Sonntag, 28. Februar 2010

Die Siebenunddreißig Elemente des Erwachens und der Wahrheit, Teil 6.


(6) Anschließend behandelt er die aus dem Theravada bekannten sieben Glieder des Gleichgewichtszustandes der Wahrheit:

Zuerst komme es auf eine klare Entscheidung an, danach sei
Fleiß und Sorgfalt zu nennen.
Das Dritte sei die Freude und das
Vierte sei die Klärung und Ruhe, die vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass man nicht mit sich selbst oder mit der Außenwelt auf komplizierte Weise verstrickt ist.
Das Fünfte sei die Unabhängigkeit und das
Sechste das Gleichgewicht. Diese zeichnet sich nicht zuletzt durch die Intuition aus, die dem jeweiligen Augenblick vorausgeht. Als
Siebtes wird die Achtsamkeit genannt, die er auch als „Brüllen des Löwen in seiner Höhle“ bezeichnet, also die Lehren Gautama Buddhas.

(7) Ein großer Teil dieses Kapitels ist der Erläuterung des achtfachen Pfades zur Ausschaltung des Leidens gewidmet, der nach der Überlieferung von Gautama Buddha in seiner ersten Lehrrede dargelegt wurde. Das Erste ist dabei die rechte Sichtweise, die nicht zuletzt aufgrund der Entscheidung, den Buddhaweg zu gehen, entsteht. Sie wird durch das Nicht-Wissen verhindert. Die richtige Sichtweise wird in einem umfassenden Sinn verstanden und nicht nur als die Wahrnehmung durch die Sinnesorgane der Augen verstanden.
Das Zweite des Pfades ist das richtige Denken, das über die unterscheidende, einfache Denktätigkeit hinausgeht. Das Denken wird als umfassende Einheit von Körper und Geist verstanden und Dogen sagt wörtlich:
"Wenn wir das konkrete Denken erwecken, sind wir jenseits vom Selbst und überschreiten die äußere Welt. Zur gleichen Zeit gehen wir direkt nach Varanasi, indem wir genau im Augenblick der Gegenwart konkrete Tatsachen denken."

Mit Varanasi ist der Ort der ersten Lehrrede von Gautama Buddha nach seinem Erwachen gemeint. Dogen betont sowohl den gegenwärtigen Augenblick als auch die konkreten Tatsachen der Wirklichkeit, die einbezogen werden müssen. Das Dritte beim achtfachen Pfad ist die richtige Rede, die ebenfalls über isolierte verbale Äußerungen hinausgeht und den gesamten Körper-und-Geist umfasst. Sie ist für die Lehre des Buddha-Dharma selbstverständlich von großer Bedeutung.

Sonntag, 21. Februar 2010

Die Siebenunddreißig Elemente des Erwachens und der Wahrheit, Teil 5.



(4) Die fünf Wurzelkräfte.
Dogen zitiert:

"Das Erste ist das Vertrauen als Wurzel. Das Zweite ist Fleiß und Sorgfalt als Wurzel. Das Dritte ist Achtsamkeit als Wurzel. Das Vierte ist Gleichgewicht als Wurzel und das Fünfte ist Weisheit als Wurzel."
Er erläutert, dass das Vertrauen als Grundlage und Wurzel jenseits vom Selbst aber auch von anderen ist und dass es jenseits der eigenen Absichten und jenseits von Planungen ist. Es ist auch jenseits des Einflusses von außen und einer Ich-bezogenen, isolierten Eigenständigkeit. Er sagt weiter:
"Bis nicht die Bedingung der Buddhaschaft gegenwärtig ist, wird das Vertrauen nicht verwirklicht."

Das heißt, dass Dogen Vertrauen und Glauben sehr umfassend und ganzheitlich versteht und als Grundlage den Zustand des Gleichgewichtes sieht, der weder idealistisch noch materialistisch ist.
Fleiß und Sorgfalt setzt Dogen mit dem Sitzen der Zazen-Praxis gleich. Dabei kommt es vor allem auf die Ausdauer und Stetigkeit an, damit diese nicht unterbrochen wird. Die Achtsamkeit als Wurzel bezeichnet das Gleichgewicht, das keine überschießenden negativen und positiven Emotionen hat. Dogen sagt:

"Durch das geschickte Aufrechterhalten dieser Achtsamkeit als einer Wurzel, existiert die Tugend der vollkommenen Verwirklichung."

Das Gleichgewicht als eine Wurzel ist positives Verhalten und dabei besteht Klarheit über das Gesetz von Ursache und Wirkung. Es geht über das Denken hinaus benutzt es allerdings bewusst. Dogen sagt dazu: "Es springt aus dem Gehirn heraus und springt hinein."
Zur Weisheit als Wurzel zitiert Dogen Meister Nansen:

"Es ist Weisheit, die Existenz der Buddhas und der drei Zeiten nicht zu wissen, aber die Existenz von Katzen und weißen Ochsen zu wissen.“

Dieses Koan hatte nach der Überlieferung auch Dogen selbst sehr beeindruckt, als er es von seinem damaligen Meister Eisai in Japan hörte, der als Erster den Zen-Buddhismus von China nach Japan gebracht hatte. Dieses Koan unterstreicht die Hinwendung zum konkreten Hier und Jetzt ohne Bewertungen, Überhöhungen und Abwertungen. Die Wirklichkeit der konkreten Katzen und Ochsen soll von komplizierten Theorien und Fantasien über die Existenz der Buddhas und der drei Zeiten, wegführen. Rein theoretische, ausgedachte Weisheiten will Dogen damit nicht gelten lassen.

(5) Anschließend erläutert er die fünf Kräfte, die sich genauso wie die vorangegangenen Wurzeln gliedern, nämlich durch Vertrauen, Fleiß und Sorgfalt, Achtsamkeit, Gleichgewicht und Weisheit. Bei Fleiß und Sorgfalt verdeutlicht Dogen den Unterschied zwischen einer verbalen Erklärung und der Wirklichkeit selbst. Er zitiert damit einen alten Meister, der sagt, dass es weniger wert ist, einen Zusammenhang von „zehn Fuß Länge“ zu erklären, als „einen einzigen Fuß Länge“ zu praktizieren.

Das, was man praktiziert, könne man in Wirklichkeit nicht erklären und was man erklärt, also mit Worten beschreibt, könne man nicht genau so praktizieren. Bei der Beschreibung der Kraft, der Achtsamkeit, des Gleichgewichts und der Weisheit geht Dogen ebenfalls auf die Bedeutung der Wirklichkeit ein und grenzt sie von den Theorien, Spekulationen und Fantasien ab.

Samstag, 13. Februar 2010

Die Siebenunddreißig Elemente des Erwachens und der Wahrheit, Teil 4.

(3) Die vier Grundlagen der mystischen Fähigkeiten.
Dogen zitiert diese wie folgt:

"Das Erste ist der Wille als Grundlage der mystischen Fähigkeit. Das Zweite ist der Geist als Grundlage der mystischen Fähigkeit. Das Dritte ist das Vorwärtsschreiten als Basis der mystischen Fähigkeit und das Vierte ist das Denken als Grundlage der mystischen Fähigkeit."


Dogen hat in einem anderen Kapitel verdeutlicht, dass die sog. übernatürlichen Fähigkeiten der alten Legenden wenig aussagekräftig für das natürliche Leben des Buddha-Dharma sind, und als Leitbilder des Handeln im Alltag wenig taugen, wenn sie zu wörtlich und nicht als Gleichnisse verstanden werden.


Das Wunderbare seien die Natur und das Leben selbst, also die Wirklichkeit und Wahrheit, die im Zen-Buddhismus so stark hervorgehoben und von Vorstellungen, Geschichten und Legenden deutlich abgegrenzt werden. Der Wille ist maßgeblich und sei eine Fähigkeit des Körper-Geistes. Der Wille ist die Fähigkeit, ein Buddha zu werden, ohne dass man selbstsüchtige Absichten dabei hat. Dogen sagt dazu: Der Wille ist dasselbe,

"als wenn die Vögel im endlosen Himmel fliegen und die Fische im Wasser schwimmen, das bis zum Grunde klar ist."
Der Geist umfasst die ganze Wirklichkeit als mystische Fähigkeit und dazu zählt Dogen "Zäune, Mauern, Ziegel und Kiesel." Der Geist beinhaltet die "Berge, die Flüsse und die Erde."


Eine dualistische Abgrenzung von Geist und materieller Wirklichkeit ist nach Dogen nicht in der Lage, den wirklichen Geist als mystische Fähigkeit zu erfassen. Das Vorwärtsgehen als Grundlage dieser mystischen Fähigkeiten ergibt sich dadurch, dass sich in der Welt und in unserem Leben alles bewegt und vorwärtsschreitet. Dogen zitiert an dieser Stelle den berühmten Ausspruch von Daikan Enô:


"Dies ist der Ort, wo etwas Unfassbares existiert."


In der Tat muss man keine übernatürlichen Legenden bemühen, um die mystischen Kräfte des wahren Lebens zu erahnen. Jedes Handeln im Augenblick und jedes Vorwärtsschreiten im Leben kann vom Verstand niemals vollständig erfasst oder gar mit Worten beschrieben werden. Dieses Handeln selbst ist also die mystische Grundlage der Wirklichkeit.


Auch das Denken als Grundlage der mystischen Fähigkeiten wird bei Dogen über die eigentliche Gehirntätigkeit hinaus erweitert. Für ihn ist die umfassende, gegenwärtige Intuition maßgeblich, da sie die gesamte Umgebung mit einbezieht und viel leistungsfähiger ist als das unterscheidende, lineare Denken.