Montag, 24. Dezember 2012

Der Mensch Gautama Buddha, sein Weg zu Befreiung und Erwachen


(von Nishijima Roshi, editierte Fassung)



Der Mensch Gautama Buddha, sein Weg zu Befreiung und Erwachen
(von Nishijima Roshi, editierte Fassung)
Anmerkung: Die Beschreibung Gautama Buddhas als Mensch und seine Suche nach der Wahrheit basiert im Wesentlichen auf der Fassung von Shunjusha: "Gautama Buddha", Band 11 in: Die ausgewählten Werke des Hajime Nakamura.

Geburt und Jugend
Die Lehre des Buddhismus wurde von Gautama Buddha im alten Indien zwischen dem 6. und 5. Jahrhundert vor der Zeitenwende entwickelt. Wer war dieser geniale Mensch, der die Welt-Kultur so nachhaltig und unverwechselbar beeinflusst hat und was hat er gefunden?
Er war der älteste Sohn von Suddhodana, dem König eines kleinen Königreichs Kapilavastu. Es lag nahe und war fast selbstverständlich, dass er Nachfolger seines Vaters und König diese kleinen Reiches werden würde. Kurz nach Gautama Buddhas Geburt zog sein Vater einen Weisen hinzu und zeigte ihm stolz seinen erstgeborenen Sohn. Dieser weise Mann war erstaunt, tief berührt und sagte dem Vater: "Wenn dein Sohn eine weltliche Aufgabe in der Gesellschaft übernimmt, wird er ein großer König, der ganz Indien regieren und beherrschen wird. Wenn er aber ein Mönch wird, dann wird er ein großer Weiser und Denker, der alle Menschen der Welt retten wird".

Gautama Buddhas Vater war verunsichert, denn er hatte den festen Willen, dass sein Sohn sein Nachfolger und ein bedeutender König von ganz Indien werden sollte. Er Mit konnte mit der Idee nicht viel anfangen dass er ein Denker und Weiser werden sollte, selbst wenn er vielleicht alle Menschen in der Welt retten könnte. Daher wollte er alles daransetzen, genau dies zu verhindern. Er schenkte seinem Sohn mehrere Schlösser, die Gautama Buddha das Leben in den vier Jahreszeiten so angenehm wie möglich machen sollten. Er sollte gar nicht erst auf die Idee kommen, dem weltlichen Leben zu entsagen. Der Vater scheute keine Mühe, damit sein Sohn ein sorgloses weltliches Leben führen konnte, er sollte auf keine Fall ein großer Weiser werden, selbst wenn er die Fähigkeit haben würde, alle Menschen der Welt vom Leid zu befreien.

Gautama Buddha war ein ungewöhnlich kluger Junge, der schon als Kind überaus feinfühlig und sensibel war: Eines Tages beobachtete er einen Bauern, der sein Feld pflügte. Er sah ganz zu seinem Schrecken, wie der Bauer einen Regenwurm in zwei Teile zerschnitt, beide Teile bewegten sich auf dem Boden hin und her. Genau in diesem Augenblick flog ein Vogel auf das Feld herab, packte mit dem Schnabel zielsicher die eine Hälfte des Regenwurms und flog wieder fort. Gautama Buddha war von diesem Ereignis tief erschüttert. Er erkannte schlagartig, dass der Vogel andere Lebewesen töten und fressen muss, um selbst zu überleben und nicht zu verhungern. Nur so konnten er sein eigenes Leben und das seiner Jungen erhalten. Ihm wurde klar, dass dies immer und ohne Ausnahme für alle Lebewesen gilt.

Schönes Leben in der Jugend und seine Heirat
Der König und Vater Gautama Buddhas war außerordentlich beunruhigt, dass sein Sohn sich intensiv für spirituelle Fragen interessieren würde und vielleicht doch Mönch werden wollte. Das wollte er unbedingt verhindern. Daher gab er ihm die schönen Schlösser zum bequemen und äußerst angenehmen Leben, sorgte dafür, dass schöne junge Frauen Gautama Buddha dienten. Gautama Buddha war ein gesunder kräftiger junger Mann, so dass wir sicher annehmen können, dass er sein schönes Leben in der wunderbaren und bequemen Umgebung nach Herzenslust genossen hat.

Es wird berichtet, dass Gautama Buddha in diversen Sportarten begabt und erfolgreich war, nicht zuletzt in den Kriegskünsten, und oft in diesen Sportdisziplinen bei den Wettbewerben siegte. Es konnte die außergewöhnlich schöne junge Frau Yasodara als Frau gewinnen, auch weil er großartige Wettbewerbe so souverän gewann und allgemein belibt und geachtet war. Alles schien bei ihm so natürlich und einfach.

Nachdem er geheiratet hatte, wurde ihm ein Sohn geboren. Es erscheint völlig unmöglich, dass er in dieser Zeit nicht ein glücklicher Mensch war.

Aber ganz allmählich veränderten sich seine Stimmungen. Unerklärliche Unglücksgefühle nahmen ständig zu und er wirkte oft niedergeschlagen, während man doch vermuten konnte, dass er in seinem äußerlich wirklich angenehmen Leben ausgesprochen glücklich sein müsste. Er hatte zunehmend einen starken Drang, die Wahrheit über die Welt zu erlangen und konnte sich dem diesem Drang auch nicht durch die verschiedensten Ablenkungen entziehen. Dieser Drang wurde dann immer stärker und stärker.

Fortsetzung folgt

Montag, 17. Dezember 2012

E-Books des DONA-Verlages


Newsletter der Dogen-Sangha, 17.12. 2012

Liebe Freundinnen und Freunde des Buddhismus,

nun sind drei Bücher des DONA- Verlages als E-Books verfügbar:

Die Kraft der ZEN-Meditation

Erwachen und Erleuchtung im ZEN
Verschrotte den eigenen Käfig

ZEN Schatzkammer Band 1

Der Preis ist jeweils 6,99 Euro.
Bestellung z. B. bei Amazon und Libri.

Mit herzlichen Grüßen

Yudo J. Seggelke

Freitag, 14. Dezember 2012

Mit der ZEN-Meditation über sich hinauswachsen




Durch die Fortschritte der Gehirnforschung ist einwandfrei bewiesen: Meditation ist von fundamentaler positiver Wirkung für den Menschen. Also: mit Meditation über das hinauswachsen, was wir jetzt sind!

ZEN-Meditaion unterscheidet sich fundamental von den meisten im Buddhismus bekannten und praktizierten Formen der Meditation. Denn Zazen ist – wie es der große Zen-Meister Yakusan Igen formuliert – „Nicht denken (Hishiriyo)“! Und ich möchte hinzufügen: Zazen ist keine Konzentration auf ein Objekt wie ein Bild, einen Kernsatz der buddhistischen Lehre oder ein Gefühl.

Zazen ist nach meiner festen Überzeugung wirkungsvoller, einfacher, natürlicher, leichter zu erlernen und geht einen eigenen Weg, der etwas anderes ist als die landläufig verbreiteten Vorstellungen von Meditation. Gerade darin liegt die große Wirksamkeit und beeindruckende Kraft des Zazen, die ich in vielen Jahrzehnten meines Lebens erprobt habe. Sie erwies sich gerade in schweren Zeiten als große Hilfe.

Diese Praxis beruht vollständig auf den authentischen Schriften des frühen Buddhismus und wurde in der folgenden Periode des Mahâyâna zusammen mit dem Bodhisattva-Ideal des Helfens zum Kern des buddhistischen Erlösungsweges ausgearbeitet. Im Zen-Buddhismus hat die Zazen-Praxis dann eine einzigartige Reife erlangt und ist nach meiner Erfahrung gerade für die heutige hektische, von Materialismus, Illusionen und Ideologien getriebene Zeit von größtem Wert, um Klarheit, Gleichgewicht und Lebensfreude zu verwirklichen. Diese Zen-Meditation ist absolut verlässlich und keine modische Masche, die sich selbst ernannte „Meister“ ausgedacht haben, und kein Trick von Geschäftemachern.

In seinem Werk Shôbôgenzô macht Meister Dôgen immer wieder deutlich, dass er der Praxis und Übung des Zazen die höchste Bedeutung auf dem Buddha-Weg beimisst. Ohne Zazen sei kein Erwachen möglich – so seine eindringliche Mahnung! Er hatte diese Praxis selbst erst von seinem Lehrer Tendô Nyojô in China erlernt, dann intensiv praktiziert und tiefe Erleuchtung erlangt, die von Tendô Nyojô bestätigt wurde.

Zu Dôgens Zeit war diese wirkungsvolle Übungsmethode des Zen, die er auch als Shikantaza (wörtlich übersetzt: „nichts als Sitzen“) bezeichnet, in Japan noch völlig unbekannt. Nach seiner Rückkehr in die Heimat lehrte er sie dort unermüdlich und mit großer Überzeugungskraft als wesentliche Praxis im Buddhismus. Daher überrascht es auch nicht, dass er sich in der ersten Schrift nach seiner Rückkehr im Jahr 1227 sehr intensiv mit der Zazen-Methode befasste. Diese Anleitung zum Zazen trägt den Titel Fukan zazengi. Nishijima Roshi antwortete bei seinem Vortrag auf dem deutschen Buddhistischen Kongress im Jahr 2000 auf die Frage, was das Wesentliche des Buddhismus sei, kurz und bündig: „Die Zazen-Praxis.“

Auch das Shôbôgenzô beginnt mit einem Kapitel – Bendôwa –, das sich mit der Zazen-Praxis als Streben des Menschen nach der großen Wahrheit und Befreiung beschäftigt. Dôgen weist darauf hin, dass die Zazen-Praxis von Gautama Buddha selbst entwickelt wurde und authentisch über viele Meister schließlich durch Bodhidharma nach China gekommen ist. Sie ist die sog. vierte Vertiefung der Sammlung (Samadhi) des Achtfachen Pfades bei Gautama Buddha.

In dem großen Werk Shōbōgenzō untersucht Meister Dôgen die Zazen-Praxis in sechs maßgeblichen Kapitel, er hat sie in den Jahren 1231 bis 1244 verfasst:

Allgemeine Richtlinien zur Zazen-Praxis von Meister Dôgen (Fukan zazengi)
Die Zazen-Praxis und das Streben nach der Wahrheit (Bendôwa)
Die heilende Bambusnadel des Zazen (Zazenshin)
Genaue Anleitung zur Zazen-Praxis (Zazengi)
Zazen ist der König der Samādhis (Zanmai ō zanmai)
Der Samâdhi – ein Zustand wie das Meer (Kai-in zanmai)
Der Samādhi als Erfahrung des Selbst (Jishō-zanmai)

Montag, 26. November 2012

Zusammenfassung: Wahres Handeln ist Befreiung




Der Buddhismus ist im Gegensatz zu vielen westlichen philosophischen Theorien eine Lehre der Praxis und des wirklichen Lebens, bei der wahres Handeln und ehrliches Erfahren im Mittelpunkt stehen.

Dōgen geht auf den fundamentalen Unterschied zwischen abstrakten Begriffen und Vorstellungen wie „Buddha“ und „Erleuchtung“ einerseits und dem wirklich handelnden Buddha und erwachten Menschen andererseits ein. Er grenzt auch das wahre Handeln von Begriffen wie „allmähliche Erleuchtung“ oder „plötzliche Erleuchtung“ ab und erteilt der Vorstellung, man solle in der Absicht handeln, unbedingt Erleuchtung zu erlangen, eine klare Absage. Er arbeitet heraus, dass Begriffe wie „Buddha“ und „Dharma“ manchmal nur Fesseln sind, die verhindern, das reine und wahre Handeln zu verwirklichen. Denkgebilde, Fantasien und das durch Begriffe und ehrgeizige Ziele eingeengte Bewusstsein sind demnach wesentliche Hindernisse auf dem Weg des wahren Handelns der Menschen und der Buddhas.

Auch Begriffe und Vorstellungen wie „Buddha-Natur“ und „Dharma-Natur“ führen nach Dōgen häufig in die Sackgasse, denn Denken, Bilder und Fantasien können zwar vorbereitende und begleitende Theorien und Sichtweisen des Buddhismus darstellen, aber sie sind nicht in der Lage, die ganze Wirklichkeit im unmittelbaren Erleben und Handeln bei uns selbst zu eröffnen.

Dōgen zitiert eine bekannte Stelle aus dem Lotos-Sūtra, wo Buddha sagt: „Die Lebensspanne, die ich durch meine ursprüngliche Praxis des Bodhisattva-Weges verwirklicht habe, ist auch jetzt noch nicht beendet.“ Damit will er sagen, dass sein Handeln als Bodhisattva und Buddha immer weitergeht, dass es nichts Bestimmtes zu erreichen gibt und dass das Tun und Handeln selbst das Wesentliche sind, dann verwirklicht sich unsere wahre Natur. Dōgen spricht in diesem Zusammenhang von einer „zehntausend Meilen langen Eisenschiene“ und meint damit, dass es sich nicht um eine begrenzte Zeitspanne handelt, sondern um ein Ganzes, um das Handeln in der Gegenwart, das zeitlich unbegrenzt ist und kein berechnendes Ziel kennt.

Ganz wesentlich bei buddhistischem Handeln ist die ethische Reinheit, das heißt, dass man das tut, was im Augenblick in der bestimmten Situation getan werden muss, um anderen auf dem Bodhisattva-Weg des Buddhismus zu helfen. Dies wird besonders durch das Zitat des Meisters Daikan Enō deutlich:

 „Gerade diese Reinheit ist es, welche die Buddhas immer bewahrt und beherzigt haben.“ Er fährt dann in seinem Gespräch mit Meister Nangaku fort: „Du bist so, ich bin so und die alten Meister in Indien waren ebenso.“

Eine solche Reinheit des Handelns unterscheidet nach Dōgen nicht danach, ob ich selbst etwas tue oder ob du handelst, denn ich und du bilden im reinen, wahren Handeln eine Einheit. Damit ist der Dualismus aufgehoben. Es geht also um Praxis und Erfahrung und nicht um irgendwelche Begriffe wie „Essenz“, „Form“ oder „Prinzip“, und man kann nicht unterscheiden, ob ein Ich als „Subjekt“ handelt oder ob mit mir als „Objekt“ gehandelt wird. Beide Begriffe und Vorstellungen versagen auf dieser Ebene. Wir sehen, dass im Tun, Handeln, Erfahren und Praktizieren als existenzielle Wahrheit eine dualistische Unterscheidung von Subjekt und Objekt sinnlos ist. Eine solche Trennung, die allerdings in unserer Sprache tief verankert ist, verschleiert und verdeckt das Wesentliche, die Wirklichkeit und Wahrheit.

Das Handeln soll nach Dōgen nicht mit Gedanken und Vorstellungen überfrachtet und damit unnötig verzerrt werden, sondern „es handelt ganz natürlich“ – so, wie es ist. Wenn das Handeln also verengt und verkürzt wird, verliert es seine Natürlichkeit, Kraft und Reinheit, sodass ein solches verzerrtes Handeln die Wirklichkeit sogar ausklammert. Wahres Handeln kann durch Denken nicht ausgeschöpft und nicht erfasst werden und kann theoretisch und philosophisch nur begrenzt beschrieben werden. Im reinen, wahren Handeln ist der Körper nach Dōgen entspannt und gewissermaßen durchlässig, aber trotzdem kraftvoll und voller Energie.

Wir müssen uns von quälenden Vorstellungen und Gedanken lösen, dass wir geboren wurden und sterben müssen, denn diese sind nicht die Wirklichkeit und kein unmittelbares Handeln.

Bei genauer Betrachtung kann man deshalb nicht sagen, dass Gautama Buddha gestorben sei, denn seine Lehre und sein Wirken und nicht zuletzt seine ethische Reinheit offenbaren sich im Handeln der Menschen im Hier und Jetzt. Sein körperliches Sterben erweist sich als weniger wichtig, da seine Wahrheit lebt und authentisch bis zum heutigen Tag weitergegeben wurde. Das wahre und reine Handeln im Zazen und im Alltag wird durch nichts eingeschränkt und lebt aus sich selbst. Es besitzt also umfassende Freiheit, die aber niemals auf Kosten anderer geht.


Ankündigung:
Demnächst werden 4 Bücher des DONA-Verlages auch als E-Book verfügbar sein:
 - Begegnung mit dem wahren Drachen
 - ZEN Schatzkammer Band 1
 - Die Kraft der ZEN-Meditation
 - Erwachen und Erleuchtung im ZEN
 Der Preis ist geringer als die Papier-Version: 6,99 Euro


PS:
Nächste Woche bin ich auf La Gomera und kann keinen Blog veröffentlichen. Dort hatte mein Freund Ralf seine Finca und sein kleines Dorf gegen das Feuer verteidigt!



Montag, 19. November 2012

Grundsätzliche Überlegungen zum Handeln




Dōgen fordert dazu auf, uns beim Handeln über die folgenden Fragen Gedanken zu machen:

„Was ist Leben und was ist Tod? Was sind Körper und Geist? Was sind Geben und Nehmen? Was bedeutet, (etwas) sich selbst zu überlassen oder sich (dem) entgegenzustellen. Sind (diese Überlegungen) ein Verlassen oder Eintreten durch ein gewöhnliches Tor, ohne dass sich irgendein Treffen ereignet?“

Dōgen hat hier aber keine rein philosophischen Fragen und Antworten im Sinn, sondern diese Überlegungen beziehen sich auf das wahre und reine Handeln. Man könnte es etwa so formulieren: Was bedeutet Leben und was bedeutet Tod für das Handeln eines Erwachten und was war es für die alten Meister in Indien und China?


Leider glauben einige Zen-Buddhisten, jede Fragestellung und jede Überlegung sei auf dem Buddha-Weg überflüssig oder sogar gefährlich. In manchen buddhistischen Gruppen ist es weitgehend unüblich, überhaupt Fragen zu stellen, Alternativen zu überlegen und mit der Vernunft in den Buddha-Dharma einzudringen. Mit den oben zitierten Grundsatzfragen zum Leben und zum Tod, zum Körper und zum Geist erteilt Dōgen einer solchen Haltung eine gründliche Absage. Alle wichtigen Begriffe im Zusammenhang mit dem Handeln sollen hinterfragt werden: zum Beispiel Geben, Nehmen und Verlassen. Das trägt dazu bei, dass wir zum Kern des wahren Handelns und des wahren Buddhismus vordringen und es vor allem auch realisieren können.

Das Symbol des Tores wird im Zen-Buddhismus häufig dafür verwendet, dass man zur Befreiung und zum Erwachen kommt. Aber auch dies sind zunächst nur Vorstellungen und Begriffe, die erst mit Handeln und Leben erfüllt werden müssen. Theorie und Praxis, Handeln und Ergebnis fallen im Augenblick der Wirklichkeit zusammen und werden existenziell als Einheit erfahren.

Dōgen behandelt viele Bereiche der buddhistischen Lehre mit den jeweils damit verbundenen Begriffen. Dabei geht es immer darum, die Ebene der Begriffe zu verlassen und zum wahren Handeln vorzustoßen.

Als Nächstes fragt er, ob auf tiefschürfendes Denken schließlich Verstehen folgt und ob wir durch Denken Reife erlangen, was dann Wissen zur Folge hat. Zweifellos war Dōgen ein Mensch mit extrem hoher Intelligenz und genialen geistigen Potenzialen. Wir wissen, dass er in jungen Jahren in kurzer Zeit die buddhistische Lehre – vor allem auf der Grundlage des Lotos-Sūtra – aufarbeitete und dass er kaum intellektuelle Grenzen bei seiner philosophischen Arbeit erfahren hat. Wir wissen auch, dass ihn eine ungewöhnliche Ehrlichkeit und Klarheit sich selbst gegenüber auszeichnete. Deshalb war er vor seiner Chinareise auch überzeugt davon, die von ihm angestrebte Erleuchtung noch nicht erlangt zu haben.

Erst bei seinem chinesischen Meister Tendō Nyojō fand er die umfassende Einheit von Theorie, praktischem Handeln und Ethik, verbunden mit der Praxis des Zazen, sodass die bis dahin unüberwindbaren Hürden in seiner eigenen Entwicklung verschwanden. Wenn er gerade beim wahren Handeln zentrale Fragen an die Vernunft stellt, wird klar, dass wir geistige Tätigkeiten auf keinen Fall gering schätzen dürfen, sondern im Gegenteil die durch die Praxis sich ergebende Klarheit auch im Denken und intuitiven Verstehen realisieren sollen.
Dōgen bittet, unsere Untersuchungen ganz konkret im Einzelnen durchzuführen und uns dabei nicht in weitschweifigen Abstraktionen zu verlieren.

Montag, 12. November 2012

Leben im Gleichgewicht



Im folgenden Zitat schildert Dōgen die Lebensweise und die Praxis derjenigen Menschen, die sich durch Handeln verwirklichen und im Gleichgewicht befinden:

„Wenn die große Wahrheit (klar und) offen erreicht ist, das Leben zu verstehen und den Tod zu meistern, gibt es dafür eine alte Formulierung: ‚Die großen Heiligen überlassen Leben-und-Tod ganz dem Geist, ganz dem Körper, und ganz der Wahrheit. Sie überlassen Leben-und-Tod dem Leben-und-Tod (selbst).‘“

Wenn man im Gleichgewicht lebt, kann man die Sorgen des täglichen Lebens und das Leiden hinter sich lassen und die Ängste und Beklemmungen im Hinblick auf Alter, Krankheit und Tod auflösen. Solche emotionalen Verdüsterungen verlieren also im Augenblick des wahren Handelns ihre psychische Energie und können uns nicht mehr schaden und blockieren.

„Das wahre, reine Handeln der Buddhas wird augenblicklich praktiziert und ist umfassend und ganzheitlich. Es überschreitet Zeitvorstellungen der Vergangenheit und Gegenwart. Die Wahrheit bildet einen Kreis und (der Zustand des handelnden Buddhas kann) intuitiv die große Bedeutung von Leben-und-Tod und Körper-und-Geist erfassen und annehmen.“

Der Kreis steht hier als Symbol für die Ganzheit und Einheit von Selbst und Universum, also für Wahrheit und Wirklichkeit.
Dann unterstreicht Dōgen noch einmal, dass gewaltsames, willentliches oder ideologisches Handeln nicht mit dem umfassenden Praktizieren und der vollen Klärung, die identisch mit der Zazen-Praxis sind, gleichgesetzt werden kann. Diese Praxis charakterisiert Dōgen wie im Fukan zazengi, indem er sagt, dass wir dabei das Licht nach innen wenden, wo es sich widerspiegelt und uns leuchten lässt. Die wahren Handlungen haben zwar manchmal eine gewisse Ähnlichkeit mit einem in Täuschung befindlichen Gehirn, das aber gerade dadurch die Schatten der Wahrheit und Wirklichkeit erkennt. Damit stellt Dōgen einen direkten Bezug zum Zustand von Körper-und-Geist im wahren Handeln der Zazen-Praxis her und bezeichnet gleichzeitig das Denken des Gehirns als Möglichkeit, durch Handeln zumindest die Schatten der Wirklichkeit zu erkennen. Die Wirklichkeit selbst ist jedoch nur durch das reine, wahre Handeln zu erlangen, wenn die Unklarheiten der Täuschungen verschwunden sind.

Interessante Parallelen ergeben sich hierzu durch den Vergleich mit dem berühmten Höhlengleichnis von Platon, das besagt, dass gewöhnliche Menschen die Wirklichkeit nur wie eine Schattendarstellung an der Wand der Höhle wahrnehmen. Die Wirklichkeit selbst sei ihnen aber überhaupt nicht zugänglich. Erst wenn man die Höhle verlässt, habe man die Möglichkeit, in der Wirklichkeit der Welt zu erkennen. Allerdings glaubt Platon daran, dass dies durch den Geist und durch Denken möglich sei und dass die Philosophie das entscheidende Werkzeug dafür ist.

Diese Ansicht steht im klaren Gegensatz zu Dōgens Lehre, die eindeutig aussagt, dass selbst mit scharfsinnigem Denken allein die Wirklichkeit nicht erreichbar ist und dass man aus dem Schattendasein des Lebens durch Denken nicht herauskommen kann. Es besteht laut Dōgen sogar im Gegenteil die Gefahr, dass das unterscheidende Denken uns immer tiefer in die „schwarzen Höhlen“ der Verwirrung führt.
Dōgen beschreibt das wahre Handeln auch als „ein Leuchten jenseits des (üblichen) Leuchtens.

Sonntag, 4. November 2012

Das Handeln verschlingt die Vorstellungen



Alle Vorstellungen werden durch das Handeln weit überschritten, weil die Wirklichkeit immer vitaler und strahlender ist als Vorstellungen und Denken. Dōgen formuliert das mithilfe eines Kōans:

„Genau hier und jetzt zerschlägt (das Handeln) (die Vorstellung) von Frieden, Glück und Tushita-Himmel in Hunderte von Teilen und Stücken.“

In diesem Satz klingt eine Warnung von Meister Gensa an, die Dōgen im Shōbōgenzō im Kapitel über die intuitive Weisheit des ewigen Spiegels zitiert. Schöne Worte, Symbole und Gleichnisse bergen immer die Gefahr, dass man sie als eigenständige Wirklichkeit versteht, aber auf diese Weise entfernt man sich gerade von der Realität! Meister Gensa war besonders begabt darin, romantische Vorstellungen und falsche heilige Lehren als solche zu erkennen und zu entlarven, um zur Wirklichkeit selbst zu gelangen. Die obige Formulierung „in Hunderte von Teilen und Stücken zerschlagen“ stammt aus einem berühmten Kōan-Gespräch zwischen den Meistern Seppō und Gensa über den ewigen Spiegel des intuitiven Wissens.

Dōgen erläutert im Folgenden noch tiefgehender den grundsätzlichen Unterschied zwischen Begriffen und Vorstellungen einerseits und der Wirklichkeit des Handelns andererseits:

Genau hier und jetzt ist (das wahre Handeln) fest und klar, es lässt (die Vorstellungen) von Frieden, Glück und Tushita-Himmel verschwinden. Es
verschlingt sie in einem einzigen Schluck.“

Diese etwas seltsam klingenden Sätze bedeuten, dass die Wirklichkeit der handelnden Buddhas in ihrem Zustand der ungehinderten Freiheit alle Begriffe und Vorstellungen beiseite schiebt und – wie es hier heißt – mit einem einzigen Schluck verschlingt. Dōgen macht mit diesen kraftvollen Worten den Unterschied zwischen Begriffsebene und Wirklichkeit unmissverständlich deutlich. Und er verstärkt seine Aussage sogar noch: „(Das wahre Handeln) verschlingt (die Begriffe und Vorstellungen) als Ganzes in einem einzigen Schluck.“ Mit dem Begriff „verschlingen“ charakterisiert er zudem die Augenblicklichkeit und Plötzlichkeit sehr treffend. Die Ebenen der Vorstellungen und Worte werden je im Augenblick übersprungen, um in die Wirklichkeit des Handelns zu gelangen.

Die buddhistischen Begriffe des Friedens und Glücks rückt Dōgen in die Nähe des „Reinen Landes und Paradieses“, die den Samsara-Kreislauf der Welt beschreiben. Alles dies verwirklicht sich erst durch Handeln, und wenn das große Erwachen da ist, gehören dazu selbstverständlich und natürlich Frieden, Glück, Tushita-Himmel, Reines Land und Paradies. Aber sie alle sind keine gedachten oder nur verbal beschriebenen Zustände, sondern das Handeln im Augenblick. Im Umkehrschluss gilt:

„Wenn (Frieden und Glück) große Täuschung sind, sind auch (das Reine Land und Paradies) ähnlich große Täuschung.“

Der Buddhismus des Reinen Landes war zur Zeit Dōgens in Japan schon sehr weit verbreitet und wurde insbesondere von den einfachen, armen Japanern praktiziert, die täglich ums Überleben kämpften und es sich nicht leisten konnten, sich ausschließlich dem Buddha-Dharma zu widmen. Nur durch reines, wahres Handeln ist also auch im Buddhismus des Reinen Landes der wahre Buddhismus zu verwirklichen; Vorstellungen und Glaubensinhalte allein reichen nicht aus, sondern verdecken oft sogar die Wirklichkeit und verkehren sich dadurch in ihr Gegenteil.

Das heißt auch: Pragmatisch handelnde Menschen, die sich eventuell keiner Religion wirklich zugehörig fühlen, gehen direkter, einfacher und auch ehrlicher mit anderen Menschen und der Umwelt um als solche, die in religiösen Vorstellungen verhaftet sind. Dies würde zudem erklären, warum im Namen der Religion oft furchtbare Verbrechen gegen andere Menschen geschehen. Wie bei jeder Art von Ideologie werden die Menschen von der Wirklichkeit häufig gänzlich abgezogen und handeln in brutaler und unmenschlicher Weise, ohne dass ihnen dies zunächst bewusst sein mag. Oft sind starke psychische Energien wie Gier nach Ruhm und Profit, Hass, Eifersucht und Neid die wirklich steuernden Faktoren, die sich unerkannt heiliger Vorstellungen und Worte bedienen. Solchen psychologischen, soziologischen und politologischen Fehlentwicklungen und Täuschungen steht die nüchterne Klarheit des Zen-Buddhismus gegenüber, der wir mit größter Hochachtung begegnen sollten.

Sonntag, 28. Oktober 2012

Freiheit ist handelnder Buddha



Dōgen eröffnet einen radikal neuen Aspekt des Handelns: Der Zustand des handelnden Buddhas „lehrt die menschlichen Wesen“. Mit dieser interessanten Formulierung sagt Dōgen nicht, dass Gautama Buddha als eine bestimmte historische Person die Menschen lehrt, sondern dass sein Handeln, sein wahres, reines Handeln uns lehrt. Dieses Handeln ist gleichzeitig die Tugend und die Wirklichkeit, und diese sind die Tatsachen der Welt und unseres Lebens. Genau bei diesem Buddha-Handeln gibt es keine Trennung zwischen der Wirklichkeit und uns und es besteht nach Dōgen keine Abtrennung zwischen uns selbst und anderen Menschen, zwischen Subjekt und Objekt. Und dieses Handeln als Befreiung ist unser natürlicher Zustand und steht uns daher allen offen.

Das Lotus-Sūtra vergleicht diesen Zustand mit den „sich öffnenden Blumen“, sodass sich auch die Schönheit genau dann ereignet und verwirklicht. Damit werden die Worte überschritten, wie es auch Meister Ungo Doyo ausdrückt: „Dann sind viele Worte nicht nützlich.“ Obgleich Dōgen ohne Zweifel geschriebenes und gesprochenes Wort des Buddha-Dharma sehr hoch schätzt, kennt er sehr wohl die Grenzen und Möglichkeiten der Sprache und schätzt das wahre, reine Handeln als Kern des Buddhismus höher ein. Der Mensch ist sozusagen vor Allem der Träger des Handelns und der Handlungen, das Handeln selbst ist die Hauptsache und es ist die Wirklichkeit. Nach meiner festen Überzeugung ist dies die tiefe Bedeutung des Sanskrit-Wortes Karma. Das Karma prägt unser Leben ganz entscheidend. Dabei ist falsches Handeln unnatürlich und hat negative Folgen für das nachfolgende Leben. Wahres Handeln ist Freiheit und Einheit.

Eine solche Lebensphilosophie des Handelns als Wirklichkeit und Befreiung ist im Westen kaum bekannt. Hier steht der Mensch als physische und psychische Einheit im Mittelpunkt, fast wie ein „Ding mit Geist“ und Bewusstsein. Man betrachtet ihn als Individuum, das bestimmte Gefühlen und Ideen besitzt und sich mehr oder minder bewusst entscheiden kann. Der Mensch ist danach eine genau definierte und abgegrenzte Person, er ist da und handelt dann. Seit den Anfängen der griechischen Philosophie sind zudem das Handeln und philosophische Denken voneinander weitgehend getrennt. Bei den antiken Griechen wird das Handeln grundsätzlich geringer geschätzt als Denken und Reden, sie stehen – vor allem im Dialog – wie bei Platon im Mittelpunkt. Bei Dōgen wird die Trennung zwischen dem Ich und den anderen aber gerade durch das Handeln aufgehoben, im Handeln finden wir die ersehnte Einheit wieder:

„Genau hier und jetzt kommt (das wahre Handeln) vom Tushita-Himmel. Genau hier und jetzt geht es (das wahre Handeln) zum Frieden und zum Glück.“

Die Bezeichnung „Tushita-Himmel“ wird bisweilen für den Himmel des Amitabha-Buddha verwendet; Dōgen meint damit auch die Zazen-Praxis. Dadurch wird deutlich: Die Zazen-Praxis ist also keine Askese, keine anstrengende Trainingseinheit für ein schwer zu erreichendes Ziel. Es geht auch nicht darum, Schmerzen auszuhalten, Härte zu zeigen und sich selbst zu beweisen, was man alles durchstehen kann, sondern Zazen ist der Zustand des Friedens und des Glücks, es ist Handeln in der reinsten Form und es ist Befreiung.

Sonntag, 14. Oktober 2012

Handeln ohne Beschränkungen





Ohne eigene Erfahrung und Praxis ist es nach Dōgen nicht möglich, den höchsten Zustand, den man als Erwachen bezeichnet, zu erreichen. Heute bezeichnen wir dies als Primär-Erfahrung. Wer zum Beispiel in einem buddhistischen Land keine unverstellte Erfahrung der Wirklichkeit hat, weil er schon alles durch die Brille einer buddhistischen Dogmatik sieht, kann nicht erwachen; auch wenn er verbal fast alles über Erwachen sagen kann. Dōgen empfindet tiefes Mitleid mit solchen fehlgeleiteten Schülern, die diesem Irrglauben ohne Primär-Erfahrung anhängen, und er bedauert besonders ihren negativen Einfluss auf andere Menschen:
„Die Wurzeln des falschen Handelns dieser Menschen sind (leider) tief und fest.“

Die schwere Last und Bürde, die diese Menschen tragen, haben sie allerdings leider selbst erzeugt. Dōgen rät ihnen, diese Last fallen zu lassen und mit neuen Augen die Wirklichkeit des Lebens anzuschauen. Denn wenn sie einfach in ihrem Raster weitermachen wie bisher, besteht keine Chance zur Veränderung: Zen-Geist ist und Anfänger-Geist. Auch die buddhistische Dogmatik ist dann ein Gefängnis und muss durch direktes Handeln im Gleichgewicht geknackt werden!

Dōgen bringt seine Ausführungen über die handelnden Buddhas auf den Punkt:

„Der ungehinderte Zustand der Gegenwart des wahren und reinen Verhaltens des handelnden Buddhas ist (nur) auf den Zustand des Buddhas selbst fokussiert. In (diesem Zustand) gibt es keinerlei Beschränkung, weil der kraftvolle Weg (im Alltag) gemeistert worden ist, sich durch den Schlamm zu schleppen und im Wasser zu stehen.“

Im alten chinesischen Sprachgebrauch redet man stellvertretend für die Schwierigkeiten des Alltags vom Waten durch den Schlamm und Stehen im Wasser. Gleichzeitig beschreibt diese Redewendung das Handeln und die Bewegung. Es geht also nicht um einen statischen Zustand, den manche fälschlicherweise mit buddhistischen Begriffen assoziieren. Das kraftvolle Handeln der Buddhas und erwachten Menschen wird nicht durch irgendwelche Blockaden behindert.
Insbesondere wird es nicht durch Gedankenfixierungen, Ideologien und emotionale Barrieren eingeschränkt. Der Zustand des handelnden Buddhas erfährt auch von außen keine Einschränkung, sondern lebt aus sich selbst in voller Freiheit:

„Die handelnden Buddhas sind nur auf sich selbst fokussiert.“

Etwas überraschend ist in diesem Zitat von „Fokussierung“ die Rede. Wie ist das gemeint? Da dieses Selbst das große, geöffnete, unbegrenzte Selbst und nicht das kleine isolierte Ich oder Ego ist, bedeutet die Aussage, dass der ganze Kosmos, die anderen Menschen und das gesamte Universum einbezogen werden. Es handelt sich also nicht um eine Abgrenzung im üblichen Sinne, sondern gerade um eine Erweiterung, die weder durch innere Hindernisse und Grenzen noch durch äußere einengende Einflüsse gefesselt wird. Fokussiert heißt also, dass es keine verfälschenden Einflüsse gibt.

„(Das Handeln der Buddhas) hat die Tugend der sich öffnenden Blumen.“

Dieser Vergleich stellt einen Bezug zum Lotos-Sūtra her und wird im Zen-Buddhismus vielfach als Symbol verwendet, um sowohl die Verbindung zu den konkreten Dingen und Phänomenen wie Blumen und Pflanzen aufzubauen, als auch auf die Schönheit dieser Welt hinzuweisen. Dōgen ergänzt hierzu, dass das Handeln

„die Tugend des Erscheinens der Welt hat, ohne irgendeinen Abstand zwischen allen Dingen, Phänomenen und der Wahrheit.“

Damit weist er auf die in der Welt vorliegenden Fakten hin, die ein wesentlicher Bestandteil des buddhistischen Handelns sind und nicht vernachlässigt werden dürfen. Ein träumerischer Idealismus, der sich von Tatsachen und Fakten verabschiedet hat, ist laut Dōgen ungeeignet, wenn man den buddhistischen Weg gehen möchte. Der Dualismus, die Trennung von Subjekt und Objekt, muss überwunden werden und dies vollzieht sich genau im reinen, wahren Handeln.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Handeln ist kein Wetterleuchten des Geistes!




Ein allzu sehr auf den gewöhnlichen Menschen bezogenes Verständnis des Buddhismus kann nicht zur wahren buddhistischen Lehre und Praxis führen. Nur dann sind alle praktischen Tätigkeiten des Alltags sowie die sinnlichen Wahrnehmungen im Einklang mit der buddhistischen Wirklichkeit!

Vermutlich spricht Dōgen solche buddhistischen Gruppen und Übertragungslinien an, die er nicht für authentisch hält, die die Lebenswirklichkeit des Handelns nicht konkret kennen und den Dharma nicht praktizieren. Sicher meint er auch Gruppen, die nicht Zazen praktizieren und in Theorien und Zeremonien gefangen sind.

Dōgen hält fest, dass viele verschiedenartige, zu seiner Zeit gelehrte Formen der Erleuchtung überhaupt nicht die Wirklichkeit des wahren und reinen Handelns erreichen. Sie verharren in dogmatischen traditionellen Lehren und liebgewordenen Ideen-Konstrukten ohne großen Wahrheitsgehalt. Sie sind nur nettes Wetterleuchten im Geist ohne Kraft und ohne Entwicklungs-Potential. Dies gilt nicht zuletzt für bestimmte buddhistische Lehren, die vielleicht sogar als heilig und unantastbar anerkannt waren.

Für Dōgen ist es von großer Bedeutung, ernste Fragen zu stellen und nichts ungeprüft hinzunehmen. Für solches Verhalten sind sogar heilige Hierarchien auch in heutigen buddhistischen Gruppen bestimmt hinderlich.

Auch Begriffe und Vorstellungen von der Achtsamkeit oder der Nicht-Achtsamkeit erreichen nicht das Handeln selbst. Das behandelt Dōgen in den Kapiteln über die Lotus- Sūtra und das Lesen der Sūtras. Ob man Erleuchtung erlangt hat oder ohne Erleuchtung ist, oder ob man „erlernte Erleuchtung“ oder „ursprüngliche Erleuchtung“ hat, sind laut Dōgen
„nur aufgeregte Gedanken der gewöhnlichen Menschen und sie werden hektisch von den gewöhnlichen Menschen der Gegenwart hin- und hergewälzt.“

Im Verhältnis zum Handeln in seiner Einfachheit und Reinheit seien dies jedoch nur Gehirntätigkeiten, die letztlich nicht weiterführen. Solche Denkgebäude würden sich auch nicht im Einklang mit dem authentischen Buddha-Dharma befinden.

Dōgen arbeitet dann heraus, dass sich die Achtsamkeit als Begriff und Vorstellung bei den gewöhnlichen Menschen fundamental von der Achtsamkeit der handelnden Buddhas unterscheidet. Davon ist im großen Sūtra der Achtsamkeit des frühen Buddhismus die Rede, in dem auch die Vier Edlen Wahrheiten, die Fünf Hemmnisse des Erwachens und vor allem der Achtfache Pfad enthalten sind. Im Kapitel des Shōbōgenzō über die 37 Elemente des Erwachens bespricht Dōgen die Achtsamkeit ebenfalls detailliert.

Er lehnt sie also keineswegs ab, sondern führt sie durch die Praxis des wahren und reinen Handelns auf ihren Kern zurück.

Montag, 1. Oktober 2012

Die handelnden Buddhas und das Universum



„Jene (Menschen), die sagen, dass die Buddhas sich nur im menschlichen Bereich manifestieren, sind von der äußeren Peripherie der großen Meister aus (nicht weit in den Buddha-Dharma) hineingekommen.“

Damit möchte Dōgen ausdrücken, dass die Buddhas nicht auf die menschliche Welt beschränkt sind, sondern die Natur und das ganze Universum einbeziehen. Die großen Meister, die diese Tatsache erfasst haben, haben also eine fundamentale Grenze und Schwelle weit hinter sich gelassen, welche die gewöhnlichen Menschen nur teilweise und nur ein kleines Stück überschreiten. In einem anderen Kapitel führt Dōgen aus, dass die Natur selbst den Dharma lehrt, also selbst die Wirklichkeit ist.

Dann zitiert Dōgen seinen eigenen Meister Tendō Nyojō:
„Shākyamuni Buddha ging in den Tushita-Himmel, um die Götter von Tushita zu lehren, nachdem er die Übertragung des wahren Dharma vom Kāshyapa Buddha empfangen hat, und er ist jetzt noch dort.“

Vorab ein paar Hinweise zu den im Zitat genannten Namen: Kāshyapa Buddha ist ein legendärer Buddha, der vor der Zeit von Shākyamuni Buddha in der Welt war. Tushita ist nach alter indischer Legende ein Himmel, in dem die Götter leben. Aber diese Götter sind nicht auf Ewigkeit dort, sondern müssen wiedergeboren werden, wenn sie ihr gutes Karma aufgebraucht haben. Dōgen verwendet dieses Gleichnis, um herauszuarbeiten, dass Shākyamuni Buddha nicht auf die Menschenwelt beschränkt ist und durch sein Lehren immer weiter tätig bleibt. Sein Handeln findet also niemals ein Ende.

Die Lehre, dass Gautama Buddha nach seinem Dahinscheiden in das Nirvāna eingegangen ist, wird im Lotos-Sūtra als „geschicktes Mittel“ verwendet, um die Menschen zu lehren. Dōgen betont, dass für die buddhistischen Schüler Buddhas Sprache, sein Handeln und sein Lehren in der menschlichen Welt nur eine bestimmte Dimension seines umfassenden Wirkens darstellen. Dies gilt für die unzähligen Veränderungen und Verwandlungen seines Lehrens. Das Handeln der Buddhas überschreitet alle Lehren und Theorien über die Zeit, also zum Beispiel über die lineare Zeit. Aber das Handeln überschreitet auch die Lehre vom Augenblick, denn ohne Tun und Handeln ist auch dies nur eine theoretische Lehre, über die das reale Handeln als direkte Wirklichkeit weit hinausgeht. Diese Wahrheit ist laut Dōgen im Buddhismus authentisch übermittelt, aber sie ist leider für viele Menschen eine völlig unbekannte Qualität.

„An den Orten, an denen der handelnde Buddha die Lehre erweckt, existieren Lebewesen jenseits von (der Aussage) ‚der vier Arten der Geburt‘ und es mögen Orte jenseits von den Begriffen ‚Himmel über uns‘; menschlicher Bereich’; Welt des Dharma‘ und Ähnlichen existieren.“

Mit dieser Aufzählung sind Formulierungen und Ideen gemeint, die lediglich auf der Begriffs- und Denkebene des Buddhismus stehen bleiben und die Wirklichkeit des Handelns nicht erreichen können. Laut Dōgen kann man mit den Augen der Götter im Himmel und noch weniger mit den menschlichen Augen kaum einen Eindruck vom reinen, wahren Handeln der Buddhas bekommen – vor allem aber nicht mit emotionsgesteuertem Denken: „Habt nicht das Ziel, (das wahre Handeln) mit solchen Mitteln auszuloten.“

Diese Mittel seien ungeeignete „Werkzeuge“ und selbst die Bodhisattvas seien dazu nicht in der Lage, stellt Dōgen fest und ergänzt: „Wie viel weniger kann der berechnende Verstand der menschlichen Welt und des Himmels, der über (uns ist), das erreichen.“ Das menschliche, angesammelte Wissen sei kurz und schmal, genau wie die menschliche Überlegung. Außerdem sei unsere Lebensdauer begrenzt, wie zusammengepresst, und dies gelte auch für den Intellekt. Damit könne das Verhalten der handelnden Buddhas unmöglich erfasst werden. Dōgen warnt uns davor, dass wir die menschliche Welt mit dem Buddha-Dharma gleichsetzen und dass wir gewöhnliche „menschliche Methoden“ so betrachten, als ob sie der Buddha-Dharma seien. Menschen, die das glauben, sind durch ihr eigenes Verhalten und ihr Karma gefangen und können sich nicht befreien. Dōgen drückt es folgendermaßen aus:

„Sie haben niemals das Hören des Buddha-Dharma durch Körper-und-Geist erfahren und sie haben niemals einen Körper-und-Geist besessen, der die Wahrheit praktizierte.“

Dienstag, 25. September 2012

Geburt und Tod




Dōgen erklärt, dass die wahre Geburt über die damaligen genannten Lehren zur Geburt hinausgeht und dass wir immer die große Wahrheit der Gegenwart im Augenblick verwirklichen. Er verwendet dabei die im Zen-Buddhismus häufige Formulierung, dass dies „niemals verborgen gewesen ist“. Das heißt, dass die Wirklichkeit im Augenblick nichts verbirgt, während Vorstellungen und in Worte gefasste Gedanken immer nur Teilaspekte beleuchten können, also andere Bereiche der Wirklichkeit ausblenden, die dann sozusagen verborgen sind. Ganz davon abgesehen, dass uns jemand etwas Bestimmtes vormachen will, sei es dass er selbst unklar ist oder dass er uns sogar vorsätzlich täuschen will. 

Wie viel wäre der Welt und Deutschland erspart geblieben, wenn sich die meisten Deutschen von den Nazis nicht hätten täuschen lassen und wie viele Tote hätte es nicht gegeben! Ihre Täuschungen haben sie verbergen müssen, aber die Wirklichkeit verbirgt uns nichts.

„Es gibt jene Menschen, die nur die Formulierung ‚Nicht-Geburt‘ hören und dem nicht auf den Grund gehen. Sie scheinen die Anstrengung mit Körper und Geist beiseitezulassen.“

Mit den Anstrengungen sind die Übungspraxis des Zazen und das alltägliche klare Handeln gemeint. Da dieses nur im Augenblick stattfindet und dann die Wirklichkeit selbst ist, sind demgegenüber die Fragen zu Geburt und Sterben rein theoretischer Natur. Die Nicht-Geburt wird in einigen theoretischen buddhistischen Schulen als das Nirvāna bezeichnet, weil es nach der Lehre der Wiedergeburten keine erneute Geburt gibt, wenn man in das Nirvāna eingegangen ist. Für Dōgen haben solche doch spekulativen Gedanken keine große Bedeutung.

Wie lässt sich aber die Vorstellung von der Nicht-Geburt mit dem reinen und wahren Handeln der Buddhas in Verbindung bringen? Die ganze Wirklichkeit selbst ist im Zen-Buddhismus das Nirvāna; es ist also nichts Jenseitiges und nichts, in das man erst nach dem Tod eingeht.

Dōgen führt weiter aus, dass solche Menschen, welche die Anstrengung mit Körper und Geist vernachlässigen und von Nicht-Geburt reden, nicht einmal in die Nähe der plötzlichen und allmählichen Erleuchtung gelangen. Er kritisiert, dass sie sich nicht darum bemühen, Klarheit darüber zu erlangen, was im Buddha-Dharma mit Begriffen wie „Nicht-Buddha“, „Nicht-Wahrheit“, „Geist“ und „Erlöschen“ gemeint sein könnte. Denn mithilfe der gründlichen Untersuchung dieser Begriffe und Zusammenhänge sei es möglich, auf die Wirklichkeit des Buddha-Handelns selbst zu kommen und ein solches Handeln im eigenen Leben zu verwirklichen. 

Wie im Kapitel über Leben und Sterben behandelt wird, ist das Handeln für Buddhas Wahrheit von entscheidender Bedeutung. Wir können es wie ein „Werkzeug“und Wegweiser auffassen, das zur Wirklichkeit führt. Dōgen rät uns auch dringend herauszufinden, welche Absicht dahinter steckt, wenn Formulierungen wie „Nicht-Geburt“ oder „Nicht-Buddha“ verwendet werden! Sollen wir zum Beispiel damit gefangen oder getäuscht werden?

Donnerstag, 20. September 2012

Innerbuddhistischer Dialog




Liebe Freundinnen und Freunde des Zen,

wir überlegen mit Vertretern des Tibetischen Buddhismus, wie ein innerbuddhistischer Dialog zwischen den verschiedenen Traditionen durchgeführt werden könnte, in diesem Fall also zwischen dem Tibetischen Buddhismus und dem Zen.

Ich möchte Ihnen/Euch daher kurz meine Überlegungen dazu mitteilen, die auch auf meinen langjährigen Erfahrungen beim Umwelt-Dialog im nationalen und internationalen Bereich beruhen. Sie sind hoffentlich eine brauchbare Anregung für praktische Aktivitäten, denn der innerbuddhistische Dialog ist durch einen kürzlichen Diskussionsbeitrag in der Zeitschrift „Buddhismuas aktuell“ besonders aktuell geworden. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Zen nicht zuletzt auf der Grundlage von Dogens fulminantem Werk Shobogenzo dazu wertvolle Beiträge liefern kann.

Ein solcher Dialog, der im Tibetischen Ri-me heißt, sollte wirklich frei von offenen und verdeckten Hierarchien zwischen den Vertretern der Übertragungslinien sein und könnte folgende Elemente enthalten:

1. Einführende Worte eines Mediators, der keiner der beiden Übertragungslinien angehört.
2. Grundsatzreferate der beiden Vertreter zu einem zentralen Thema des Buddhismus, Dauer ca. 30-45 Minuten.
Folgende Themen könnten z. B. gewählt werden: Erwachen/Erleuchtung, Leerheit und bedingtes Entstehen, Buddha-Natur, Geist-Training, Einheit von Körper-und-Geist, intuitive Klarheit und Grenzen des Denkens, Ich-Losigkeit, Achtsamkeit, Meditation/Samadhi, wahres Handeln, Bodhisattva, Ethik/Moral, Karma und Wiedergeburt usw.
3. Freier und offener Dialog der beiden Vertreter miteinander.
4. Fragen des Mediators an beide Vertreter, vorbereitet und/oder spontan sowie Fragen von Dritten, z. B. aus dem Publikum.
5. Zusammenfassung und Ausblick des Mediators

Es ist klar, das sich ein solcher inner-buddhistischer Dialog fundamental von den Retreats, Lehr- und Praxistagen innerhalb einer Übertragungs-Linie unterscheidet. Beide Formen dürfen daher nicht vermischt und verwechselt werden.

Es darf auf keinen Fall das Ziel bestehen, den Vertreter der jeweils anderen Linie zu belehren oder besiegen oder auch nur mit Tricks mehr Redezeit für sich selbst heraus zu holen, sondern es geht um kreative Wechselwirkungen und Anregungen, die nicht zuletzt für die jeweils eigene Linie fruchtbar und vertiefend sind. Es darf keine offene oder verdeckte Höherstellung eines der beiden Vertreter geben. 

Die Teilnehmer sollten dabei anschließend gleichberechtigt den Dialog mitgestalten. Das kommt der Hermeneutik des Philosophen Gadama und der Empathie des Therapeuten Rogers sehr nahe. Im innerbudistischen Dialog geht es also um Kreativität im Dialog und nicht um den begrenzten Austausch bereits vorhandenen Wissens als unveränderliche Entität und schon gar nicht um Sieger und Besiegte. Es sollte auch kein festes Ziel vorgegeben werden, sondern es ist das Ziel kein Ziel zu haben: wir wissen nicht was herauskommt. Es geht nicht um falsch verstandene Belehrung oder Unterweisung von oben nach unten, sondern um einen "leeren" Dialog ohne Verfestigungen und Isolation der Teilnehmer von einander, ohne svabhava: kurz die Trennung des Dualismus im Gespräch wird aufgehoben. Das ist u. E. die zentrale Aussage von pratitya samutpada, das ist das wechselwirkende Aufblühen des Buddha Dharma.

Dabei ist auch der enge Bezug zum ursprünglichen Pali-Buddhismus besonders wichtig.

Es wäre sicher sinnvoll, die schriftlichen Fassungen auch allgemein verfügbar zu machen.

Was meinen Sie/meint Ihr dazu? Gibt es Erfahrungen für einen solchen fruchtbaren Dialog.
Ich habe gebeten einmal anzufragen, welche Themen für einen innerbuddhistischen Dialog besonders wichtig sind und ob mein Vorschlag zum Vorgehen auf Zustimmung stößt.

Mit herzlichen Grüßen
Yudo

Sonntag, 2. September 2012

Handeln ist einfacher als Denken



Weil das Denken ist letztlich viel komplizierter und schwieriger als das Handeln, stellt Dōgen im Einklang mit dem großen Meister Sōsan fest: „Bei der Wahrheit anzukommen ist ohne Schwierigkeit.“ Das ist auch deshalb so, weil beim reinen, wahren Handeln unser Denken nicht von verzerrenden Emotionen wie Abneigung, Hass, Gier oder auch Zuneigung gesteuert wird. Handeln ist also einfach und direkt, während intellektuelle Überlegungen kompliziert und oft mit starken Affekten und Verspannungen verbunden sind. Beim Handeln ist der Körper entspannt und wir befinden uns in der großen, natürlichen Wahrheit:
„Denkt daran, dass wir in der Einheit mit der Wahrheit geboren werden, wenn wir in das Leben geboren werden, und wenn wir in den Tod eingehen, gehen wir in ihn in Einheit mit der Wahrheit ein.“
Dōgen vergleicht diesen Zustand, der vom Anfang bis zum Ende richtig ist, auch mit einem sich drehenden Juwel und einer rollenden Perle. Dann ist das reine, strahlende Handeln vor uns manifestiert.
„Was einen Teil des reinen, wahren Handelns eines Buddhas vermittelt und benutzt, ist der ganze Kosmos, die ganze Erde und das Ganze von Leben-und-Tod und Kommen-und-Gehen. Es umfasst die Länder des (materiellen) Staubes und die (reinen) Lotusblume.“
Mit den Ländern sind nicht Erdteile, politische Einheiten oder bestimmte Regionen gemeint, sondern die materiellen Gegebenheiten unserer Welt. Mit der Lotusblume spricht Dōgen die Ästhetik an. Beide stellen nach Nishijima Roshi allerdings nur jeweils eine bestimmte Teil-Dimension oder Lebensphilosophie dar, während das Handeln der Buddhas im Augenblick den höchsten Zustand in seiner Ganzheit verwirklicht und das Materielle sowie das Ideelle einschließt.
Dōgen fordert uns auf, über diesen Zusammenhang und diese Wahrheit immer wieder gründlich nachzudenken und sie uns anzueignen. Wir müssen über Vorstellungen hinausgehen und im Handeln alles selbst erfahren. Mit dem Denken und der Wahrnehmung lässt sich das Handeln der Buddhas nämlich nicht erfassen. Wenn wir die Wahrheit erlangen, verschwinden die üblichen Maße dieser Welt. Das extrem Große gleicht dann dem extrem Kleinen. Beim wahren Handeln ist nichts verborgen im Kosmos und in der ganzen Welt und es ist genau das Handeln der Buddhas. 

Donnerstag, 30. August 2012

Neues Buch: Erwachen und Erleuchtung im ZEN



Erwachen und Erleuchtung im Zen
Verschrotte den eigenen Käfig
Yudo J. Seggelke

Die Kernpunkte des Buddhismus und Zen sind ohne Zweifel Erwachen und Erleuchtung. Was ist aber authentisch und verlässlich und was ist fehlerhaft und führt in die Irre? Darauf gibt dieses Buch eine wirklich fundierte Antwort.
Mit diesem Buch habe ich die zentralen Texte des großen Meister Dōgen zu diesem Thema zusammengestellt und erläutert. Bisher gab es eine solche verlässliche und dabei verständliche Zusammenfassung noch nicht.
In diesem Buch wird das Erwachen und die Erleuchtung nach den Methode des Zen-Buddhismus praktisch und klar beschrieben.
Inhalt:

Der frühe Buddhismus Gautama Buddhas und Dōgens Shōbōgenzō – eine Verbindung
Die acht Wahrheiten eines wirklich großen Menschen (Hachi-dainingaku)
Erwachen und Erleuchtung
Drei Erleuchtungsgeschichten
Die große Bedeutung des Willens zur Wahrheit (Dōshin)
Die Erweckung des Wahrheits-Geistes am Beginn des Buddha-Weges (Hotsu bodaishin)
Das große Erwachen (Daigo)
Der große Schatz von Buddhas Sūtras (Bukkyō)
Die Übertragung des Buddha-Dharma von Angesicht zu Angesicht (Menju)
Die 37 Elemente des Erwachens
Nach dem Erwachen
Leben und Handeln nach dem Erlangen der Buddha-Wahrheit (Butsu kōjō no ji)
Der Alltag im Hier und Jetzt (Kajō)
Große erleuchtete Meister (Gyōji)

Wie kann man dabei am besten vorgehen, und welche Grundlagen des Zen müssen herangezogen und aufgearbeitet werden? Die Antwort lautet: Wir müssen auf die authentisch überlieferten und zuverlässig übersetzten Texte der großen Zen-Meister zurückgreifen und die Kommunikation mit einem wahren lebenden Meister suchen! Heute sind wir tatsächlich in der glücklichen Lage, Zugang zu authentischen Zen-Dokumenten zu haben: Eine umfassende, tiefgründige und absolut zuverlässige Beschreibung des chinesischen und japanischen Zen-Buddhismus bieten dabei die Werke von Meister Dōgen. Diese Einschätzung ist in der Fachwelt völlig unbestritten. Nishijima Roshi und ich möchten vor allem Dōgens Hauptwerk Shōbōgenzō hervorheben.
Der Stellenwert Dōgens für den ostasiatischen Buddhismus und für die gesamte Weltkultur der Gegenwart kann kaum überschätzt werden. Aber es ist nicht einfach, die schwierigen und miteinander vielfach vernetzten Kapitel und Themen des Shōbōgenzō für sich selbst zu erarbeiten und zu „verstehen“. Die Kapitel Meister Dōgen wurden von jeweils einzeln geschrieben, als Dharma-Reden vorgetragen und erst später zusammengestellt.
Nishijima Roshi und ich wollen daher das Shōbōgenzō für einen größeren Kreis von Interessierten in einer gut verständlichen Sprache zugänglich machen.
Den Leserinnen und Lesern wünsche wir nun viel Engagement, wenn sie diesen Band in die Hand nehmen und sich darin vertiefen. Wir sind sicher, dass es für viele ein großer Gewinn ist.

Bestellung per Internet, z. B. :


Dienstag, 21. August 2012

Der fundamentale Unterschied von Täuschung und Handeln



 Nach Dōgen wird das wahre Handeln im Alltag vollzogen, zum Beispiel wenn wir etwas holen und forttragen, oder wenn wir „ein öffentliches Tor verlassen und betreten“, sodass alle dies sehen können. Er erläutert dann, dass die ganze Welt niemals verborgen war, weil sich die Wirklichkeit sich im Handeln offenbart. Im Handeln besteht auch die Einheit der Wirklichkeit mit der buddhistischen Lehre. Es gibt beim Handeln keine philosophischen Geheimnisse und nichts Verborgenes, sondern in der Gegenwart existieren die direkte Erfahrung, das direkte Handeln und die direkte Dharma-Übertragung. Darauf folgt ein Gedicht über die Schwierigkeiten im Alltag:
„Ich gehe hinaus durch das (gedachte) Tor, nur Gras.
Ich komme herein durch das (gedachte) Tor, nur Gras.
(Handeln:) Zehntausend Meilen weit, kein bisschen Gras.“
Gras ist im Buddhismus häufig ein Symbol für Unkraut beziehungsweise die Widerstände oder Widrigkeiten des täglichen Lebens. Die ersten beiden Verse bedeuten also, dass man im Leben unter vielen Problemen leidet, vor allem wenn man eine idealistische Weltanschauung hat und das Handeln vernachlässigt. So interpretiere ich den Begriff „Tor“. Dieser Begriff wird häufig für die Erleuchtung und Befreiung im sogenannten idealistischen Buddhismus verwendet. Aber er ist dann nur ein Wort und eine Vorstellung, die sich von der Wirklichkeit entfernt hat und in der Theorie und Denken verliert.
Die dritte Zeile geht auf ein berühmtes Kōan-Gespräch zurück, das ein großer Meister am Ende des wichtigen Sommer-Retreats seinen Schülern übermittelte. Sie scheint zunächst den Aussagen der ersten beiden Zeilen zu widersprechen. Aber dieser dritte Vers drückt aus, dass durch das Handeln der Buddhas und insbesondere die Zazen-Praxis das „Unkraut“ und die Widerstände des Lebens in der bisherigen Form verschwinden. Dann gibt es das Unkraut des realitätsfernen Denkens nicht mehr
Der zweite Teil des Gedichts lautet:
„Das Wort ‚hereinkommen‘
und das Wort ‚hinausgehen‘
sind nutzlos an diesem Ort
und nutzlos an jenem Ort.“
Dōgen stellt hier das Tun in den Mittelpunkt und verdeutlicht, dass den Worten meist keine große Bedeutung zukommt. Gegenüber der Wirklichkeit des Handelns im Augenblick und an diesem Ort sind Wörter ohne großen Nutzen. Eine solche Einschätzung wird von westlichen Philosophen wohl kaum geteilt.
Dōgen erläutert, dass unser scheinbares Verstehen und Begreifen meistens nicht auf dem Handeln basieren, sondern eher mit einem Traum, einer Illusion zu vergleichen sind – oder, wie es an anderer Stelle im Shōbōgenzō heißt, mit gedachten Blumen im Raum.
Im Gegensatz zum Träumen macht man beim Handeln allerdings manchmal Fehler. Demnach unterscheiden sich Träume und Hoffnungen einerseits, denn sie erscheinen meist fehlerlos, von der Wirklichkeit anderseits, die auch Irrtümer und reale Bedingungen hat. Aber das konkrete Handeln die Unwirklichkeit soll und kann die Täuschungen des Denkens und der Illusionen aufklären.
Aber wie können wir die Fehler beim Handeln vermeiden und durch einen Lernprozess des Handelns zur befreienden Wirklichkeit gelangen? Wenn wir in Illusionen und Träumen stecken bleiben und vor der Wirklichkeit davonlaufen, sind keine Lern- und Befreiungsprozesse möglich.
Schließlich hebt Dōgen noch einmal die Fehler beim Denken und die häufig dadurch entstehende Ausweglosigkeit hervor:
„Ein Schritt vorwärts ist (beim Denken) ein Fehler, ein Schritt rückwärts ist (beim Denken) ein Fehler.
(So) ist ein Schritt ist ein Fehler und sind zwei Schritte Fehler, daher ist (solches Denken) in jedem Augenblick ein Fehler.“
Beim Träumen und bei Illusionen kann man nicht überprüfen, ob es sich um Fehler handelt oder nicht, aber die Wirklichkeit wird sich irgendwann durchsetzen und das ist der Grund, warum Idealisten so häufig enttäuscht sind im Leben. Nishijima Roshi betont, dass sie immer leiden, weil sie sich der Wirklichkeit durch ihre Träume und Ideen zu entziehen versuchen. Der Unterschied zwischen Denken und Handeln ist laut Dōgen so groß wie der zwischen Himmel und Erde. Diese Formulierung verwendet er auch im Fukan zazengi, um die Übungspraxis des Zazen von Theorien und illusionärem Denken abzugrenzen.

Montag, 13. August 2012

Die Befreiung der handelnden Buddhas




Dōgen untersucht das reine, wahre Handeln der Buddhas ganz genaun. Ein solches Handeln umfasst genauso das Ich wie das Du.
„Das wahre Handeln im Gleichgewicht, wenn es hier und jetzt als Buddha und hier und jetzt als Selbst gekommen ist, ist genau die Befreiung.“

Mit dieser Aussage bezieht sich Dōgen auf das Kapitel über das „Etwas“, das die intellektuelle Unfassbarkeit der Wirklichkeit und vor allem des Menschen behandelt, wobei das „Etwas“ in der ganzen Wirklichkeit gegenwärtig ist. Dieses Etwas ist mit dem Denken nicht fassbar, aber es ist genau die Wirklichkeit. Dōgen fordert uns auf, uns immer die Grenzen unseres Denkens vor Augen zu führen; wir sollen uns nicht durch falsche und konkretistische Vorstellungen von Ich und Du einengen. Denn wenn wir uns auf diese Weise eingrenzen, erfahren wir nicht die ganze Fülle der Wirklichkeit bei den Begegnungen mit anderen Menschen im Augenblick.

Der handelnde Buddha ist nicht von den konkreten zehn Himmelsrichtungen des Raumes und der Welt getrennt, sondern er bildet damit eine Einheit. Sein Handeln ist das verwirklichte Universum und die Befreiung.

Das Nachdenken über weit entfernte Orte, das mehr Fantasie als Wirklichkeit ist, sollten wir daher aufgeben und zum konkreten Ort zurückkehren und vor allem hier und jetzt handeln. Es geht in diesem Zusammenhang auch um allzu abstraktes Denken über unser Leben und unsere Umwelt. Die obige Aussage wird dem großen Meister Wanshi zugeschrieben, der von Tendō Nyojō und Dōgen außerordentlich geschätzt wurde und etwa 100 Jahre vor ihnen gelebt hat. Dōgen fährt dann fort:
„Wenn wir schon diesen Zustand bewahren und uns auf ihn verlassen, sind (uns) alle Dharmas, Körper, alle Handlungen und alle Buddhas vertraut und direkt.“

Das heißt, dann entfällt alles Überflüssige und es wird nichts hinzufantasiert und wir werden nicht getäuscht. Die Wirklichkeit erscheint einfach so, wie sie ist, und offenbart sich im Augenblick des Handelns. Es geht dann nur um das Handeln selbst. Durch diese scheinbare Beschränkung und Fokussierung ergibt sich gerade unsere Befreiung als direkte Erfahrung.

Dōgen spricht auch von einer Fokussierung auf die Augen und meint damit, dass wir die Dinge genau so sehen, wie sie sind, und sie nicht durch Täuschung und Illusionen verzerren sollen. Eine solche klare Wahrnehmung selbst eröffnet uns also den Blick für die Wirklichkeit, die dann unverschleiert und unverzerrt gesehen werden kann. Dies ist ein wichtiger Teil der Befreiung! Gleichzeitig erfährt man bei dieser umfassenden Wahrnehmung, welche die Dualität überschreitet, die große Einheit, sodass wir Objekte nicht getrennt und isoliert von uns erleben.