In den Lehrreden Buddhas wird von einem grausamen Räuber und Mörder namens Angulimala berichtet. Dieser trieb ohne Erbarmen und mit äußerster Brutalität sein Unwesen, ohne durch sein Gewissen oder Regeln der Ethik kontrolliert zu werden. Er verachtete seine Opfer, ermordete sie und fädelte triumphierend ihre Fingerknochen zu einer Kette auf, die er stolz um den Hals trug.
In allen Kämpfen und
Mordtaten war er äußerst geschickt und bisher unbesiegt, vor allem, weil er
extrem schnell laufen konnte und sehr beweglich war. Er prahlte, dass er
Elefanten, Pferde und Menschen jederzeit einholen könne und hielt sich für
unbesiegbar. So griff er meist von hinten an und überwältigte alle Opfer fast
ohne Gegenwehr. Der Wald, in dem Angulimala hauste, war weit und breit
gefürchtet, ihn zu durchqueren glich dem eigenen Todesurteil.
Buddha wollte nun auf einer
Wanderung seinen Weg durch diesen Wald nehmen, wurde aber von den dortigen
Bewohnern eindringlich vor Angulimala gewarnt. Buddha solle einen Umweg machen,
um zu überleben, rieten sie. Er ließ sich jedoch trotz dieser mehrfachen
Warnungen nicht von seinem Weg durch den Wald abhalten. Als Angulimala ihn
kommen sah, war er sich sicher, ein neues Opfer gefunden zu haben, und wartete
zunächst ab, um dann von hinten anzugreifen:
Es
heißt: „Er ergriff Schwert, Schild, Bogen
und Pfeile und verfolgte den Erhabenen. Dieser aber bewirkte durch seine
außergewöhnlichen Kräfte, dass Angulimala ihn nicht einholen konnte, obwohl
Buddha selbst nicht schneller als gewöhnlich ging, während jener mit Aufbietung
aller Kräfte lief“, um schneller voranzukommen.
Das heißt, dass seine große
Schnelligkeit und seine brutalen Kräfte gegenüber Buddha unwirksam waren, er
konnte sie nicht einsetzen. So etwas war ihm noch nicht passiert. Verblüfft
rief er daher Buddha zu, er solle sofort stehen bleiben. Zu Angulimalas
Erstaunen antwortete Buddha, der sich zwar umgedreht hatte, aber weiterging,
dass der Mörder ja selbst stehen würde
(!). Denn gegen seinen eigenen Willen kam dieser keinen Schritt näher an
sein vermeintliches Opfer heran und sagte daher sogar in Gedichtform:
„Du gehst, Asket, und sagst, ich stehe
still.
Obwohl ich stehe, nennst du mich
ruhelos.
Wie soll ich das verstehen? Sag mir das:
Du stehst still und ich sei ruhelos.“
Es geht in diesem Gleichnis
einerseits um die körperliche Dimension des Gehens, Laufens und Stehens, aber
sicher noch um viel mehr, nämlich um die geistigen,
spirituellen und psychischen Kräfte. Es ist nicht verwunderlich, dass ein
Mörder keine Ruhe findet, obgleich er körperlich still steht, und dass der
erleuchtete Buddha geht, aber dabei ruhig erscheint. Buddha antwortete in
diesem Sinne:
„Ich stehe still Angulimala, sag ich,
weil ich den lebenden Wesen nichts zu Leide tue. Du aber wütest gegen
Lebewesen, drum steh ich still und du kommst nicht zur Ruhe.“
Diese Aussage verwirrte den
Mörder Angulimala zutiefst und er gestand dem Buddha:
„Längst hätte ich das Böse aufgegeben,
wäre mir dein Wahrheits-Wort zuteil geworden.“