Freitag, 17. Dezember 2021

Mystische Kraft zum Erwachen des Buddha-Dharma der Natur


Pflaumenblüten

(Auszug, der vollständige Text erschein demnächst in "BUDDHISMUS AKTUELL")

Vor einigen Jahren haben wir ein Haus mit großem Garten in Brandenburg erworben, um dort im Einklang mit der Natur zu leben. Auf dem Grundstück standen drei knorrige Pflaumenbäume einer alten Sorte, die ohne besondere Pflege überlebt hatten. Viele Jahre waren sie weder gedüngt, noch mit Pestiziden vergiftet worden und trugen im Herbst reiche Früchte. Ich weiß noch, wie ich ihre Pflaumen zum ersten Mal aß und unvermittelt rief: „Die schmecken ja wie früher!

Wir erlebten in den letzten Jahren, wie die Menschen und besonders die Jugend immer sensibler für die Kraft und Harmonie der Natur wurden. Zum Erwachen gehört auch, dass uns heute sehr bewusst ist: Gute Nahrung ist nicht nur die Grundlage eines gesunden Immunsystems und schützt unsere Gesundheit –sie hat immer auch eine spirituelle Dimension.

Dogens großer Meister Tendo Nyojo lebte in der nördlichen chinesischen Provinz Chekiang. Von ihm ist dieses Gedicht überliefert:

„Knorrig und verwinkelt ist der alte Pflaumenbaum.

Plötzlich blüht er – eine Blüte, zwei Blüten,

drei Blüten, vier, fünf Blüten – unzählige Blüten.

Ihre Reinheit kennt keinen Stolz.

Ihr Duft kann sich nicht rühmen.

Sie öffnen sich, erschaffen den Anblick des Frühlings,

weben fächelnd durch Gräser und Bäume.

Der alte Pflaumenbaum ist unbeeindruckt, er ist frei.“

Dogen zitiert die Worte eines alten buddhistischen Meisters über die mystische und erwachte Kraft der Buddhas. Wasser schöpfen und Brennholz tragen.“ Eine verblüffende und tiefgründige Weisheit offenbart sich da, die den banalen Alltag der Unwissenheit übersteigt.

Was sagt ihr dazu?

 

Dienstag, 30. November 2021

Neue Erkenntnisse zum Erwachen mit der tiefen Weisheit des Herz-Sutra

 

Das Herz Befreiungs-Sutra des Erwachens

Was ist die tiefe Bedeutung des berühmten und weit verbreiteten Herz-Sutra, das in so vielen buddhistischen Zentren und Übertragungs-Linien auf der ganzen Welt rezitiert wird? Dort heißt es:" kein Mund, keine Nase, keine Skandhas usw.? Wird dort negiert, dass wir einen Körper haben und dass es die Weisheiten Buddhas gibt? Sicher nicht! Aber wie kann man die buddhistische Philosophie verstehen, die dem zugrunde liegt?
Nach dem DBU-Seminar zu Wirklichkeit, Leerheit und zum Herz-Sutra hier in Berlin habe ich immer wieder darüber nachgedacht und wohl einen Schlüssel zu dessen Geheimnis gefunden. Der Dalai Lama und Dogen sagen dazu, dass man das Herz-Sutra geistig verstehen kann. In diesem Sinne habe ich dazu meditiert. Meinen Schlüssel möchte ich hier mit euch teilen: 

Die buddhistische Befreiung und Erleuchtung  des Geistes, des Herzens und des ganzen Menschen kann man sinnvoll in drei Phasen gliedern.

1. Erste Phase. Zunächst führen die Menschen ein normales  gewöhnliches Leben, in dem es manche Verwirrungen, Verhärtungen und Enttäuschungen gibt. 

Daraus entstehen Leiden und Schmerzen, deren tiefere Ursachen aber nicht bewusst sind. Das ist die Verhärtung und Verkopfung des Herzens, Körpers und des Geistes. Dan ist das Verständnis der Wirklichkeit des eigenen Selbst und des soziale Zusammen-Lebens ungenau oder verhärtet und oft von naivem oder verkrampften Ich-Bezug geprägt. Dann sind die eigenen Augen keine wahren Augen und der Mund ist kein wahrer Mund usw., ohne dass man das durchschaut. In der Wirklichkeit lebt man in einer verhärteten und verengten Scheinwelt von sich selbst und macht viele vermeidbare Fehler. 

2. Zweite Phase. Dann kommt man mit der tiefen Weisheit des Buddhismus in Berührung, praktiziert und lernt andere Menschen in einer buddhistischen Gruppe kennen und schätzen. Dann vergisst man seine bisherigen Augen usw., wie es auch bei Dogen heißt. Manches erscheint einem zunächst widersinnig oder unverständlich. Die neuen Augen usw., sind dann noch nicht Wirklichkeit. Aber irgendwie werden die eigenen Ängste, Unsicherheiten und Unklarheiten des Lebens geringer, besonders beim gemeinsamen Rezitieren. Das wird im Herz-Sutras ausführlich behandelt. Das bisherige Weltbild beginnt sich umzudrehen und der verhärtete Herz-Geist  fängt an sich aufzulösen. Dann verlieren die alten Augen und das alte Sehen ihre unwahre und verhärtete Selbstverständlichkeit. Aber man hat die neuen Augen noch nicht verwirklich. Wie im Herz-Sutra: man hat dann gar keine Augen und kann eigentlich nicht sehen, usw.. 

Aber man hat noch keine neuen wirklichen Klarheiten und noch keine neue heilsame Richtung des Herz-Geistes. Der Mund und das Reden sind nicht wie bisher der unwahre alte Mund, also kein Mund, und das unwahre Reden also kein Reden usw.. Genau diese zweite Phase beschreibt das Herz-Sutra im einzelnen für unseren Körper, Geist, das Herz, für die Welt und sogar für die Vier Edlen Wahrheiten. Sie enthält aber schon den Samen und die Ahnung für die dritte Phase und gibt uns berechtigte Hoffnungen. Die falschen Wirklichkeiten, also kein wahrer Mund usw., werden erkannt und erfahren, sie können dann überwunden werden! Dogen sagt dazu: Dann sind die Berge keine Berge und die Flüsse sind keine Flüsse.

In dieser Phase gibt es also weder den falschen unwahren alten Körper und Geist der ersten Phase noch den wahren befreiten neuen Körper und Herz-Geist der dritten Phase. Das wird im Herz-Sutra kein Körper und Geist genannt. Aber es gibt schon heilsame Erfahrungen und Erkenntnisse und es gibt erfülltes Handeln im flow des Alltags.

3. Die dritte Phase ist die Befreiung von den bisherigen Fesseln, Unklarheiten, Verkrampfungen und Leiden des Körpers, Geistes und Herzens. 

Es ist die Befreiung zur wahren Wirklichkeit und der Leerheit von Verblendungen, Verhärtungen und falschen Ideologien der Wirklichkeit. Dann versteht und lebt man die Leerheit wirklich, hat sie also integriert und realisiert, sie ist nicht mehr abstrakte Philosophie. In der Meditation der Vierten Vertiefung kann man nach meiner Erfahrung dieses Gefühl der Unendlichkeit, Grenzenlosigkeit und Offenheit direkt intuitiv erleben. Man erkennt ohne Intellekt, dass in den Phänomenen keine unveränderliche isolierte Substanz enthalten ist. Denn das wäre schlicht und einfach eine Pseudo-Substanz. Ein solches Erleben ist leer von den drei Giften Gier, Hass und Verblendung, also ohne Ich-Verkrampfung und Ich-Zentrierung. Dann gibt es auch im Alltag wirklich Augen, Sehen, Mund, Hören, die Komponenten des Menschen, die Skandhas, die Vier Edlen Wahrheiten Buddhas usw.. Das ist die Befreiung und die Verwirklichung von Körper-und-Geist des Herz-Sutra. 

Dann gibt es keine Sorgen und Ängste, wie es heißt: "Vollständig hinüber gegangen. Para samgate!", nämlich von der zweiten zur dritten Phase. Buddha und Nagarjuna verstehen und erfahren diese lebende Wirklichkeit als "gemeinsames Entstehen in Wechselwirkung". Und ich möchte hinzufügen die lebendige Befreiung von Körper, Geist und Herz. Dann gibt es keine verzerrten Extreme und unveränderlichen Verhärtungen. Das wären nach Nagarjunas Mittlerem Weg nur Pseudo-Substanzen und falsche Essenzen des Lebens ohne Wert. Und das wäre ein Rückfall in die erste Phase. Es wären Täuschungen und Fallen, die zum Leiden führen. Vor allem würde die Ego-Falle wieder zuschnappen.  Aber in der dritten Befreiungs-Phase ist all dies gerade überwunden und zur Ruhe gekommen: Ganz hinüber gegangen und befreit: para samgate !

Das Herz-Sutra beschreibt also die zweite und dritte Phase der Befreiung von Geist, Körper und Herz des Menschen, also des Bodhisattvas mit Herz und Hand. Die erste Phase sollte man dabei ergänzen.

Meister Dogen sagt ähnliches:

„Buddhas Wahrheit zu erlernen ist, uns selbst zu erlernen. Uns selbst zu erlernen, ist uns zu vergessen (kein wahrer Mund usw.). Uns zu vergessen, ist von den vielen Dingen und Phänomenen, Dharmas, erfahren zu werden (sich und seinen Geist zu öffnen). Von den vielen Dharmas erfahren zu werden, ist unseren eigenen (alten) Körper und Geist fallen lassen.“ Also in der Meditation alles loslassen.

Oder wie es beim ihm auch heißt: Dann sind die Berge wirkliche Berge und die Flüsse sind wirkliche Flüsse: Vom Schein über die Leerheit zur Wirklichkeit. Wir müssen uns also auf dem Buddha-Weg von vorgefassten und verengten Gedanken, Vorstellungen und Ideologien der ersten Phase befreien. Dann kommen wir zur zweiten und danach zur dritten Phase des Menschen: befreit für eine neue Entwicklung der Wirklichkeit, Offenheit und tiefen Wahrheit. Dabei ist die rechte Meditation von großer heilsamer Wirkung. Nishijima Roshi sagte häufig:  Meditation ist genau Tun und Handeln.

Samstag, 13. November 2021

Herz-Sutra auf den DBU-Seminar

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Buddhismus,

auf dem DBU Seminar vom 19.11. bis 21.11. 2021 in Berlin wollen wir das berühmte und so oft missverstandene Herz Sutra genauer untersuchen. 

Die Kern Aussage des Herz Sutra ist nach meinem Verständnis: Wir müssen regelmäßig in der Meditation aus dem Druck des Ichs im Alltag aussteigen, den Ehrgeiz des Ich fallen lassen genauso wie die Angst und Verzweiflung des Ich: Also für die Dauer der Meditation und Rezitation Körper und Geist einfach fallen lassen, . Danach kann man wieder in den Alltag einsteigen und weiß mit neuer Klarheit, worauf es ankommt und worauf nicht. Der Druck des Ich hat oft auch unsere Körperteile fest im Griff, also Mund, Nase, Auges usw. Daher: Körper und Geist fallen lassen! Aber es gibt auch den unnützen Druck, mit Gewalt erleuchtet zu werden und die buddhistische Lehre perfekt zu beherrschen. Das alles in der Meditation zur Ruhe kommen lassen! Das schafft neue Freiheit und führt uns zum Wesentlichen! 

Leben ist Gleichgewicht und Ruhe in der vernetzten Welt. Ohne Vernetzung und Wechselwirkung gibt es kein Leben. Und bitte keine Erstarrung durch Dogmen und Verblendungen, wie Buddha sagte, das führt zum Leiden. Wer die Vernetzung ignoriert, kommt in die Krise, genau wie unser Klima auf unserem Planeten. Wer das vernetzte Gleichgewicht seines wahren Selbst verliert, kommt in katastrophale Extreme. Auch das hat Buddha schon gesagt. Dieses wahre Selbst ist viel größer als der kleine fixierte âtman, es ist ohne Grenzen, also Freiheit und Freude. Es ist das verwirklichte Universum, wie Meister Dogen sagt.

Die Faszination des Herz-Sutra geht über die intellektuelle Bedeutung des Textes weit hinaus: Das gemeinsame Singen lässt den Druck des Ego zur Ruhe kommen und vermindert nachhaltig die Lebensangst, also Kummer, Jammer, Klage und Verzweiflung nach Buddha. Dann gibt es eine spirituelle, mystische Offenheit und Freiheit, also wirkungsvolle Meditation: Körper und Geist fallen lassen. Oder wie bei der wunderbaren Musik der Bambus-Flöte zur Leerheit, die voller Freude, Tiefe und fließender Klarheit sind. Dieses Fließen ist mit dem Verstand nicht zu erschöpfen, aber es ist klar zu erleben: wirklich, in tiefer Ruhe und Freude. Das ist Wirklichkeit und Wahrheit auch unseres aktiven Lebens an jedem Tag.

Das gibt innerer Gelassenheit, Stabilität und Kraft zur Meisterung gerade der Corona Krise. Denn Stillstand, Erstarrung, Nihilismus und der Glaube an Unveränderlichkeit behindern Dich und Dein wahres Leben ganz massiv. Sie machen Dich unsicher, ängstlich und abhängig. Das gilt leider auch für einen naiven Idealismus. 

Also ganz kurz: Die Welt ist wunderbare, gemeinsame und lebendige Wechselwirkung von uns selbst und mit der Natur, wenn der Druck des Ego zur Ruhe kommt und sich auflöst. Dann gibt es ein mystisch klares Gleichgewicht und offenes Leben. Ohne eine gesunde lebendige Natur und gute Wechselwirkung in der Gesellschaft können wir nicht sinnvoll leben.

Uns bewegt die Frage: Warum geht von dem Herz Sutra eine sehr große Faszination aus? Welche tiefen Wahrheiten sind in diesem kurzen Text verborgen aber außerordentlich wirksam? Dazu habe ich eine neue Fassung geschrieben, die sich eng an den Ur Text in Sanskrit anlehnt. Ihr könnt das Sutra als Entwurf unten anklicken. Die Kern-Aussage ist nach meinem Verständnis: Die Wahrheit des Lebens umfasst Meditation, Handeln, Veränderung und sich Entwickeln.  Das gibt innerer Ruhe, Stabilität und Kraft zur Meisterung gerade der Corona Krise. Stillstand und Unveränderlichkeit behindern massiv, sind Stress und verhindern dein wahres Leben. Und sie machen  Dich abhängig und manipulierbar. Oder ganz kurz: Die Welt ist wunderbare lebendige Wechselwirkung von uns mit der Natur. Darin gibt es wunderbare Gleichgewichte und offene Lebensformen für dich. Ohne eine gesunde lebendige Natur können wir nicht sinnvoll leben.

Außerdem wird ein preisgekrönter Film zum Zen und Bogen-Schießen auf La Gomera und in Berlin gezeigt. Er hat allein im Geburtsland Buddhas, also Indien, fünf erste Preise ( 5 Awards) auf den dortigen Film-Festivals bekommen. Im Netz ist der Film leider noch nicht verfügbar.


Im Rahmen des Seminars werde ich außerdem zum

Frühen Buddhismus, Mittleren Weg und ZEN

vortragen und mit Euch diskutieren. Dazu möchte ich Euch herzlich einladen.

Der bekannten buddhistische Lehrer und Autor Jürgen Manshardt wird den tibetischen Buddhismus, Mahayana und das Diamant-Sutra übernehmen.

Wir werden versuchen, Euch einen spannenden und guten Überblick dieser wichtigen Traditionen und deren neuen Entwicklungen zu geben.

Mein Freund und Lehrer, Dietmar Herriger, wird mit der japanische Bambus-Flöte auf ganz besondere Weise die Wirklichkeit und Leerheit demonstrieren!

Die Einzelheiten: Siehe unten. Dort kannst Du dich auch anmelden. Nicht verpassen!

 

Mit herzlichen Grüßen

Yudo Seggelke

Übersetzung aus dem Ur-Text

Weiter lesen: Meister Dogens Herz-Sutra


 

DBU-Seminar zu Wirklichkeit, Leerheit und Erleuchtung in Berlin

Besonderes Merkmal des DBU Studienprogramms ist es, daß es traditionsübergreifend arbeitet und immer zwei Referenten aus verschiedenen Traditionen zusammen lehren. Diesmal geht es um die Leerheit oder auch die Frage, was ist Wirklichkeit? Wenn man buddhistische Lehre verstehen will, ist diese Frage ganz zentral. Die Antwort drauf enthält bereits einen Schlüssel für die Möglichkeit überhaupt von Transformation.

Unser Erleben von Wirklichkeit dient uns als Grundlage für unsere Entscheidungen. Damit ist das Analysieren von Wirklichkeit alles andere als eine theoretische Spielerei, die fern vom unserem täglichen Leben ist, sondern das, was wir für Wirklichkeit halten, beeinflußt unser Handeln. Doch dürfen wir das glauben, was wir denken oder was uns so oft als Realität scheint?

Psychologen, Philosophen und jetzt sogar die moderne Naturwissenschaft ziehen uns oft den vermeintlichen sicheren Boden , der uns Orientierung gibt, unter den Füßen weg. Von den Projektionen in der Psychologie bis hin zu der Erkenntnis, dass selbst Materie nichts zuverlässiges mehr zu sein scheint.

Eine enttäuschende Nachricht, daß wir uns noch nicht einmal mehr auf unser Erleben von Wirklichkeit verlassen können? Der Buddhismus sagt keineswegs. Auf unsere Konzepte und die fabrizierte Wirklichkeit können wir uns zwar nicht verlassen, aber es gibt auch eine pure, unmittelbare Wirklichkeit, mit der wir in Kontakt treten können. Wenn Dinge nur in Wechselseitigkeit, wie der Buddhismus behauptet, ohne eigenständige, solide Existenz existieren, birgt das viele Chancen, ja sogar die Möglichkeit der Befreiung von Leid. Die beiden sehr erfahrenen Referenten Jürgen Manshardt, tibetischer Buddhismus, und Yudo Seggelke, Zen, möchten uns auf eine spannende Forschungsreise und Entdeckung mitnehmen.

Yudo nimmt uns mit in die Erfahrung mit seiner Zen Flöte und dem Bogenschießen und Jürgen erläutert uns das tibetische Verständnis.

Auch wenn sich die buddhistischen Traditionen in den Grundlagen einig sind, haben sie doch oft  unterschiedliche Zugängen und leuchten so die Themen aus verschiedenen Perspektiven aus. Gerade für das Verständnis und die Erfahrung von Leerheit ist dies besonders hilfreich.

Das Team aus Referenten und Koordinatorin hatte schon im Vorfeld spannende Gespräche und Yudo  läßt uns in seinem Blog schon mal ein reinschnuppern. All das verspricht ein richtig spannendes Programm zu werden.

Teilnehmen kann man vor Ort im Bodhicharya in Berlin oder auch Online von zuhause aus.

Weitere Infos, Programmablauf und Anmeldung über die DBU Webseite. 

 

Sonntag, 31. Oktober 2021

 DBU-Seminar zu Wirklichkeit, Leerheit und Erleuchtung vom 19.11. bis 21.11. 2021 in Berlin


Liebe Freundinnen und Freunde des Buddhismus

 Im Rahmen des Seminars der Deutschen Buddhistischen Union werde ich zum Frühen Buddhismus, Mittleren Weg und ZEN vortragen und mit Euch diskutieren. Dazu möchte ich Euch herzlich einladen.

Der bekannte buddhistische Lehrer Jürgen Manshardt wird zum tibetischen Buddhismus und Mahayana vortragen.

Wir werden versuchen, Euch einen spannenden und guten Überblick zu diesen wichtigen buddhistischen Traditionen geben. Dabei soll die Praxis Eures normalen Lebens im Vordergrund stehen. Wir werden auch neue buddhistische Erkenntnisse und Verbindungen zur Gehirnforschung einbauen.

Ein Freund und ich werden die Leerheit mit der japanische Bambusflöte und dem japanischen Bogenschießen auf ganz besondere Weise demonstrieren!

Die Einzelheiten: Siehe unten

 Mit herzlichen Grüßen

Yudo Seggelke

 

 


Besonderes Merkmal des DBU Studienprogramms ist es, daß es traditionsübergreifend arbeitet und immer zwei Referenten aus verschiedenen Traditionen zusammen lehren. Diesmal geht es um die Leerheit oder auch die Frage, was ist Wirklichkeit? Wenn man buddhistische Lehre verstehen will, ist diese Frage ganz zentral. Die Antwort drauf enthält bereits einen Schlüssel für die Möglichkeit überhaupt von Transformation.

Unser Erleben von Wirklichkeit dient uns als Grundlage für unsere Entscheidungen. Damit ist das Analysieren von Wirklichkeit alles andere als eine theoretische Spielerei, die fern vom unserem täglichen Leben ist, sondern das, was wir für Wirklichkeit halten, beeinflußt unser Handeln. Doch dürfen wir das glauben, was wir denken oder was uns so oft als Realität scheint?

Psychologen, Philosophen und jetzt sogar die moderne Naturwissenschaft ziehen uns oft den vermeintlichen sicheren Boden , der uns Orientierung gibt, unter den Füßen weg. Von den Projektionen in der Psychologie bis hin zu der Erkenntnis, daß selbst Materie nichts zuverlässiges mehr zu sein scheint.

Eine enttäuschende Nachricht, daß wir uns noch nicht einmal mehr auf unser Erleben von Wirklichkeit verlassen können? Der Buddhismus sagt keineswegs. Auf unsere Konzepte und die fabrizierte Wirklichkeit können wir uns zwar nicht verlassen, aber es gibt auch eine pure, unmittelbare Wirklichkeit, mit der wir in Kontakt treten können. Wenn Dinge nur in Wechselseitigkeit, wie der Buddhismus behauptet, ohne eigenständige, solide Existenz existieren, birgt das viele Chancen, ja sogar die Möglichkeit der Befreiung von Leid. Die beiden sehr erfahrenen Referenten Jürgen Manshardt, tibetischer Buddhismus, und Yudo Seggelke, Zen, möchten uns auf eine spannende Forschungsreise und Entdeckung mitnehmen.

Yudo nimmt uns mit in die Erfahrung mit seiner Zen Flöte und dem Bogenschießen und Jürgen erläutert uns das tibetische Verständnis.

Auch wenn sich die buddhistischen Traditionen in den Grundlagen einig sind, haben sie doch oft  unterschiedliche Zugängen und leuchten so die Themen aus verschiedenen Perspektiven aus. Gerade für das Verständnis und die Erfahrung von Leerheit ist dies besonders hilfreich.

Das Team aus Referenten und Koordinatorin hatte schon im Vorfeld spannende Gespräche und Yudo  läßt uns in seinem Blog schon mal ein reinschnuppern. All das verspricht ein richtig spannendes Programm zu werden.

Teilnehmen kann man vor Ort im Bodhicharya in Berlin oder auch Online von zuhause aus.

Weitere Infos, Programmablauf und Anmeldung über die DBU Webseite. 

 

Sonntag, 24. Oktober 2021

Mystik des Feuers: Die Buddhas handeln in der Flamme



 




Dōgen untersucht ein tiefes  geradezu mystisches Koān-Gespräch: Der große Meister Seppō sagt:

„Die Buddhas der drei Zeiten sind in der Flamme und drehen handelnd das große Dharma-Rad“.

Sein Schüler Meister Gensa nickt zustimmend und fügt hinzu:

„Die lebende Flamme lehrt die Dharma-Wahrheit der Welt für die Buddhas der drei Zeiten. Und die Buddhas der drei Zeiten stehen auf dem Grund und hören den Dharma (in der Flamme.)“

Was haben diese geheimnisvollen Aussagen des Koâns mit der wunderbaren Dharma-Lehre und dem wahren, reinen Handeln zu tun? Was ist überhaupt damit gemeint, dass die Buddhas in der Flamme sind und handeln?

Ist es ist nicht überhaupt respektlos, Buddha mit einer Flamme zu vergleichen und sogar zu behaupten, dass die Buddhas der Flamme als Dharma-Lehre zuhören? Warum wird die Flamme als Gleichnis für den Dharma und damit für die Wirklichkeit und Wahrheit des Handelns verwendet? Und diese beiden großen buddhistischen Meister lebten in der Blütezeit des Buddhismus in China. Sie redeten sicher keinen Blödsinn und waren keine Anfänger.

Einige Erläuterungen dazu: Die Flamme und Buddha sind nicht zu trennen, das ist gemeinsames Leben und gemeinsame Kraft. Das ist lebende Wechselwirkung, so ist die Wirklichkeit der Welt und des Lebens! Im dauernden Veränderungsprozess verwirklicht sich der Dharma oder, wie es im Buddhismus häufig heißt, dreht sich das Dharma-Rad. Es hat also überhaupt keinen Sinn, etwas festhalten zu wollen und es als dauerhaftes Ding, statische Sache oder ewige Pseudo-Substanz zu verstehen. 
Das hat keine Kraft und kein Leben. Das wären nur bedeutungslose Glasperlen der Intellektuellen. Davon gibt es schon genug, sogar im Buddhismus. Davon können wir unser Leiden nicht verringern und überwinden. Denn wir brauchen Energie und Handeln. Das wird uns durch das Feuer und die Flammen klar. Wir wollen uns doch entgiften und entleeren von den Giften Gier, Hass und Verblendung. Das Leben oder das Dharma-Rad drehen sich wie das Handeln des Alltags bei normalen und erwachten Menschen. Und umgekehrt: Wer die Wirklichkeit leugnet und in die Flammen greift, wird sofort schmerzlich lernen, dass Ideologien und Flammen nicht das selbe sind. Ähnlich geht es den Nihilisten, die meinen, es gibt überhaupt keine Flammen. Das lehren uns die Flammen und Buddhas!

Bei Meister Gensa stehen die Buddhas auf der Erde und hören die große Dharma Lehre. Sie hören achtungsvoll zu und tun dies ohne Ablenkung und Eigennutz. Sie geben in Klarheit und Reinheit das große Gesetz der Welt wieder. Dadurch befreien sich die Menschen zur Wirklichkeit und Wahrheit. Denkt dran: Buddhas treffende Beschreibung unserer Wirklichkeit ist: "Gemeinsames Entstehen in Wechselwirkung". 

Bitte anklicken

Die richtige
Meditation ist für den Befreiungsprozess unerlässlich und wird nach Dōgen im Zazen verwirklicht.

Die Aussagen von Meister, Seppō und Gensa entwickeln sicher auch bei dir große Tiefenschärfe und spirituelle, poetische Kraft. Die Flammen sind zweifellos auch Symbol der Reinheit und der Wärme. Ich nenne das die Feuer-Meditation. Das heißt, dass wahres Handeln nicht von Ehrgeiz und Mutwillen angetrieben wird, sondern dass es auch um das Geschehen-Lassen geht, das sich ereignet. Das betont Dogen in aller Klarheit. Besonders in der heutigen Zeit sollten wir uns vor Hetze, Aktionismus und digitaler Verblödung schützen.

Übrigens bin ich überzeugt, dass wir Menschen eine genetische Bindung zum Feuer haben, die durch die menschliche Evolution ganz gut erklärbar ist. Oder wie der Gehirnforschen Manfred Spitzer wohl sagen würde: Von denen, die das Feuer nicht beherrschten und nicht nutzen konnten, stammen wir nicht ab.

Handeln und Flammen vertiefen

 

Sonntag, 17. Oktober 2021

Buddhismus und Gehirnforschung(1): Bewegung und Handeln macht dich glücklich

Gehmeditation in der Natur

Der berühmte Gehirnforscher Prof. Spitzer schreibt seinem neuen kleinen Buch über Glück: " Positive emotionale Erlebnisse und Bewegung sind ganz eng miteinander verknüpft". Beides liegt im Gehirn nahe bei einander und ist daher besonders eng vernetzt. Deshalb ist Bewegung mit Freude und Glück verknüpft:

 "Wenn wir uns bewegen, und zwar mit Spaß bewegen und am besten in der Gemeinschaft bewegen, dann macht uns das glücklich. Immer wieder, immer wieder." Das klingt doch wirklich einfach. Also beides machen: Gehmeditation, Bewegung und Meditation.

Es ist kein Geheimnis, dass wir uns in der modernen Zivilisation viel zu wenig bewegen. Das führt nicht nur zu Übergewicht und Problemen mit der Gesundheit sondern auch zu schlechter Stimmung und negativem Lebensgefühl. Wir sind dann häufiger schlecht drauf und reagieren negativ, wenn etwas nicht so läuft, wie wir es erwarten. Wir ärgern uns dann häufiger und das ist eines der drei buddhistischen Gifte! Das können wir aber selbst aktiv ändern.

Buddha spricht vom "gemeinsamem Entstehen in Wechselwirkung", also vernetzt mit anderen etwas machen und sich körperlich bewegen. Das ist ein fundamental wichtiger Schlüssel zu einem gelungenen Leben und im Zen gut entwickelt. Tai Chi und Qigong sind natürlich besonders wirkungsvoll: Glück durch Bewegung. Aber beim japanischen Bogenschießen kannst du zum Beispiel wirklich Glückswellen erleben, die oft tagelang anhalten und dich tiefergreifend verändern.

Wusstest Du, dass Buddha immer von einem Ort zum anderen wanderte, um zu lehren und die Menschen therapeutisch zu unterstützen? Er hat also Bewegung, Meditation und Bodhisattva-Handeln optimal verbunden. Und der große Meister Nagarjuna hat in seinem fulminanten Werk zum Mittleren Weg und zur Leerheit das zweite Grundlagen-Kapitel dem Gehen und der Bewegung gewidmet. Das wird aus meiner Sicht bisher viel zu wenig beachtet!

Wir sollten uns mehrmals im Monat richtig und ausgiebig bewegen, am besten zusammen mit anderen und in der Natur.

Sport ist natürlich besonders gut. Aber nicht unbedingt mit Leistungs-Ehrgeiz, sondern wegen des gemeinsamen Glücks! Dann wirst du nicht durch Einsamkeit krank.

Freitag, 8. Oktober 2021

Das hohe natürliche Leben der Erwachten: Auch für Dich

 

Mein Lehrer Nishijima Roshi fasste das Wichtigste dieses großartigen Kapitels des Zen-Meisters Dôgen in unserem Gespräch so zusammen: „Nachdem wir die Wahrheit erlangt haben, wird unser Leben und Handeln insgesamt besser. Die Anstrengung der buddhistischen Praxis muss weitergehen, und alles in unserem Leben bewegt sich.“[i]

Bei der Erleuchtung und beim Erwachen handelt es sich ja nicht um einen statischen Zustand. Ein Buddha oder Erwachter setzt seine buddhistische Praxis selbstverständlich fort. Dôgen erklärt, dass er dabei die Klarheit hat, dass dies der natürliche Zustand und er damit Buddha ist. Nach dem Erlangen der Wahrheit leben Erwachte weiter ihr Leben wie bisher, und ein Außenstehender erkennt kaum den tiefgreifenden Unterschied gegenüber früher.

Solche erwachten Menschen fallen niemals durch heiliges Getue oder die Selbstdarstellung mit ihrer Erleuchtung auf. Sie sind bescheiden, liebevoll auf andere Menschen bezogen und leben vollständig im Augenblick und in der Realität dieser Welt. Sie haben ein umfassendes Mitgefühl, können sich mit anderen aufrichtig freuen und leben in Gleichmut.[ii] Für mich war Nishijima Roshi genau ein solcher Mensch.

Das Leben nach dem Erwachen ist also kein grundsätzlich anderes Leben und Handeln. Es gibt keinen fundamentalen „Urknall“, welcher der Beginn eines paradiesischen Lebens ist, das dann bis zum Tode ohne weitere Anstrengung und Praxis anhalten und vielleicht sogar darüber hinausgehen würde.

Nishijima Roshi formuliert dies in Zen-buddhistischer Weise recht drastisch: „Die gewöhnlichen Menschen erfreuen sich daran, lieber Bilder oder Idole (in die Welt) zu setzen, die sie verehren können, als mit ihrer eigenen Praxis voranzukommen, die manchmal zu langweilig und durchschnittlich erscheinen mag.“ Und über ein hilfreiches Kôan, das mit derartigen romantischen Illusionen aufräumt, sagt er: „Diese Kôan-Geschichte ist ein Eimer frischen kalten Wassers für jene, die von einer romantischen Sicht des Zen berauscht sind.“ Damit ist treffend auch der Inhalt dieses zentralen Kapitel des Shôbôgenzô zum Thema Leben nach dem Erwachen beschrieben.

Vertiefen und weiter lesen


[i] Gespräch am 24. August 2010 in Tokyo

[ii] vgl. z. B. Kolk, Sylvia (Hrsg.): Meditationstexte des Pali-Buddhismus III

Freitag, 24. September 2021

Deine wirklichen Stimmen des Tales und deine wirkliche Form der Berge

 Bitte anklicken zum Vergrößern              

Wie können wir in der Natur zur nachhaltigen Freiheit und zum eigenen Glück kommen? Antwort: Die höchste Lebensphilosophie des Erwachens im Buddha-Dharma eröffnet den Weg. Das ergibt eine ganz neue Dimension und ungeahnte Tiefenschärfe für das Verständnis und Erleben der Schönheit und Kraft der Natur. Erst dann ist die Natur wirklich die Natur. Dann sind die Berge wirkliche Berge und die Flüsse wirkliche Flüsse, wie Dôgen sagt. Die Natur ist das umfassende Ganze und voller wunderbarer Einzelheiten. Wer in der Natur erwacht, fällt nicht zurück, wie es im Zen heißt.

Wir sind nicht von der Natur getrennt, sondern immer in lebendiger Wechselwirkung mit ihr. Nagarjuna sagt zum Weg der Mitte über die Natur: Die Wirklichkeit ist das gemeinsame Entstehen in Wechselwirkung. Darum dürfen wir die Natur nicht missbrauchen, denn dann missbrauchen wir uns selbst. wenn wir von der Natur getrennt sind, gibt es keine Wirklichkeit, sondern nur Spekulationen, schwankende Meinungen und Verblendungen.

Die in den Tälern fließenden Bäche und Flüsse werden von Dôgen als die Zungen Buddhas bezeichnet, die unaufhaltsam den wahren Dharma lehren. Denn die Flüsse und Bäche stehen niemals still. Die Form der Berge gleicht dem Körper Buddhas, der vor allem durch Reinheit und Frieden gekennzeichnet ist. Man könnte die Natur von Wasser, Erde, Feuer und Luft nur aus der materiellen Sicht und nach der äußeren Form verstehen und beschreiben. Aber das ist nur die ärmliche Dimension des Materialismus und diese ist einseitig und beschränkt. Wer die Natur nur ausbeuten will, beutet langfristig sich selbst aus. Ob er das nun weiß oder nicht. Die Wirklichkeit der Natur ist mehr als Meinungen, Gerede und Verdächtigungen. Wenn man ihre Vernetzung und ihre Gleichgewichte zerstört, wird man selbst von ihr in Wechselwirkung zerstört. Der Glaube an den Dualismus des Ich als großartiges Subjekt und der Natur als abhängiges Objekt ist ein verhängnisvoller Irrtum.

Dôgen macht deutlich, dass eine solche materialistische Sichtweise nicht die Wahrheit der buddhistischen Lehre treffen kann und nur eine ärmliche Teilwahrheit ist und bleibt. Die wirklich verstandene und erlebte  Natur geht weit über ihre stoffliche und materielle Dimension hinaus. Sie ist eine wunderbare Komposition der Wirklichkeit und kann den Menschen in seinem tiefsten Innern erfassen, aufschließen und beglücken. Ich kenne keinen Menschen, der sich nicht von der Schönheit der Natur anrühren lässt. Meine eigenen  Naturerlebnisse in der Sahara, in den Hoch-Alpen und im Sturm der Biskaya haben mich nachhaltig geprägt. Seitdem bin ich als normaler und abhängiger Konsument nicht mehr tauglich. So aktiv verstehe ich das Speicher-Wissen nach Vasubandhu im Yogacara. Es müssen nicht immer extreme Landschaften sein: Unsere Naturerlebnisse sind zu allen Jahreszeiten und an allen Orten lebenswichtig. Wir leiden, wenn die Schönheit und Klarheit der Natur durch materielle Gier zerstört wird.

Im alten China und Japan war die Verbundenheit oder, besser gesagt, die lebende Einheit mit der Natur fundamental für das Leben der Menschen. Es war unauflösbar mit den empfindenden Wesen, also den Tieren, und den nicht empfindenden Lebewesen wie Kiefern, Bambus oder Chrysanthemen und den vielen Pflanzen verschmolzen. Daher war der Bambus in seiner Direktheit und Natur heilig. Dies alles wird im Buddha-Dharma als Harmonie und natürliches Gesetz des Universums erlebt, erfahren und verstanden.

Dôgen zitiert eine berühmte Zen-Geschichte:

„Ein Mönch fragte Zen-Meister Chosa[i]: ‚Wie können wir die Berge, Flüsse und die Erde dazu bringen, dass sie zu uns gehören?‘

Der Meister sagte: ‚Wie können wir uns selbst dazu bringen, dass wir zu den Bergen, Flüssen und der Erde gehören?‘“

Die Frage des Mönchs geht von seinem abgegrenzten Ego aus und versteht das Erwachen fälschlich so, dass man sich die Berge, Flüsse und die Erde aneignet. Dann würden sie uns wie Objekte gehören. Wir wollen dann die Natur besitzen, beherrschen oder ausbeuten. Wir wollen sie uns gewissermaßen einverleiben. Aber das ist keine lebendige Wechselwirkung. Der Meister dreht diese Aussage um. Denn die Natur kann heilsam auf uns einwirken. Er sagt, dass wir uns selbst verändern müssen, wenn wir auf dem Buddha-Weg die notwendigen Lernprozesse verwirklichen . Dann erfahren wir die lebendige unzerstörbare Einheit mit den Bergen, Flüssen und der Erde.

Schließlich fasst Dôgen zusammen: Wer in der Natur das große Erwachen erfährt, fällt nicht zurück. Warum? Die Natur lügt nicht, macht uns nichts vor, gibt nicht an, will nichts von uns, macht keine leeren Versprechen und verkündet keine aufgeblasen Pseudo-Wahrheiten und sie ist leer von verführerischen  Ideologien und erstarrten Dogmen. Die Natur kann uns genau von diesen unheilsamen Verirrungen und Extremen heilen. Sie ist wie sie ist und sie wirkt wie sie wirkt!

Weiter lesen und vertiefen



[i]          Meister Chosa Keishin starb 868 und war Dharma-Nachfolger von Meister Nansen.

Montag, 13. September 2021

Empathie, Befreiung und Leerheit sind im Buddhismus keine Gegensätze

 

Die wahre Wirklichkeit ist nach Buddha leer von den drei Giften Gier, Hass und Verblendung. Was ist nun Verblendung? Antwort: Vor Allem der falsche Glaube, dass es im Menschen und den Phänomenen einen ewigen und unveränderlichen Substanz-Kern gibt. Aber das ist der falsche Glaube an eine Pseudo-Substanz, die es gar nicht gibt. Es würde nämlich bedeuten, dass gerade unser Leiden, also ein Phänomen, und unsere anderen Probleme unveränderlich und substanzhaft seien und wir sie niemals überwinden könnten. Das wäre wirklich eine schlimme und finstere Welt, in der wir leben müssten. Aber zum Glück ist unsere Wirklichkeit anders beschaffen. Buddha erkannte das in aller Klarheit und fasste es in den Vier Edlen Wahrheiten zur Überwindung von Leiden und Schmerzen zusammen. Den Achtfachen Pfad beschreibt er dabei präzis als praktische Realisierung.

Dadurch können wir Plagen und Leiden überwinden und uns in Freiheit und Glück entfalten. Denn wie gesagt: Leiden kann von uns überwunden werden, weil es keine unveränderliche Pseudo-Substanz ist. Die Kernlehre des Buddhismus ist das gemeinsame Entstehen in Wechselwirkung. Und Entstehen ist ja das Gegenteil von ewiger Unveränderlichkeit. Wir haben wirklich Grund zum Optimismus, weil wir geistig und psychisch wachsen können. Wir können uns nachhaltig zum Besseren transformieren!

Leerheit ist also die Leerheit von der Verblendung, dass Menschen und Phänomene im Kern auf ewig unveränderlich und statisch sind. Im Gegenteil, wir haben die Freiheit zu handeln, unser Leiden zu überwinden und uns zu verändern.

Aber leider wird diese buddhistische Leerheit häufig falsch oder ungenau interpretiert. Besonders im Westen gibt es abenteuerliche und sehr pessimistische Vorstellungen, was Buddha und der große Meister Nagarjuna wirklich unter Leerheit verstanden haben.

Um es kurz zu sagen: Durch die Leerheit von Verblendungen, falschen Ideologien, Täuschungen und unbewussten Dogmen gewinnen wir Klarheit der Wirklichkeit von uns selbst und der Welt. Denn wir sind von Natur aus nicht statisch, sondern können uns wirklich und tiefgreifend umwandeln. Wir sind ständig in Wechselwirkung mit anderen Menschen und wir sind vernetzt mit der sich verändernden Umwelt. Ein sehr wichtiger Schritt zur Gewinnung von Klarheit ist also die tiefe Erkenntnis, dass die Wirklichkeit der Welt, der Natur und von uns selbst durch das gemeinsame Entstehen in Wechselwirkung gekennzeichnet ist, wie Buddha formuliert. Und diese Wechselwirkung können wir aktiv gestalten und zum Heilsamen verändern. Dadurch werden außerdem die falschen Extreme auf dem Mittleren Weg vermieden. Das sind die zentralen und tiefen Weisheiten des Buddhismus.

Was ist nun das Gegenteil der lebendigen verändernden Wechselwirkung? Wann und wodurch wird die vernetzte und lebende Veränderung also verhindert und zunichte gemacht? Antwort: Durch die Ideologie und Verblendung dass alles Wesentliche unveränderlich sei und einen konstanten Wesens-Kerne habe. Danach müssten die Menschen, Dinge und Phänomene also einen unveränderlichen und isolierten Substanz-Kern haben. Solche Ideologien leugnen aber die Vernetzung der Natur. Denn diese Veränderlichkeit und Vernetzung können wir überall in Natur und Ökologie direkt sehen und erfahren. Die falschen Ideologien behaupten im Übrigen, dass die angeblichen Substanz-Kerne ganz unsichtbar sind. Das ist aber eine pure Behauptung, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Mir scheint das fast wie Taschenspieler-Trick.

Durch die moderne verlässliche Forschung wissen wir, dass unserer Ökosysteme lebendig vernetzt und in Wechselwirkung sind. Wir haben leider durch die Verleugnung der Vernetzung und bisherige Ignoranz viele schwere Öko-Probleme zu beklagen und zu befürchten. Dazu gehören die Katastrophen von Überschwemmungen, Feuersbrünsten, Hitzewellen, Dürreperioden usw.. Hauptgrund ist die die falsche Ideologie der Unveränderlichkeit, fehlender Vernetzung und Isolierten Trennung der Phänomene. Wir sind gerade dabei, durch diese täuschenden Verblendungen unseren ganzen Planeten zu zerstören oder schwer zu schädigen. Die wirkliche Öko-Vernetzung wurde also bisher in der Industrie-Gesellschaft wissentlich oder unwissentlich verleugnet.

Aus der Gehirnforschung wissen wir außerdem, dass Veränderungen und Wechselwirkung maßgeblich für die Funktionen unseres Denkens, unserer Gefühle und unseres Willens sind. Die Wissenschaft bezeichnet das als Plastizität und Modularität des neuronalen Netzes. Das heißt vereinfacht: Unser Gehirn verändert sich dauernd und arbeitet mit Modulen und deren Wechselwirkungen. Die Ideologie der Statik, Starrheit und fehlenden Vernetzung ist überholt aber für uns sehr gefährlich! Es ist erstaunlich, dass der geniale Buddhas diese tiefe Wahrheit schon vor 2.500 erkannte und gegen dogmatische Erstarrungen durchgesetzt hat.
Beim Menschen ist die wechselseitige Empathie für ein heilsames Leben von größter Wichtigkeit. Das wird jedem einleuchten. Dann sind gute befriedigende Zusammenarbeit und gegenseitiges Helfen möglich. Denn der Mensch ist das sozialste Lebewesen, das wir kennen. Soziales wechselseitiges Lernen ist die Grundlage eines erfüllten Lebens. Einsamkeit und soziale Isolation sind dagegen schwere Krankheiten, vermutlich die wichtigste Todes-Ursache in der modernen Welt.

Die Leerheit von solchen Verblendungen und Ideologien der Isolation, Pseudo-Substanz und unterdrückten Vernetzung ist also wichtige Voraussetzung für ein glückliches Leben! Wir leben nicht isoliert und sind nicht in starre Teile getrennt. Das Gegenteil ist richtig. Wir können uns aktiv befreien und ein kreatives gemeinsames Leben mit Freude und Glück verwirklichen.

 Vertiefung zur Empathie

Sonntag, 12. September 2021

Dein Geist hier und jetzt ist Buddha


Das verblüfft dich vielleicht. Aber die künstliche Trennung des eigenen Geistes von der Natur ist nicht die Wahrheit des Lebens. Diese unnatürliche Isolation verursacht viel Leiden, daher rät Buddha die Trennung aufzuheben und ganzheitlich zu denken und zu handeln. Denn das Innen und Außen des Menschen sind nicht isoliert, sondern immer in lebender Einheit und Wechselwirkung. Diese Wirklichkeit können wir zudem so gestalten, dass wir ein erfülltes und gutes Leben führen. Im Zen heißt es bei Dogen:

„Was ist der feine, leuchtende und reine Buddha-Geist? Er ist Berge, Flüsse und die Erde, die Sonne, der Mond und die Sterne.“

Zu diesem Ganzen gehört auch die gute Verbindung von Geist und Praxis:

„Wenn wir den Geist erwecken und die Praxis-und-Erfahrung auch nur in einem ganz kurzen Augenblick verwirklichen, ist dieser Geist hier und jetzt Buddha.“ 

Gautama Buddhas Lehre der Wirklichkeit im Augenblick führt gerade heute aus dem fatalen Kreislauf des Leidens hinaus. Der Augenblick ist wie ein "Sprungbrett" zum wahren Leben. Es öffnet uns die Wirklichkeit für ein heilsames Leben.

Den befreiten Buddha-Geist können wir nicht allein durch theoretisches Denken erfassen und schon gar nicht verwirklichen, vor Allem nicht durch ein aufgeblasenes Ego und durch nazistische Überheblichkeit. Und die lebendige Verbindung mit der Natur wird in unserer technisierten Welt immer wichtiger. Gerade heute heißt es: "Zurück zu Natur!" Eine gesunde Natur ist also unbedingt wichtig für ein erfülltes Leben.

Dabei führt uns das Streben nach der Wahrheit wie mit einem Kompass auf den richtigen Weg. Dieser Geist hier und jetzt ist viel mehr als das intellektuelle Denken, denn er umfasst nach Dogen auch die Wirklichkeit des Bambus, der Berge, Flüsse, der Erde, der Sonne, des Mondes und der Sterne. Das sind gerade Dinge und Phänomene, die wir meist nur als äußere Form und aus materialistischer Sicht betrachten und verstehen. Aber das ist zu wenig.

Der Buddhismus lehrt ganz klar, dass wir lernen sollten, unseren dualen trennenden Geist zu erkennen, zu durchschauen und diese Trennung nicht mit der Wirklichkeit zu verwechseln. Das gelingt also besonders gut mit der Lehre Buddhas. Wie können wir das machen? Dogen sagt dazu:


Wenn wir den Willen (zur Wahrheit) niemals erweckt, das Praxis-Training niemals durchlaufen, den Bodhi-Geist niemals (verwirklicht) und Nirvana niemals (erfahren) haben, dann gibt es keinen Wahrheit von ´Geist hier und jetzt ist Buddha´“.


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Samstag, 28. August 2021

Erleuchtung: Die Pflaumenblüten sind die Buddha-Augen

 

Meister Dôgen liebte die Pflaumenblüten außerordentlich. In diesem Kapitel geht es um deine Wirklichkeit, Erleuchtung, um Schönheit und die tiefe Wahrheit der Natur und des Buddhismus. Weil Du nicht von ihnen getrennt bis, sind es auch deine Buddha-Augen. Und diese Augen sehen viel mehr, als die "normalen" Augen. Die reine Natur ist also unauflösbar mit deiner Klarheit, Freude und Erleuchtung verbunden. Dôgen untersucht hier und dichtet die große lebendige Einheit der tiefen und praktischen Lehre Buddhas und der direkten Kraft von dir selbst. Das ist die Erfahrung des umfassenden Lebens im Hier und Jetzt. Es passt kein noch so dünnes Blatt Papier zwischen Buddha, Natur und Selbst, wenn du die Täuschungen los bist. Es gibt dann keine Verzerrung des Selbst durch Ego-Stolz, keine Verhärtungen des lebendigen Entstehen in Wechselwirkung und keine buddhistischen Gifte. Es geht um die ersten Blüten des Pflaumenbaumes, wenn es noch kalt ist und die kühlen Winde des Winters noch wehen. Die weißen Schneeflocken wirbeln am Kloster in den Bergen, weiß wie die Pflaumen-Blüten. Diese Blüten können erblühen jeden Tag neu, auch für dich.

Dogen zitiert seinen eigenen Meister Tendô Nyojô mit diesem Gedicht, der auch ein großer Freund der Pflaumenblüten war:

„Tendôs erste Worte in der Mitte des Winters.
Der knorrige alte Pflaumenbaum.
Plötzlich treibt er Knospen – eine Blüte, zwei Blüten,
Drei Blüten, vier, fünf Blüten – unzählige Blüten.
Sie können sich ihrer Reinheit nicht rühmen,
Und nicht stolz sein auf ihren Duft.
Sie erschaffen das Gesicht des Frühlings,
Und weben duftend durch die Gräser und Bäume.“

Der Pflaumenbaum ist wie das wirkliche Leben des Menschen. Es gibt schwarze alte und knorrige Äste, auch mit Dornen. Und es gibt grüne junge Zweige mit runden Knospen und strahlend weißen Blüten. "Nur ein Zweig mit Pflaumen-Blüten".

Diese Blüten sind die Augen Buddhas, wie Dogen sagt. Sie haben keinen falschen Stolz und keine unterwürfige und falsche Bescheidenheit. Die weißen Blüten sind die Buddha-Weisheit, die von Indien nach China kam und dann in Japan mit Dogen ungeahntes Leben erschuf. Und diese Lehre verkümmert nicht auf beschriebenem Papier, sondern schafft die klare wunderbare Einheit mit den Menschen und den Blüten, genau hier und jetzt. Im Augenblick sind immer auch Vergangenheit und Zukunft verschmolzen. Eine Trennung vom jetzigen Augenblick ist in der Wirklichkeit unmöglich und überhaupt nicht nötig.

"Wahrheit der Pflaumenblüten im Hier, die ins Jetzt gekommen sind. Das Jetzt ist genau so wirklich und (Tendô) spricht von einem Ort, der beschwerlich und voller Dornen ist.“

Es gibt kein Leben, das wie der Winter und die kalten Winde ohne Beschwerden und Mühen ist. Aber die Blüten des Frühlings leuchten strahlend und tanzen in den milden Winden und Düften  des Frühlings. Genau wie in deinem Leben.

„Ein Neujahrsmorgen ist der Anfang des Glücks.

Die zehntausend Dinge sind alle neu und frisch.

Verehrte anwesende liebe Mönche.

Der Pflaumenbaum ist der erste Frühling.“


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Donnerstag, 19. August 2021

Die tiefen Weisheiten des Mittleren Weges


Diese tiefen Weisheiten können dein Leben zum Guten verändern.

Um das eigene Leben zum Guten und Heilsamen zu transformieren, braucht man eine zuverlässige Lebensphilosophie! Eine solche erprobte und auch heute zeitgemäße Grundlage ist der kraftvolle Weg der Mitte des indischen buddhistischen Meisters Nagarjuna. Auf diesem Weg entstehen für dich neue klare Kräfte, die dein Leben transformieren. Davon bin ich fest überzeugt, und zwar nach gründlichem Studium und eigener praktischer Erprobung.

Welche Fehler müssen wir heute bei einer zeitgemäßen Weltanschauung und neuen Lebensweise vermeiden? Wie können wir die ökologischen Probleme der Klima-Schäden und die Sinn-Entleerung unseres Lebens vermeiden? Warum plagen sich viele Menschen mit Vereinsamung, Leiden und Pessimismus herum? Wir brauchen eine Umkehr und bessere Ausrichtung unseres Lebens. Und was gibt es eigentlich für neue fundierten Erkenntnissen der Öko-Systeme und Gehirn-Forschung, die wir nutzen können? Diese sollten wir dann mit den tiefen und bewährten Weisheiten des Buddhismus verbinden! Das ist genau mein Anliegen.

Der Buddhismus hat eine Art Weltformel des Lebens und des Universums: Das gemeinsame Entstehen unserer Wirklichkeit in Vernetzung und Wechselwirkung.

Das klingt vielleicht einfach, hat es aber in sich. Es wurde bisher von der modernen Gesellschaft und westlichen Philosophie vernachlässigt oder vergessen. Aber die Wirklichkeit schlägt nun zurück, man kann sie auf die Dauer nicht täuschen. Als Zen-Meister sage ich dazu: Wir haben uns selbst "verarscht".

Alles Leben ist vernetzt und Wechselwirkung. Und wir können aktiv einwirken und mit gestalten. Das muss unsere Ausgangslage sein. Der Mensch ist das sozialste Lebewesen auf diesem wunderbaren Planeten. Er ist keine egoistische Maschine der Selbst-Maximierung. "Der Starke ist der Schwächste allein" und muss vereinsamt sterben. Der Egoist, âtman, hat überhaupt keine echte Lebensfreude.

Extreme und Übertreibungen sind fast immer Lüge, sie putschen uns emotional hoch und enden im Chaos und Niedergang. Böse Beispiele sind die Dogmen der Nazis und religiöse Extreme der Christen und Moslems. Daraus kommt nichts Gutes. Denn aus der Mitte kommt die wahre Kraft unseres Lebens und so können wir unsere Gesellschaft sinnvoll gestalten.

Ein aufgeblasenes und dogmatisiertes Ego oder ein immer nörgelndes und jammerndes Mini-Ich erzeugen überflüssiges Leiden:  für sich selbst und für andere. Also weg damit. Aber zeitlich gut gestaffelt, als Verlernprozess gestaltet und vor allem als Start zum neuen Lernprozess. Die Gehirnforschung weiß: Unser Glücks-Zentrum ist gleichzeitig unser Lern-Zentrum. Hättest Du das gedacht?

Zur eigenen Transformation braucht man einen längeren Atem und muss dran bleiben. Man braucht den klaren Entschluss zu eine neuen Lebensrichtung. Garantiert: Es lohnt sich, anfangen ist das Wichtigste.

Geben ist besser als Nehmen. Denn ethisches Handeln und gutes Karma sind gutes Leben. Sie befreien uns jetzt und in Zukunft von doktrinärer Verblendung. Das hat übrigens die Gehirnforschung ganz klar nachgewiesen, es ist kein veralteter Spruch.

Glück, Erleuchtung und Nirvâna sind die wirklichen Freiheiten des Menschen, hier und jetzt. Also genau in diesem Leben. Umgekehrt schadet es uns massiv, wenn wir in illusionären Fantasien oder finsteren Zukunfts-Welten verlieren. Grübeln bringt nichts.

Wir können uns von den drei Lebens-Giften: Gier, Hass und Verblendung entleeren und befreien. Das ist die wahre Bedeutung der Leerheit, die oft missverstanden wird. Mein Lehrer Nishijima Roshi sagte: Der Buddhismus ist eine durch und durch optimistische Lebensweisheit und Lebenspraxis. Er setzte auf positive Veränderungen und Überwindung unseres Leidens. Wir sind überhaupt nicht total abhängig und können den Sinn unseres Lebens weitgehend selbst gestalten.

Weiter lesen: Die Sieben tiefen Weisheiten des Meisters Nagarjuna


Samstag, 14. August 2021

Das Lotos-Sutra im Zen: Die wunderbare Dharma-Wahrheit

Mein Lehrer, der große Zen-Meister Nishijima, sagt zur zentralen Bedeutung des Lotos-Sutra: "Wie wunderbar ist das Universum, in dem wir leben".

Diese Sutra ist eines der wichtigsten Schriften des Mahayana-Buddhismus und besonders in Ost-Asien sehr weit verbreitet. Es wird häufig mit der Bibel im Christentum verglichen und fasst die zentralen Lehren Buddhas zusammen.

Was ist die Kernaussage? Was ist das Verständnis des Buddhismus und die Sicht von Meister Dogen? Dieser nennt das für ihn außerordentlich wichtige Lotos-Sutra: "Die Dharma Blume der großen Wahrheit des Dharma dreht die Blume des Dharma der Welt." Schon dadurch wird klar, dass der Buddhismus nicht pessimistisch oder gar nihilistisch ist.

Das Zitat erscheint dir vielleicht als doppelte Aussage und als redundante Wiederholung. Es ist jedoch von großer spiritueller Tiefe, obgleich man das eventuell nicht gleich erkennt. Häufig wird das Lotos-Sutra allerdings wie ein buddhistisches Märchenbuch mit fantastischen idealistischen Lehren und Gleichnissen verstanden. Aber das ist nicht richtig. Es übersteigt bei weitem den schwärmerischen naiven Volks-Buddhismus mancher Gegenden.

Ich möchte es nach meinem Verständnis erklären und beziehe mich auf die Meister Dogen, Nagarjuna und Nishijima. Von zentraler Bedeutung sind Dogens Aussagen:

"Wenn der Geist in Täuschung ist, dreht sich die Blume des Dharma.

Wenn der Geist in Verwirklichung ist, drehen wir die Blume des Dharma"


Wenn man dabei das Sutra häufig nur zitieren würde, aber die wahre Bedeutung nicht versteht, kehrt es sich nach Dogen sogar gegen uns selbst. Es wird unser Feind und verhindert gerade unsere Befreiung und unser Erwachen. Dies wird vor Allem durch den Dualismus und andere unheilsamen Dogmen verursacht. Sie haben keine heilsamen Wirkungen und können das Leidens nicht überwinden.

In der ersten Zeile dreht die Dharmablume für sich, getrennt und ganz ohne uns. Wir sind dann isoliert von Buddhas Weisheit und dessen heilenden Praxis. Dann sind wir unfrei, vereinsamen und leiden vielfach in unserem Leben.

In der zweiten Zeile sind wir mit dem blühenden Dharma verbunden und in heilsamer Wechselwirkung, zum eigenen Besten. Damit verbindet Dogen seine Aussage mit Meister Nagarjuna, der den Dualismus, also den gespaltenen isolierten Geist, mit philosophischer Präzision kritisierte. Er sagt mit Buddha: Das zentrale Gesetz der lebendigen Welt ist das gemeinsame Entstehen in Wechselwirkung. Es ist Grundlage für unseren gesamten Heilungs- und Therapie-Prozess.

Denn wir selbst sind Teil dieser aktiven Wechselwirkung und gestalten und formen damit den wahren Sinn unseres Lebens. So sagt  Buddha vom befreiten Menschen: "Unabhängig lebt er und haftet an nichts in der Welt." Genau dann drehen wir die Blume des Dharma und handeln für andere. Das ist das Bodhisattva-Ideal des Buddhismus: Geben ist besser als nehmen. Das ist durch die moderne Gehirnforschung übrigens wissenschaftlich präzise bestätigt. Wer zuviel will und voller Gier nimmt, wird unglücklich und vereinsamt. Der Egoismus will immer mehr, als er hat, er macht unglücklich und macht uns gerade nicht glücklich.

In der Wechselwirkung erkennen wir die Natur, wie sie ist; das Handeln wie es ist und erkennen das wahre Selbst, wie es ist. So finden wir unsere Mitte und unser Gleichgewicht. Und das ist in der Tat in der heutigen gestressten von geistigen Extremen beschädigten Welt besonders wichtig. Das ist die beste Medizin für die jetzige Corona-Krise: Geben ist besser als nehmen. Dann vereinsamen wir nicht und haben echte Freude im Leben.

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