Montag, 19. September 2022

Mit Buddhismus jetzige Krisen meistern



Der Zen-Buddhismus ist vor allem in Japan in sehr schweren Zeiten auf der Grundlage des authentischen Buddhismus entstanden. Er hat sich aus meiner Sicht in schweren Krisen besonders bewährt: Lang andauernde grausame Kriege, Hungersnöte, Willkür-Herrschaft der Oberschicht, Natur-Katastrophen usw.. Als Kriegskind kannte ich schweren Krisen in Deutschland und habe mich nicht zuletzt deswegen für den Zen entschieden. Wir kannten Hunger, Kälte und fehlende Schulen als existentielle Not und Erfahrung.

Mit der Zen-Meditation begann ich in einer Berufskrise bei einem mega-schweren Informatik Projekt in der Pionierzeit, als man Programme noch nicht herunterladen konnte, sondern selbst im Team erarbeiten musste. Dabei spielte die Lebens-Philosophie des japanischen Bogenschießens eine große Rolle aber vor allem die tägliche Meditation! Viele IT-Projekte scheiterten damals. Meine Krise konnte auch durch die Zen-Meditation gemeistert werde und ich bekam wegen des Erfolges darüber hinaus einen kräftige Schub in meiner noch jungen Berufs-Laufbahn. Wundert es dich, dass ich beim ZEN geblieben bin?

Heute bahnen sich wieder Krisen an. Der einfache Wohlstand und das heile Klima bleiben uns vermutlich nicht länger erhalten. Wir sollten Vorsorge treffen, um die möglichen Krisen zu überstehen. Denn Krisen kann man nutzen, um alte Fehler zu überwinden und auf Neuland vorzustoßen, davon bin ich fest überzeugt. Also Hemmnisse möglichst klar erkennen, umsteuern und neue Kräfte entwickeln.

Aus buddhistischer Sicht und Erfahrung kann man sagen, dass diese Welt, das Universum und das Leben die Verwirklichung des rechten Handelns und der anstehenden Aufgaben sind.[i] Das dynamische Ganze unseres Lebens ist nichts Statisches, sondern es beruht auf dem Handeln je im Augenblick, indem wir unsere Aufgaben und Verpflichtungen wahrnehmen und auf natürliche Weise ethisch handeln. Das können wir gerade in Krisen nutzen.

Das torlose Tor ist das wahre Tor zum Leben

Wann ist das besonders wirksam? Im Augenblick, in der Gegenwart des Jetzt wird das Leben wahrhaftig gelebt. Dies überschreitet nach Dōgen Begriffe, Vorstellungen und Hirngespinste wie groß oder klein sie sein mögen. Und vor allem übersteigt es Kummer, Jammer und Verzweiflung, wie Buddha sagt. Das ist die positive Dynamik in jedem Augenblick und so können wir die Wechsel-Wirkungen aktiv in unserem Sinne steuern: Dōgen sagt hierzu:

„Es gibt keinen einzigen Augenblick und keine einziges Ding oder Phänomen, die nicht das Leben sind. Es gibt keine einzige Tatsache und keine einzige Funktion des Geistes, die nicht das Leben sind.“

Er beschreibt dann das Gleichnis von einem auf dem Meer gleitenden Segelboot, das von den Menschen im Boot bedient wird und mit dem Wind im Wasser vorwärtskommt:

„Das Leben kann damit verglichen werden, dass ein Mensch in ein Boot steigt: In diesem Boot setze ich den Mast, ich führe das Ruder und ich bediene das Segel. Ich werde von dem Boot getragen und es gibt kein abgegrenztes Ich, sondern nur (mein Handeln mit) dem Boot." Also Handeln im Jetzt.

Link: Zen und Dynamik


[i] Dōgen: Shōbōgenzō. Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges (deutsche Übersetzung), Bd. 2, S. 62ff.

Mittwoch, 14. September 2022

Das Jetzt ist die große Wahrheit und vierte Dimension der Zeit



Meister Dogen beschreibt im zweiten Kapitel seines genialen Werkes Shobogenzo , die "Schatzkammer des wahren Dharma-Auges", vier verschiedene Zeiten. Er vertieft diese authentische Lehre und Praxis in dem berühmten Kapitel zur wahren Zeit, in Deutsch "Sein-Zeit". Wieso denn vier Zeiten? Bei uns gibt es doch nur drei: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ist das vielleicht die tiefe für den Westen nicht einfach verständliche Wahrheit von Buddha und Dogen? Ja, das ist genau richtig! Dogen sagt:

"Ein Zustand (des Menschen) wird als gegenwärtiger Augenblick verwirklicht. Das ist der höchste rechte Zustand der Wahrheit im Gleichgewicht."

Das ist die Vierte Dimension der Zeit und nach Dogen: "Der höchste ausgeglichenen Zustand der Wahrheit"

"Es gibt drei weitere Zustände der umfassenden Weisheit. Sie sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft" 

Die umfassende Weisheit heißt wörtlich aus dem Sanskrit übersetzt: "An das andere Ufer gelangen" Also die Klarheit des Geistes zu erlangen.

Was ist also der zentrale Unterschied? Die drei Zeiten: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind die Weisheiten des Geistes, das heißt Denken, Erinnern, Erwarten, Sich-Vorstellen, Vermuten, Dichten usw. Alle diese geistigen Tätigkeiten können auf dem höchsten für den Menschen möglichen Niveau sein. Dogen bezeichnet sie dann als umfassende Weisheiten.

Es gibt aber leider viele Tätigkeiten des Geistes, die sich davon radikal unterscheiden. Das sind Hirngespinste, Spekulationen, Sich-Irren, Behaupten, Lügen Täuschen, Verwirren usw. Das kann keine Wahrheit sein.

Der gegenwärtige Augenblick geht weit über den denkenden Geist hinaus und ist eine ganz andere Dimension. Er ist der höchste ganzheitliche  Zustand der Wahrheit des erwachten Menschen, also weit mehr als Weisheit.

Das ist nach Dogen die Vierte Dimension der Zeit. Und es ist die große Einheit von Handeln, Sein und Zeit, die Sein-Zeit, wie R. Linnebach und ich sie bei der Übersetzung ins Deutsche genannt haben. Dieser Zustand wird im Gleichgewicht, mit der Kraft der Mitte im Handeln und in der Meditation verwirklicht. Die Sein-Zeit ist auch in Wechselwirkung mit der Weisheit, aber geht über den denkenden Geist hinaus. Das ist die Vierte Dimension der Zeit des Augenblicks, ohne sie gibt es kein wahres Leben, sagt Zen-Meister Dogen. Dann und nur dann sind alle Vier Zeiten in lebendiger Wechselwirkung und sind umfassende Weisheit.

Meines Wissens gibt es in der westlichen Philosophie dazu keine echte Parallele, denn der Westen konzentriert sich (nur!) auf Geist und Weisheit und nicht auf das ganze erwachte Leben des Menschen von Körper-und-Geist. Daher hat die westliche Philosophie zwar ein sehr hohen Niveau erreicht, aber ist m. E. therapeutisch nur begrenzt wirksam.

 Link: Langtext zur wahren Zeit von Dogen

Zeit im Mittleren Weg von Nagarjuna

 

 

Sonntag, 11. September 2022

Den eigene Lebens-Weg und wahren Ort finden


Wo die drei Gifte des Lebens vorherrschen ist nicht der wahre Ort unseres Lebens und unserer Familie. Welches sind nach Buddha die drei Gifte? Gier, Hass und Verblendung. Dann ist Leiden unvermeidlich, wenn wir nicht mit den Vier Edlen Wahrheit das Leiden überwinden und dem Achtfachen Pfad folgen. Welches sind nun die Sieben Faktoren der Befreiung auf diesem Weg, der für alle Menschen gilt? Was sind die wesentlichen Faktoren des Glücks und eines erfüllten Lebens? Denn das ist das wahre und sehr praktische Befreiungsziel des Buddhismus für uns selbst und für andere. Damit wird klar, dass wir uns den Kompass unsers Lebens suchen und diese Faktoren der Befreiung und des erfüllten Lebens verwirklichen. Gleichzeitig sollten wir in einer Gruppe der Familie und der Freunde leben, in der es gleiche oder ähnliche Lebensziele gibt. Und auch im Beruf geht es darum, diese wesentlichen Faktoren der Befreiung im Blick zu behalten. Sie sind: Achtsamkeit, Unterscheidung und Genauigkeit im Hier und Jetzt, Energie und Lebenskraft, Gestilltheit ohne Gier, Freude und Kreativität, meditative Vertiefung und schließlich Gleichmut aus der Kraft der Mitte.


Und wir sollten nach Dōgen unseren wahren Ort in der Welt für unser Leben finden und verwirklichen. Genau dort öffnet sich der große Augenblick und das Momentum unseres Handelns und Lebens in der Welt. Dann ist die Wechselwirkung mit dem Universum. Das ist der höchste rechte Zustand der Wahrheit im Gleichgewicht in unserer vernetzten Welt. Bei Dōgen heißt es:

„Wenn ein Mensch in diesem Zustand Buddhas die Wahrheit praktiziert und erfährt, erlangt er einen Dharma der Wahrheit und durchdringt einen Dharma. Er begegnet dem Handeln und vollzieht das Handeln. In diesem Zustand verwirklicht sich der wahre Ort und wird der Weg gemeistert. Das alles ist nicht unbedingt  offensichtlich (für den verengten Verstand).“


Am Beispiel der Fische im Wasser und der Vögel in der Luft erläutert Dōgen, dass wir Menschen und jedes Lebewesen seinen eigenen Ort, seinen Lebensraum, sein Handeln, seine Verwirklichung und seine Wahrheit in dieser Welt haben. Er sagt:


"Wenn ein Fisch das Wasser verlässt, also falsch handelt und lebt, muss er sterben. Wenn ein Vogel vom Himmel auf die Erde herunterfällt, (weil er nicht richtig fliegt), stirbt er ebenfalls. Wenn der Fisch und der Vogel in ihrem rechten Element und Raum leben und handeln, haben sie ihren richtigen Ort in der Welt und in Buddhas Wahrheit."

Link: Zum Text von Dogen