Der Begriff der Buddha-Natur ist nicht philosophisch oder ontologisch
geprägt, sondern stammt aus der Erfahrungs- und Erlebniswelt. Daher wird die
Buddha-Natur häufig auch als klares Licht
bezeichnet, womit die eigene wahre Erfahrung bei der Meditation gemeint ist.
Diese Erfahrung ist spirituelles Erleben
und keine philosophische Abstraktion oder Theoriebildung. So heißt es im Pali-Kanon:
„Die
Dunkelheit ist verschwunden, und das Licht ist aufgegangen.“[i]
Dies ist eine Umschreibung des
Erwachens, das mit dem Erleben des Lichts verbunden ist.
Außerdem bringt man die Buddha-Natur, wie
bereits weiter oben erwähnt, häufig mit dem Begriff der Leerheit – in Sanskrit shunyata – in Verbindung. Ich folge
Peter Gäng darin, dass die Übersetzung mit „Leerheit“ zwar nicht ganz falsch,
aber verengt und eventuell missverständlich ist. Auch Nishijima Roshi
beschreibt shunyata lieber mit dem
Gleichgewicht von Körper und Geist, bei dem Gier und Hass verschwunden sind und
wo der Mensch seine ursprüngliche Natur erlebt, ohne dinghafte Vorstellungen im
Bewusstsein zu haben.
Durch solche Leerheit sind wir offen
für wahres spirituelles Erleben, das ich nach dem Mittleren Weg Nagarjunas auch
als "Sein-Werden" ohne
Oberflächlichkeit, Doktrinen und Schein-Aktivitäten des Alltags bezeichnen
möchte.
Peter Gäng weist darauf hin, dass die
abgegrenzte Eigenständigkeit des Ich
im Buddhismus entschieden abgelehnt wird. Es besteht immer eine Einheit mit
anderen Menschen und der Umwelt: Es gibt keine eigene Existenz aus sich selbst.
Deshalb kann man für shunyata auch
sagen: „leer von einer eigenen isolierter
Existenz“.
Die wichtigsten Sûtras zur Buddha-Natur
lassen sich auf die Zeit von 250 vor bis 900 nach unserer Zeitrechnung
festlegen. Besonders hervorzuheben ist eine
Schrift, welche die damals bekannten Texte zusammenfasst, die etwa zwischen 250
und 350 erarbeitet wurden, und Erläuterungen und Kommentare ergänzt.[ii]
Folgende Formulierungen wurden im Laufe der buddhistischen Geschichte in diesen
Sûtras für die Buddha-Natur verwendet:
„Klares Licht ist dieser Geist, er ist
durch hinzukommende Befleckungen befleckt.“
„Klares Licht ist dieser Geist, er wird
von hinzukommenden Befleckungen losgelöst.“
„Es ist nicht die Natur (des Geistes),
dass er befleckt wird. Von-Natur-aus-klares-Licht-sein, ist unbefleckt sein.“
„Etwas Reines wird nicht gereinigt, es
ist eben rein.“
„(Die Buddha-Natur) ist gerade wie das,
was geschieht, wenn Gold versunken ist im schmutzigen Abfall, wenn niemand es
sehen kann.“
„(Sie) ist wie ein Schatz, der
aufbewahrt ist, im Haus eines verarmten Mannes.“
„(Sie) ist gerade wie der Kern im
Innern der Mangofrucht, welche nicht zerfällt: Pflanze ihn in die Erde, und es
wird zwangsläufig ein großer Baum wachsen.“
„Es ist wie bei einem, der in ein
anderes Land reist und eine goldene Statue mit sich trägt und sie in schmutzige
abgetragene Lumpen einwickelt und sie in einem brachliegenden Feld ablegt.“
„Es ist wie bei einer verarmten Frau,
die nur scheinbar niedrig ist und gemein aussieht, aber einen edlen Sohn in
sich trägt.“