Dôgen erklärt "knallhart", dass man das „Körper-Wissen“ erweckt haben sollte, um die wahre Form zu sehen. Man darf nicht nur auf die schönen Worte hören und seien sie noch so faszinierend. Er sagt über Menschen, die ihre eigene wahre Natur nicht kennen:
Dôgen schätzt Meister Kanadeva,
den Nachfolger Nagarjunas, sehr und sagt, dass er
„Sie haben mit ihren Augen niemals“ etwas Ähnliches gesehen wie „den formlosen Zustand des Samâdhi, dessen Gestalt den Vollmond wiedergibt“.
Sie hören nur auf die Worte und können die falschen imponierenden Gesten und den erlernten Ausdruck des Gesichtes nicht vom wahren Buddha-Dharma unterscheiden. Wenn wir das durchschauen, können wir uns vor falschen Lehrern schützen, die uns und unser Vertrauen vielleicht missbrauchen werden, wenn wir von ihnen abhängig geworden sind. Dazu gibt es heute traurige Beispiele!
„ein Würdiger des halben Sitzes und ein
führender Meister der Sangha ist, überzeugend und authentisch auf dem halben Sitz
des leitenden Meisters.“
Der Hinweis auf den „halben
Sitz“ greift die Geschichte auf, in der Gautama Buddha seinem Nachfolger Mahâkâshyapa eben
den halben Sitz der Leitung der Sangha anbot und damit zum Ausdruck brachte,
dass er im voll vertraue und die Fortsetzung der eigenen Arbeit des wahren
Buddhismus übergeben werde. Dôgen bedauert, dass es selbst ernannte Meister gegeben habe, die sich brüsteten, authentische
Nachfolger Buddhas zu sein, und allerlei ungenaue Schriften verfassten. Sie
würden sogar behaupteten, dass diese von Nâgârjuna
selbst geschrieben worden seien.
Hier mein Tipp: Fragen Sie höflich
Ihren Lehrer, ob er im Mittleren Weg (MMK)
Nagarjunas sattelfest ist. Kann er überzeugend die Leerheit als das "gemeinsames
Entstehen in Wechselwirkung" erklären? Denn der Chan- und Zen-Buddhismus
haben das MMK Nagarjunas als unbestreitbare Grundlage: Ohne MMK kein Zen, wie
mein Lehrer Nishijima Roshi sagte.
Und Leerheit ist keineswegs das absolute Nichts, sondern der lebende vernetzte Prozess des wahren Lebens
ohne (!) den Glauben an unveränderliche Substanzen und absolute Dogmen. Deshalb
ist Kanadeva der authentische Nachfolger Nagarjunas.
Für Dôgen ist die Bedeutung
der Buddha-Natur ganz offensichtlich und von transparenter Klarheit. Der
Zustand, in dem sich der Körper manifestiert, lehrt die Buddha-Natur klar,
eindeutig und vollkommen überzeugend. Die Physis der Buddhas zeigt sich als „geschicktes Mittel“, das im Lotos-Sûtra
beschrieben wird.[i]
Damit ist gemeint, dass diejenige Art und Weise zu lehren gewählt wird, die bei
den jeweiligen Menschen am besten für
dem Weg der Befreiung wirksam ist und überzeugt. Sie werden dort abgeholt, wo sie gerade jetzt sind.
Sie werden so durch den Lehrer am besten motiviert, ihre Probleme zu überwinden und das Leiden zur Ruhe kommen zu lassen. Viele
leiden nämlich, weil sie Leiden mit Nicht-Leiden verwechseln (MMK, Kapitel
23).
Es ist keine Frage, dass die
Ausstrahlung und nonverbale Kommunikation eines wahren Lehrers eine große,
direkte Kraft hat, die Menschen selbst zu stärken. Allerdings sollten diese
dafür offen und aufnahmefähig sein und dürfen nicht nur an den Worten kleben. Und der Lehrer sollte aufgrund eigener
Erfahrung Treffendes an die Teilnehmer übermitteln können. Einstudierte
großartige Gesten und scheinbar charismatische Verhaltensweisen reichen nicht
aus, um die Buddha-Natur physisch und direkt zu offenbaren.
Dann können sich große
Augenblicke der Wechselwirkung und Ganzheit ereignen: "Nicht Zwei sondern Einer", wie ein großer Chan-Meister
sagte.
[i] Kap. 17, ZEN Schatzkammer, Bd. 1, S. 125 ff.: „Die
Dharma-Blume der Wahrheit dreht die Blume der Dharma-Welt (Hokke-ten-hokke)“