Für den großen Meister
Padmasambhava, der auch „Lotos-Entstandener“ genannt wird,
standen die Schönheit und Bewegung der
Welt, das Licht und die Helligkeit im Mittelpunkt seiner spirituellen Erfahrung.
Für mein Verständnis der Dynamik und
Prozesshaftigkeit des Buddhismus ist dieser Meister deshalb besonders
spannend: Dynamik, Veränderungen und Lichtenergien sind für ihn von zentraler
Bedeutung. Sie bilden den Gegensatz zu einem statischen Weltbild der Dinghaftigkeit, unbeweglicher Zustände und
unveränderlicher Substanzen, das auch von Nâgârjuna entschieden abgelehnt wird
und dem Zen-Buddhismus ebenfalls völlig fremd ist. Ein statisches, um nicht zu
sagen erstarrtes Welt- und Lebensbild gibt den Menschen nur eine scheinbare Sicherheit. Es ist
gekennzeichnet durch eine Verengung des Geistes und führt nach meiner Erfahrung
früher oder später zum Leiden.
Daher folge ich gern der Lebensphilosophie des Wandels und der Transformation.
In den letzten
Jahren sind zum ersten Mal mehrere Übersetzungen und Interpretationen der Texte
des großen buddhistischen Meisters Padmasambhava
in deutscher Sprache erschienen.[1]
Er hat neben Nâgârjuna wichtige Grundlagen vor allem des tibetischen Buddhismus
erarbeitet und lebte im achten Jahrhundert nach der Zeitenwende vermutlich im
östlichen Iran, nicht weit entfernt von der Grenze zum heutigen Afghanistan.
Inzwischen gilt als gesichert, dass in dieser Region die Manichäer und
Gnostiker einen großen Einfluss ausübten. Ihre Anschauungen haben vermutlich
Eingang in Padmasambhavas Lehre gefunden
Etwa 600 Jahre nach Nâgârjuna und vermutlich weitgehend
unabhängig vom chinesischen Chan entwickelte Meister Padmasambhava seine Lehre,
die einen Höhepunkt des Tantra-Buddhismus[2]
darstellt, der uns heute auch im tibetischen Original zugänglich ist. Sicher
fehlen noch genauere Analysen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei großen
buddhistischen Meister Nâgârjuna, Dôgen und Padmasambhava. Gerade deswegen möchte
ich hier ein markantes Zitat bringen, das sich durch tiefgründige Poesie und große Glaubwürdigkeit auszeichnet:
„Aus dem Zentrum des Daseins, die reine sichtbare
Erscheinungsform der dem Himmelsraum (gleichenden) wirbelnden Spiralbewegung
(des Seins),
sie haben sich als ein strahlendes Licht manifestiert,
unaufhörlich schöpferische Fähigkeiten:
Diese seinsmäßige Turbulenz hat sich als meine schöpferische
Fähigkeit erwiesen.
Und das strahlende Licht ist die schöpferische Kraft meines
Spiels (und meiner freudigen Bewegung).“[3]
Das Dasein
wird als wirbelndes Licht bezeichnet, ist also Bewegung und Helligkeit. Dabei
steht nicht fest, welches Dasein
gemeint ist – dasjenige des Kosmos oder unser eigenes. Meines Erachtens spricht
der Autor beides an, indem er uns die reine und wahre Erscheinungsform unseres
Lebens und der Welt vor Augen führt. Und worin besteht eigentlich der
Unterschied?
Das Licht
bezeichnet Padmasambhava als unsere unaufhörliche, sich immer weiterentwickelnde schöpferische Fähigkeit. Seine Versen
drücken die freudige Entwicklung im Buddhismus aus, sie sind weder negativ und
deprimiert noch dogmatisch, sondern spielerisch, heiter wie ein Tanz und voller
Kraft und Dynamik. Das ist der wahre Buddhismus!