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Wie können wir in der Natur zur nachhaltigen Freiheit und zum eigenen Glück kommen? Antwort: Die höchste Lebensphilosophie des Erwachens im Buddha-Dharma eröffnet den Weg. Das ergibt eine ganz neue Dimension und ungeahnte Tiefenschärfe für das Verständnis und Erleben der Schönheit und Kraft der Natur. Erst dann ist die Natur wirklich die Natur. Dann sind die Berge wirkliche Berge und die Flüsse wirkliche Flüsse, wie Dôgen sagt. Die Natur ist das umfassende Ganze und voller wunderbarer Einzelheiten. Wer in der Natur erwacht, fällt nicht zurück, wie es im Zen heißt.
Wir sind nicht von der Natur getrennt, sondern immer
in lebendiger Wechselwirkung mit ihr. Nagarjuna sagt zum Weg der Mitte über die
Natur: Die Wirklichkeit ist das gemeinsame Entstehen in Wechselwirkung. Darum
dürfen wir die Natur nicht missbrauchen, denn dann missbrauchen wir uns selbst. wenn wir von der Natur getrennt sind, gibt es keine Wirklichkeit, sondern nur Spekulationen, schwankende Meinungen und Verblendungen.
Die in den Tälern fließenden Bäche und Flüsse werden
von Dôgen als die Zungen Buddhas bezeichnet, die unaufhaltsam den wahren Dharma
lehren. Denn die Flüsse und Bäche stehen niemals still. Die Form der Berge
gleicht dem Körper Buddhas, der vor allem durch Reinheit und Frieden
gekennzeichnet ist. Man könnte die Natur von Wasser,
Erde, Feuer und Luft nur aus der materiellen Sicht und nach der äußeren
Form verstehen und beschreiben. Aber das ist nur die ärmliche Dimension des
Materialismus und diese ist einseitig und beschränkt. Wer die Natur nur ausbeuten
will, beutet langfristig sich selbst aus. Ob er das nun weiß oder nicht. Die
Wirklichkeit der Natur ist mehr als Meinungen, Gerede und Verdächtigungen. Wenn
man ihre Vernetzung und ihre Gleichgewichte zerstört, wird man selbst von ihr in
Wechselwirkung zerstört. Der Glaube an den Dualismus des Ich als großartiges
Subjekt und der Natur als abhängiges Objekt ist ein verhängnisvoller Irrtum.
Dôgen macht deutlich, dass eine solche materialistische Sichtweise nicht die
Wahrheit der buddhistischen Lehre treffen kann und nur eine ärmliche Teilwahrheit
ist und bleibt. Die wirklich verstandene und erlebte Natur geht weit über ihre stoffliche und
materielle Dimension hinaus. Sie ist eine wunderbare Komposition der
Wirklichkeit und kann den Menschen in seinem tiefsten Innern erfassen,
aufschließen und beglücken. Ich kenne keinen Menschen, der sich nicht von der
Schönheit der Natur anrühren lässt. Meine eigenen Naturerlebnisse in der Sahara, in den
Hoch-Alpen und im Sturm der Biskaya haben mich nachhaltig geprägt. Seitdem bin
ich als normaler und abhängiger Konsument nicht mehr tauglich. So aktiv verstehe ich das Speicher-Wissen nach Vasubandhu im Yogacara. Es müssen nicht
immer extreme Landschaften sein: Unsere Naturerlebnisse sind zu allen
Jahreszeiten und an allen Orten lebenswichtig.
Wir leiden, wenn die Schönheit und Klarheit der Natur durch materielle Gier
zerstört wird.
Im alten China
und Japan war die Verbundenheit oder, besser gesagt, die lebende Einheit mit
der Natur fundamental für das Leben der
Menschen. Es war unauflösbar mit den empfindenden Wesen, also den Tieren, und
den nicht empfindenden Lebewesen wie Kiefern, Bambus oder Chrysanthemen und den
vielen Pflanzen verschmolzen. Daher war der
Bambus in seiner Direktheit und Natur heilig. Dies alles wird im Buddha-Dharma
als Harmonie und natürliches Gesetz des Universums erlebt, erfahren und
verstanden.
„Ein Mönch
fragte Zen-Meister Chosa[i]:
‚Wie können wir die Berge, Flüsse und die Erde dazu bringen, dass sie zu uns
gehören?‘
Der Meister
sagte: ‚Wie können wir uns selbst dazu bringen, dass wir zu den Bergen, Flüssen
und der Erde gehören?‘“
Die Frage des Mönchs geht
von seinem abgegrenzten Ego aus und versteht das Erwachen
fälschlich so, dass man sich die Berge, Flüsse und die Erde aneignet. Dann
würden sie uns wie Objekte gehören. Wir wollen dann die Natur besitzen,
beherrschen oder ausbeuten. Wir wollen sie uns gewissermaßen einverleiben. Aber
das ist keine lebendige Wechselwirkung. Der Meister dreht diese Aussage um.
Denn die Natur kann heilsam auf uns einwirken. Er sagt, dass wir uns selbst
verändern müssen, wenn wir auf dem Buddha-Weg die notwendigen Lernprozesse
verwirklichen . Dann erfahren wir die lebendige unzerstörbare Einheit mit den
Bergen, Flüssen und der Erde.
Schließlich fasst Dôgen
zusammen: Wer in der Natur das große Erwachen erfährt, fällt nicht zurück.
Warum? Die Natur lügt nicht, macht uns nichts vor, gibt nicht an, will nichts
von uns, macht keine leeren Versprechen und verkündet keine aufgeblasen Pseudo-Wahrheiten und sie ist leer von verführerischen Ideologien und erstarrten Dogmen. Die Natur kann uns genau von
diesen unheilsamen Verirrungen und Extremen heilen. Sie ist wie sie ist und sie
wirkt wie sie wirkt!
[i]
Meister Chosa Keishin starb 868 und war Dharma-Nachfolger von Meister Nansen.