharma stützen. Zweifellos hat jede Lehre, jedes Bild oder Gleichnis und jede verbale Äußerung bestimmte Grenzen, die letztlich überschritten werden müssen, wenn wir zur buddhistischen Wahrheit selbst, also zum Erwachen und zur Wirklichkeit, gelangen wollen.
Die authentische schriftliche Lehre des Buddhismus ist für die heutige Zeit von unschätzbarem Wert. Wer allerdings in der intellektuellen abstrakten Theorie allein verharrt, bleibt in der „schwarzen Höhle des unterscheidenden Denkens“ gefangen..
Dôgen beginnt dieses Kapitel wie folgt:

"Die Wirklichkeit der ewigen Buddhas ist (immer) gegenwärtig. Sie ist insbesondere die Lehre, die Praxis und die Erfahrung der siebenunddreißig Elemente des Erwachens. Die Einheit des Aufsteigens und Absteigens durch deren Ordnung ist genau der ganzheitliche Zustand der Wirklichkeit, die wir die Buddhas und Vorfahren im Dharma nennen."
Damit wird in aller Klarheit auf die Wirklichkeit und Wahrheit des Buddha-Dharma, die zum Beispiel im Kapitel zur Verwirklichung und des Lebens und des Universums (Kap. 3) beschrieben wird, hingewiesen. Die Lehre, die Praxis und die Erfahrung bilden eine Einheit und sind im Kern genau das selbe wie die siebenunddreißig Elemente, die als Hilfen für das Erwachen oder der Erleuchtung zu verstehen sind. Die genannte Ordnung ist die direkte Verbindung mit der Wirklichkeit und diese ist wiederum identisch mit Gautama Buddha, den großen Meistern und Vorfahren im Dharma.

(1) Vier Grundlagen der Achtsamkeit.
In den alten Sanskrit- und Pali-Schriften werden diese als der Körper, die Gefühle, der Geist und die Dharmas, also die wirklichen Dinge und Phänomene bezeichnet. Nishijima Roshi hat darauf hingewiesen, dass manche buddhistische Strömungen der Gegenwart die Achtsamkeit vermutlich falsch verstehen, denn sie interpretieren diese nur als die Beobachtung des eigenen Ichs und der eigenen Gefühle und Gedanken. Damit wird manchmal leider die Überhöhung des Ego im Sinne des modernen Individualismus und der eigenen Befindlichkeit gefördert. Dies ist sicher nicht im Sinne des wahren Buddhismus. Dogen zitiert die vier Grundlagen wie folgt:
"Die erste (Grundlage) ist die Reflexion, dass der Körper nicht rein ist. Die Zweite ist die Reflexion, dass das Fühlen Leiden ist. Die Dritte ist die Reflexion, dass der Geist ohne Dauerhaftigkeit ist. Die Vierte ist die Reflexion, dass die Dharma ohne Selbst sind."

Dienstag, 5. Januar 2010

Die Siebenunddreißig Elemente des Erwachens und der Wahrheit, Teil 1.


Für Dogen gab es nur einen einzigen Buddhismus, er lehnte daher die Trennung in Mahayana und Hinayana, Theravada oder sonstige Schulen und Sekten grundsätzlich ab. Da sich alle authentischen Übertragungslinien und Lehren des Buddha-Dharma nur auf Gautama Buddha selbst zurückführen lassen, könne es eine derartige abgrenzende Aufsplitterung und Trennung überhaupt nicht geben. Gleichwohl hat der Buddhismus mit seiner lebendigen Verbindung zur Wirklichkeit und Wahrheit in den verschiedenen Zeitaltern und Kulturen bestimmte Färbungen angenommen und Schwerpunkte gebildet. Aber es handelt sich immer um die einheitliche Lehre des Erwachens, der Befreiung und der Überwindung des Leidens.

Besonders unsinnig sind gegenseitige Vorwürfe und Abgrenzungen der einzelnen buddhistischen Traditionen, da sie nicht nur dem Sinn des Buddhismus als einer tolerante, übergreifende und verständnisvolle Lebensphilosophie widersprechen, sondern auch im Kern falsch sind. Es gibt sicher verschiedene Wege zum Erwachen und zur Wahrheit, aber diese selbst können nur auf Gautama Buddha selbst zurückgeführt werden.

In diesem großartigen Kapitel (Kap. 73, Sanjushichi-bon bodai bunpo) verbindet Dogen die Lehren des frühen Buddhismus, die zum Beispiel im Abhidharma zusammengefasst sind, mit der von ihm selbst im Shobogenzo ausgebreiteten Lehre, die er die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges nennt. Eine solche umfassende Darstellung der im Abhidharma wiedergegebenen Lehre des Buddhismus mit dem Lehrgebäude des Mahayana im Zen ist sehr selten und besonders bemerkenswert.
In diesem Kapitel gibt es ca. 50 Verweise auf einzelne Kapitel des Shobogenzo und 16 Verweise auf seine Koan-Sammlung Shinji Shobogenzo. Dogen entwickelt in diesem Kapitel ein enges Netzwerk zwischen den beiden Lehr-Traditionen des frühen Buddhismus und Mahayana. Eine solche Verbindung ist auch bei einigen Zen-Buddhisten weniger bekannt, da diese sich bisweilen vom Theravada absetzen wollen und sogar als einseitig und veraltet abwerten. Eine solche Haltung kann jedoch nicht der wahre Buddhismus sein.

Dogen bezieht sich bei den Verweisen auf seine eigene Koan-Sammlung, die von G. W. Nishijima und C. Cross als Fußnoten explizit eingefügt wurden, besonders häufig auf die Kapitel zur Zazen-Praxis. Diese ist eigentlich keine Meditation in engerem Sinne, da sie kein Meditationsobjekt hat und keine Konzentration auf ein bestimmtes Thema, auf ein Koan oder Mantra beinhaltet, sondern ist nur die Praxis des Sitzens ohne Denken und Emotionen. Er selbst hatte die Zazen-Praxis erst bei seinem eigenen Lehrer Tendo Nyojo in China kennen gelernt, denn sie war in dieser Form in Japan am Anfang des 13. Jahrhunderts noch unbekannt.