Donnerstag, 25. März 2010

Neues Buch von Nishijima Roshi: Aus meinem Leben Wirklichkeit und Buddhismus


Nishijima Roshi feierte kürzlich seinen 90.ten Geburtstag. Er schildert in diesem Buch unmittelbar und ungekünstelt seine eigene Jugend und vermittelt uns einen lebendigen Eindruck von der damaligen Zeit. Er beschreibt mit menschlicher Wärme die ungewöhnlichen Zen-Meister Kodo Sawaki und Rempo Niwa, seinen zweiten Lehrer, der ihm die Dharma-Übertragung und damit die Lehrbefugnis erteilte. Rempo Niwa war später der Leiter der Soto-Linie und Abt von deren Haupt-Kloster Eihei-ji.
Fast 70 Jahre studierte, praktizierte und lehrte Nishijima Roshi den authentischen Buddhismus und stützte sich dabei hauptsächlich auf das große Werk Meister Dogens, „Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges“ (Shobogenzo), das wohl umfassendste und tiefgründigste Werk des Zen, aber sicher auch ein zentrales Werk des gesamten Buddhismus. Es gelang ihm durch gründliche, unermüdliche Studien, verbunden mit der täglichen Zazen-Praxis, die Kodo Sawaki so nachdrücklich gelehrt hatte, immer tiefer in dieses herausragende Werk einzudringen und die bedeutenden Schätze, die darin über viele Jahrhunderte verborgen waren, für die moderne Zeit zu heben.
Er löste die scheinbaren Widersprüche und Paradoxien auf und brachte die Schrift in einer modernen Sprache heraus. Zusammen mit verschiedenen Schülern aus den westlichen Ländern übersetzte er das vierbändige Werk des Shobogenzo ins Englische und Deutsche. Ich habe selbst an der deutschen Fassung viele Jahre intensiv mitgearbeitet. Er ist zweifellos der ´Vater´ der verlässlichen Übersetzungen des Shobogenzo.

Das vorliegende Buch enthält sehr persönliche Erinnerungen und Beschreibungen Nishijima Roshis und gibt seine scharfsinnigen Analysen der europäisch-amerikanischen Kultur aus der Sicht eines Ost-Asiaten wieder. Er weist unter anderem die enge Verbindung des europäischen Humanismus mit dem Buddhismus nach. Mehrere Kapitel geben holzschnittartig seine großartigen buddhistischen Lehren und praktischen Erfahrungen wieder und bieten so einen ausgezeichneten Einstieg in den Buddhismus überhaupt.
Er behandelt umfassend und tiefgründig die Frage der Verwirklichung des Menschen, also Erleuchtung und Befreiung von den Zwängen täuschender Gedanken und Emotionen. Dadurch werden positive Kräfte und Energien unseres Lebens und des wahren Selbst freigesetzt. Er scheut sich nicht, die gravierenden Fehlentwicklungen beim Streben nach Erleuchtung zu benennen und uns vor Sackgassen und schwerwiegenden Irrtümern zu bewahren.
Ein Leben im inneren und äußeren Gleichgewicht, die Vernunft und die Wirklichkeit sind neben dem ethischen Gesetz von Ursache und Wirkung zentrale Elemente des Buddhismus. Die eindimensionalen Lebensphilosophien des Idealismus und Materialismus müssen überwunden werden, da sie uns daran hindern, ein befreites Leben führen zu können. Nishijima Roshi räumt mit dem grassierenden Vorurteil auf, der Zen-Buddhismus fordere ein schmerzhaftes und asketisches Leben, und zitiert Meister Dôgen, der im Gegenteil sagt: „Die Zazen-Praxis ist das Tor zum Frieden und zur Freude.“ Diese Worte machen auch deutlich, dass Theorie allein unser Leben nicht dauerhaft verbessern kann, sondern wir sollten praktizieren, im Alltag handeln und versuchen, einen verlässlichen Lehrer zu finden.
Nishijima Roshi erklärt die philosophischen Grundlagen seines buddhistischen Lehr- und Praxisgebäudes in allgemein verständlicher und nachvollziehbarer Weise. Das ist bekanntlich nicht selbstverständlich. Einen besonderen Schwerpunkt dieses Buches bilden zwei neu übersetzte Originaltexte Meister Dogens, die Nishijima Roshi fachkundig erläutert: „Allgemeine Richtlinien zur Zazen-Praxis“ (Fukan zazengi) und
„Ratschläge für das Streben nach der Wahrheit“ (Gakudo-yojin-shu).
Letzteres ist wie eine Kurzfassung des umfassenden Werkes Shobogenzo zu verstehen.
Das Schlusskapitel stellt mehrere buddhistische Gedichte vor, die in den Klöstern im Tagesablauf zu verschiedenen Anlässen gemeinsam rezitiert werden.

Die von Nishijima Roshi verfassten Texte dieses Buches sind in einer ersten Fassung im Internet-Blog der Dogen Sangha in Englisch veröffentlicht worden. Ich habe sie ins Deutsche übersetzt und behutsam editiert, um aus den einzelnen Textbausteinen des Internet-Blogs ein zusammenhängendes, gut lesbares Buch zu erstellen. Aus seiner Sicht ist daraus ein Juwel der buddhistischen Literatur entstanden, das von der Lebendigkeit, Menschlichkeit und dem profunden Erfahrungsschatz dieses großen alten Zen-Meisters berichtet. Es ist mein Geburtstagsgeschenk für Nishijima Roshi. Hoffentlich bringt es auch vielen Lesern Freude und ein tieferes Verständnis des wahren Buddhismus.
Zu erwerben in jedem Buchladen und im Internet, z. B. :

Freitag, 19. März 2010

Erlernen von Buddhas Wahrheit


Die folgende folgenden Worte aus dem Shobogenzo sind von zentraler Ausagekraft und werden auch häufig in anderen Schriften des Buddhismus zitiert, wenn es um die Frage der Wahrheit, des Erwachens und der Verwirklichung geht:

Dogen sagt: "Buddhas Wahrheit zu lernen ist (dasselbe), als uns selbst zu erlernen."
Die japanische Bedeutung von Lernen und Erlernen ist dabei sehr viel umfassender als in der deutschen Sprache. Dazu gehört auch Praktizieren, über die Buddha-Lehre nachdenken und den Buddha-Dharma studieren, aber nicht zuletzt sich selbst zu durchschauen und zu erforschen. Eine solche Transparenz des eigenen Selbst ist im Buddhismus außerordentlich wichtig und ist bekanntlich auch die Grundlage moderner psychotherapeutischer Behandlungen.
Dies ist der Weg, um uns von Täuschungen, Blockaden, Zwangsgedanken und schädlichen Verdrängungen zu befreien. Auch Gautama Buddha selbst hat vielfältige Methoden angegeben, wie wir uns selbst durchschauen können und 'auf die Schliche zu kommen'. Wer in seinen alten 'Denknestern', Vorurteilen, Emotionen, Sympathien und Antipathien verhaftet ist, wird die wahre buddhistische Lehre nicht erlernen können.

Nishijima Roshi sagt dazu:„Buddhismus zu erlernen bedeutet genau, uns selbst kennen zu lernen und das Gleichgewicht des vegetativen Nervensystems zu erhalten.“
Dogen fährt fort: „Uns selbst kennen zu lernen ist dasselbe, als wenn wir uns vergessen. Uns zu vergessen ist dasselbe, als wenn wir von den unzähligen Dharmas erfahren werden.“
Bisherige Denkmuster und emotionale Verhaftungen sollen also grundsätzlich vergessen und abgelegt werden, um damit den eigenen Lernprozess in Gang setzen zu können. Dabei sind vor allem selbstsüchtige und ichbezogene Ideen und Erklärungsmuster zu verlassen, um gewissermaßen neu und wirklichkeitsnäher aufzubauen.

Damit sagt Dogen, dass wir die engen bisherige Ich-Grenze auflösen und bisherige Muster loslassen müssen, damit wir offen sind für die unendliche Vielfalt der Welt, also die Dinge und Phänomene unseres Lebens und des Universums.

Dienstag, 9. März 2010

Die Siebenunddreißig Elemente des Erwachens und der Wahrheit, Teil 7.

Besonders ausführlich behandelt Dogen den vierten Bereich des richtigen Handelns. Er geht dabei auf verschiedene Kapitel des Shobogenzo und auf Koan-Gespräche ein, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Das Handeln ist nach seiner Lehre die direkte, unverstellte Wirklichkeit des Soseins.

Es findet immer in der Sein-Zeit im gegenwärtigen Augenblick statt und verwirklicht die Welt, das Universum und das eigene Leben. Dies wird im Kapitel 3 des Shobogenzo eindrucksvoll beschrieben. Besondere Bedeutung legt Dogen auf die Tatsache, dass das Handeln im sozialen Leben selten wirklich rein ist, sondern häufig von Interessen gesteuert oder sogar von Gier nach Reichtum und Ruhm vorangetrieben wird.

Ganz schwierig sei es, bei politischen Staatsaufgaben das wahre Handeln des Buddha-Dharma zu verwirklichen. Dogen warnt dabei insbesondere vor den sich anbiedernden falschen Meistern, die den Mächtigen und Reichen in der Politik und im Staat nach dem Munde reden und verkünden, dass derartiges politisches Handeln identisch mit dem Tun von Gautama Buddha und der Vorfahren im Dharma sei. Hierbei wird häufig Gautama Buddhas berühmter Laien-Schüler Vimalakirti genannt und den um Vorteile buhlenden „Meistern“ gegenüber gestellt.

Dieser sei ein Beispiel dafür, dass auch ein Laie im sozialen Leben wahres Handeln verwirklicht. Dogen kritisiert dabei besonders, dass der Begriff der Leerheit von einigen dazu missbraucht wird, um derartiges politisches Verhalten zu beschönigen. In der Tat ist der Begriff der Leerheit bisweilen im Buddhismus missverstanden und auch missbraucht worden. Das Handeln müsse eindeutig auf den konkreten Augenblick bezogen und zweckfrei sein.
Als Nächstes wird beim achtfachen Pfad die richtige Lebensform und der richtige Erwerb für den Lebensunterhalt aufgeführt. Ohne die richtige Anstrengung und Ausdauer kann man den buddhistischen Weg der Überwindung des Leidens nicht gehen. Dies gestaltet den gesamten Körper und Geist und verbindet im Klosterleben den Meister mit seinen Mönchen.

Als siebter Teil des Pfades wird die Achtsamkeit genannt und Dogen kritisiert, dass es einige buddhistische Gruppen gäbe, die behaupten, Achtsamkeit sei überhaupt nicht erforderlich. Er bezeichnet diese Menschen als Nicht-Buddhisten. Er zitiert dazu Bodhidharma, der zu seinen vier Schülern sagte:

"Du hast meine Haut, mein Fleisch, meine Knochen und mein Mark erhalten und dies ist genau die richtige Achtsamkeit des achtfachen Pfades."

Als Letztes wird das richtige Gleichgewicht, also das Samadhi oder Zazen angeführt. Dadurch könne man sich von zwanghaften und täuschenden Gedanken und Vorstellungen befreien und zwar auch von der einseigen Abhängigkeit von der buddhistischen Vorfahren im Dharma. Das Samadhi ist die „Lebendigkeit der Nüstern“, die im alten China als Symbol für das wirkliche Leben galten, weil man durch die Nase die Luft ein- und ausatmet. Das Gleichgewicht öffnet dabei sozusagen das begrenzte „Denken in unserem Schädel" In den allgemeinen Richtlinien zum Zazen von Dogen heißt es, dass wir aus dem „Nichtdenken denken sollen“ und damit das übliche, diskriminierende und bewertende Denken überschreiten.
Am Ende des Kapitels der siebenunddreißig Elemente des Erwachens unterstreicht Dogen, dass diese nicht einzeln zu verstehen seien, sondern in Kombination miteinander insgesamt wirksam sind. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass es 37x37, also 1.369 Elemente des Erwachens gibt.