Dienstag, 26. Juli 2016

Die Buddha-Natur ist klares Licht


Der Begriff der Buddha-Natur ist nicht philosophisch oder ontologisch geprägt, sondern stammt aus der Erfahrungs- und Erlebniswelt. Daher wird die Buddha-Natur häufig auch als klares Licht bezeichnet, womit die eigene wahre Erfahrung bei der Meditation gemeint ist. Diese Erfahrung ist spirituelles Erleben und keine philosophische Abstraktion oder Theoriebildung. So heißt es im Pali-Kanon:

„Die Dunkelheit ist verschwunden, und das Licht ist aufgegangen.“[i]

Dies ist eine Umschreibung des Erwachens, das mit dem Erleben des Lichts verbunden ist.

Außerdem bringt man die Buddha-Natur, wie bereits weiter oben erwähnt, häufig mit dem Begriff der Leerheit – in Sanskrit shunyata – in Verbindung. Ich folge Peter Gäng darin, dass die Übersetzung mit „Leerheit“ zwar nicht ganz falsch, aber verengt und eventuell missverständlich ist. Auch Nishijima Roshi beschreibt shunyata lieber mit dem Gleichgewicht von Körper und Geist, bei dem Gier und Hass verschwunden sind und wo der Mensch seine ursprüngliche Natur erlebt, ohne dinghafte Vorstellungen im Bewusstsein zu haben.

Durch solche Leerheit sind wir offen für wahres spirituelles Erleben, das ich nach dem Mittleren Weg Nagarjunas auch als "Sein-Werden" ohne Oberflächlichkeit, Doktrinen und Schein-Aktivitäten des Alltags bezeichnen möchte.

Peter Gäng weist darauf hin, dass die abgegrenzte Eigenständigkeit des Ich im Buddhismus entschieden abgelehnt wird. Es besteht immer eine Einheit mit anderen Menschen und der Umwelt: Es gibt keine eigene Existenz aus sich selbst. Deshalb kann man für shunyata auch sagen: „leer von einer eigenen isolierter Existenz“.

Die wichtigsten Sûtras zur Buddha-Natur lassen sich auf die Zeit von 250 vor bis 900 nach unserer Zeitrechnung festlegen. Besonders hervorzuheben ist eine Schrift, welche die damals bekannten Texte zusammenfasst, die etwa zwischen 250 und 350 erarbeitet wurden, und Erläuterungen und Kommentare ergänzt.[ii] Folgende Formulierungen wurden im Laufe der buddhistischen Geschichte in diesen Sûtras für die Buddha-Natur verwendet:

„Klares Licht ist dieser Geist, er ist durch hinzukommende Befleckungen befleckt.“
„Klares Licht ist dieser Geist, er wird von hinzukommenden Befleckungen losgelöst.“

„Es ist nicht die Natur (des Geistes), dass er befleckt wird. Von-Natur-aus-klares-Licht-sein, ist unbefleckt sein.“
„Etwas Reines wird nicht gereinigt, es ist eben rein.“

„(Die Buddha-Natur) ist gerade wie das, was geschieht, wenn Gold versunken ist im schmutzigen Abfall, wenn niemand es sehen kann.“
„(Sie) ist wie ein Schatz, der aufbewahrt ist, im Haus eines verarmten Mannes.“

„(Sie) ist gerade wie der Kern im Innern der Mangofrucht, welche nicht zerfällt: Pflanze ihn in die Erde, und es wird zwangsläufig ein großer Baum wachsen.“

„Es ist wie bei einem, der in ein anderes Land reist und eine goldene Statue mit sich trägt und sie in schmutzige abgetragene Lumpen einwickelt und sie in einem brachliegenden Feld ablegt.“

„Es ist wie bei einer verarmten Frau, die nur scheinbar niedrig ist und gemein aussieht, aber einen edlen Sohn in sich trägt.“




[i] ebd., S. 142
[ii] ebd., S. 144 ff.: Ratnagotravibhagâshâstra, auch als Uttara Tantra bezeichnet

Mittwoch, 6. Juli 2016

Das mystische Erlebnis der Buddha-Natur


Im Folgenden möchte ich einen kurzen Überblick über die Überlieferung zur Buddha-Natur und des klaren Lichts in Indien geben; dabei folge ich den Ausführungen von Peter Gäng.[i] Er verdeutlicht, dass die Lehre der Buddha-Natur im frühen Buddhismus erst in Ansätzen vorhanden war, sich dann aber umfassend weiterentwickelte und sich auch mit der Yoga-Praxis verband. Da es sich bei der Buddha-Natur letztlich um ein Erlebnis und eine Erfahrung handelt, die häufig dem mystischen Bereich zugeordnet werden, gibt es hierzu verschiedene Ansätze der sprachlichen

Formulierung. Durch die Buddha-Natur entsteht laut Peter Gäng „für Andere eine Art von spiritueller Landkarte, die ihnen die Orientierung erleichtern kann“.[ii] Allerdings sei eine Landkarte nicht die Erfahrung selbst, sondern nur ein Hilfsmittel und ein Hinweis auf die Wirklichkeit, die mit dem Begriff Buddha-Natur belegt ist.

Basis jeder Lehre über die Buddha-Natur ist die Grundwahrheit, dass jeder Mensch das vollständige Erwachen oder die Erleuchtung erfahren kann und sich dadurch von vielfältigen Zwängen des Lebens befreit, die immer wieder Leiden, Angst, Gram und Verzweiflung verursachen. Dieses Potenzial sei nicht auf die Menschen beschränkt, sondern Wesensmerkmal der Natur aller Lebewesen. Es gibt verschiedene Faktoren, die verhindern, dass sich diese wahre Natur verwirklicht, es gibt laut Peter Gäng etwas, das „hinzugekommen ist und demnach auch wieder verschwinden kann“.[iii]

Jeder Meditierende habe die Erfahrung einer friedvollen Stille gemacht, einer Gelassenheit, die in sich selbst ruht, ohne sich vor der Welt abzuschließen, und der wunderbaren Ausgeglichenheit.

Dieser Zustand existiert wirklich, ist keine Einbildung und verbale oder dichterische Konstruktion. Aber gemäß der Lehre Gautama Buddhas darf dieser Zustand nicht mit der altindischen âtman-Lehre verwechselt werden, die einen unveränderlichen Wesenskern postuliert, der sich in verschiedenen Wiedergeburten vervollständigt, bis er sich schließlich mit dem Allgeist (brahman) verbinden und das Ziel des Nirvâna erreichen würde, bei dem es keine Individualität des Menschen mehr gebe. Jede buddhistische Theorie müsse darauf bedacht sein, erklärt Peter Gäng, sich fundamental von der âtman-Lehre abzusetzen, das habe Gautama Buddha in aller Deutlichkeit gelehrt.

Das frühe Verständnis der Buddha-Natur klammerte negative, unheilsame Bereiche des Menschen im Hinblick auf die Buddha-Natur aus. Spätere, stärker psychologisch orientierte Entwicklungen des tantrischen Buddhismus bezogen diese unheilsamen Bereiche auch und gerade ein, anstatt sie einfach zu negieren.

Der Sanksrit-Begriff für „Buddha-Natur“ lautet tathagata garbha, wobei tathagata wörtlich übersetzt der „Vollendete“, „so Gekommene“ oder der „so Gegangene“ heißt. Ein solcher Mensch hat seinen wahren Weg gefunden, ist ihn gegangen und am Ziel angekommen. Manchmal wird dafür der Begriff der Soheit verwendet; das ist eine Wirklichkeit, die genauso ist, wie sie ist, der nichts hinzugefügt und nichts weggenommen wird. Dôgen benutzt häufig die Formulierung

Es ist, wie es ist“ – und meint damit also die Soheit.

Der Begriff garbha hat laut Peter Gäng eine doppelte Bedeutung: Gebärmutter und Embryo, also der weibliche Schoß und „das in ihm heranwachsende Kind“.[iv] Diese symbolische Bedeutung lässt sich um die folgenden erweitern: „Herkunftsort“, „Höhle“, „Inneres“, „Kern“, „Essenz“ und „Keim“.

Tathagata-garbha kann daher vor allem heißen:
Alle Lebewesen sind embryonale Buddhas“ und „Alle Lebewesen sind ein Schoß, in dem ein Buddha heranwächst“.

Dementsprechend sagt Dôgen über die Buddha-Natur:
„Alle Wesen haben die Buddha-Natur.“ Umgehend erweitert er ihn jedoch auf die Bedeutung

„Alle Wesen sind Buddha-Natur“.




[i] ebd., S. 137 ff
[ii] ebd., S. 138
[iii] ebd., S. 138
[iv] ebd., S. 141