Buddha antwortete einem verunsicherten Schüler, der absolute und ewige Wahrheiten über das Ich und die Welt ganz genau wissen wollte, dass er so etwas gerade nicht lehren würde. Buddha fragte, ob er denn überhaupt versprochen habe, absolut zu erklären, ob die Welt ewig sei oder nicht ewig. Der Schüler gab zu, dass Buddha ein solches Versprechen nicht gegeben hatte. Buddha fragte ihn weiter, worüber er sich eigentlich beklagen würde und fügte hinzu:
„Wenn jemand sagte, er wolle so lange
nicht den reinen Wandel (Meditation, Geistesschulung und Handeln) beim
Erhabenen praktizieren, bis dieser ihn absolut über solche Fragen belehrte, dann würde dieser nämlich sterben. Und zwar bevor der Erhabene ihn so etwas überhaupt lehren könnte.“
Buddha erzählte dem Schüler
das berühmte Gleichnis vom vergifteten Pfeil
und dessen eindringliche Pragmatik
und große Wirksamkeit. Dies sei genau die von ihm entwickelte Lehre:
„Nimm
an, ein Mensch ist von einem vergifteten Pfeil getroffen worden und seine
Freunde und Verwandten holen einen tüchtigen Wundarzt. Der Verwundete sagt aber: ´Nicht eher will ich den Pfeil herausziehen lassen, als bis ich (ganz
genau) weiß, ob der Mensch, der mich verwundet hat, ein Adliger oder ein
Brahmane oder ein Bürger oder ein Schudra ist. Ich will vorher wissen, wie er mit Vornamen und
Familiennamen heißt, ob er groß oder klein oder von mittlerer Größe ist, ob
seine Haut schwarz oder braun oder hell ist. Ich muss wissen, aus welchem Dorf oder aus welcher
Stadt er stammt, welchen Bogen er benutzt hat, woraus die Bogensehne besteht,
welche Art der Pfeil ist‘ (...).“
Es gäbe noch viele weitere fundamentale
Fragen, die er unbedingt wissen wolle. Dabei wurde er immer schwächer, krümmte sich vor Schmerzen und konnte kaum noch reden. Er röchelte: "Die Federn des Pfeils,
die Sehne, Pfeilspitze...muss ich wissen. Schließlich sagte Buddha:
„Dieser Mensch würde sterben, bevor er
alles dies erfahren hätte. Ebenso würde jemand, der mit dem wahren Wandel
warten wollte, bis er über solche Fragen belehrt worden wäre, sterben, bevor
man ihn darüber belehren kann.“
Spekulative und abstrakte
philosophische Fragen über die Welt, zur Wiedergeburt, zum vorherigen oder
zukünftigen Leben usw. sind demnach ähnlich einzuschätzen wie die Fragen zum
vergifteten Pfeil. Sie tragen meist nichts zur Lösung der konkreten Problemen bei: Altern, Krankheit und Sterben, Einsamkeit, Angst, Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung. Buddha lehrt aber gerade „deren wirkliche Überwindung schon in diesem Leben“. Spekulative Fragen würden bei der Überwindung des Leidens nur schaden und
ablenken. Buddha fuhr fort:
Nicht erklärt habe ich, ob die Welt ewig oder nicht
ewig, begrenzt oder unbegrenzt ist, ob Seele und Leib dasselbe oder verschieden
sind, ob ein Vollendeter nach dem Tod lebt oder nicht lebt. Ich habe es deshalb
nicht erklärt, weil dies nicht zum Heil und zur Befreiung beiträgt.“
Die meisten dieser Fragen
können überhaupt nicht beantwortet werden und das Leiden und die eigene
Unklarheit hätten damit nichts zu tun, betonte Buddha. Erleuchtung, die
Abwendung vom Übel und das Nirvāna seien so nicht zu erreichen. Denn wichtig ist stattdessen, das Übel des wirklichen Lebens zu
erklären, woraus es entsteht und entspringt, aber vor allem, wie das Übel aufhört! Auf welchem Weg kann man
es ausschalten und zur Ruhe bringen? Dies ist genau das wichtige Wissen, um das
Erwachen zu erlangen, und dies ist es, was er lehrt.
Viele täuschende Fragen werden von vergifteten Dogmen, Vorurteilen, Aberglauben und Doktrinen erzeugt! Das beweist Nagarjuna in seinem Meisterwerk des Mittleren Weges.
Viele täuschende Fragen werden von vergifteten Dogmen, Vorurteilen, Aberglauben und Doktrinen erzeugt! Das beweist Nagarjuna in seinem Meisterwerk des Mittleren Weges.
Buddha antwortete nicht bei solchen abstrakten und wegführenden Fragen. Wenn also jemand darauf bestehe,
dass die Welt ewig sei oder umgekehrt abrupt endet, ist dies schlicht unwichtig
für die Schmerzen, Leiden und Übel in diesem Leben. Es geht um deren Überwindung und den eigenen konkreten Weg der Befreiung und Emanzipation:
Spekulative Gedankenspiele sind eben Spiele und nichts
weiter. Luftspiegelungen vom Wasser sind eben Spiegelung ohne Wasser für den
Verdurstenden. Das wirkliche Wasser ist vielleicht nahe, wir sollten hier und jetzt
danach graben. Und: nicht an vielen Stellen ein bisschen graben, sondern an einer Stelle in die Tiefe zum Wasser!
Grübeln hilft nicht. Wirf deinen wahren Pfeil über
dein jetziges kleines Ego hinaus: Frisches Wasser, der fliegender Pfeil und die Sicherheit der Buddha-Natur sind das wirkliche Leben.