Samstag, 26. Dezember 2009

Verlassen des Familienlebens für den Buddha-Weg (Shukke), Teil 3

Dogen zitiert dann aus einem großen Mahayana-Sutra, in dem der weltgeehrte Buddha sagte:
Garten des Tempels Gion-ji, Mito"
Ein Bodhisattva-Mahasattva denkt, dass ich zu einer Zeit dem Thron entsagen und das Familienleben verlassen werde, und an diesem Tag werde ich den höchsten wahren und im Gleichgewicht befindlichen Zustand des Bodhi verwirklichen. An diesem Tag werde ich auch das wundervolle Dharmarad drehen und bewirken, dass zahllose Lebewesen dem Staub entkommen und den Schmutz verlassen. Ich werde bewirken, dass sie das wahre Dharma-Auge haben und gleichzeitig ... alle Ausschweifungen beenden, und (damit) ihren Geist und ihre Intuition befreien."

Dogen unterstreicht im Folgenden, dass die Entscheidung, die üblichen Ziele und Werte des sozialen Lebens zu verlassen, von maßgeblicher Bedeutung für uns ist. Dann können wir den höchsten Zustand des Bodhi-Erwachens verwirklichen. Er vergleicht diese Entscheidung und den folgenden Neubeginn unseres Lebens mit einem Salto in die richtige Richtung. Dann können wir in unserem Leben das große Dharmarad drehen. Er sagt:

"Denkt daran, dass dies die Situation ist, in der das Gute für uns selbst und das Gute für andere vollständig an diesem konkreten Ort erreicht wird. Es gibt dort kein Zurückfallen und kein Abirren vom höchsten Zustand des Erwachens. Dies (wird verwirklicht), wenn wir das (übliche) Familienleben verlassen und die Gelöbnisse empfangen."
Diese Wahrheit sei jenseits von Einheit und Unterschied. Auch die nur erlernten Vorstellungen der buddhistischen Lehre sowie die begrenzte Ebene der Begriffe und der Worte werde dann eindeutig überschritten. Wir erreichen dann den Bereich des wahren Handelns und des Augenblicks im Hier und Jetzt. Der Tag, an dem wir das (übliche) Familienleben verlassen, sei genau die Wirklichkeit dieses Tages, wie sie ist.
Er erinnert an die Geschichte, dass Gautama Buddha die Weisen und Heiligen seiner Zeit dazu bewegte, den von ihm entwickelten Großen Weg zu gehen und sich von dem allzu gewöhnlichen Leben zu verabschieden. Dies vollzieht sich mit dem ganzen Körper und Geist, ist also kein nur idealistisches oder nur körperliches Handeln.
Am Ende dieses Kapitels fasst er den wesentlichen Inhalt noch einmal zusammen und lässt einen Gesprächspartner fragen:

"Wie wichtig ist die Tugend, das (gewöhnliche) Familienleben zu verlassen?"
Dogen antwortet diesem Menschen:
"So wichtig wie dein Kopf."

Sonntag, 20. Dezember 2009

Verlassen des Familienlebens für den Buddha-Weg (Shukke), Teil 2


Dogen zitiert einen buddhistischen Text, der die damaligen Zen-Klöster wie folgt beschreibt:
"Die Buddhas der drei Zeiten sagen alle, dass man die Wahrheit verwirklicht, wenn man das (übliche) Familienleben verlässt. Die achtundzwanzig Vorfahren im Dharma in Indien und sechs im China der Tang-Zeit, die das Siegel des Buddha-Geistes übertrugen, waren alle Mönche, die die Ausschweifungen überwunden und sich vor dem Falschen gehütet haben: Wie ist es sonst möglich, den Zustand des Buddha zu verwirklichen und ein Nachfolger im Dharma zu werden?"
Der großartige Kairakuen Garden Mito
Es wird dann erwähnt, dass ein Mönch sich seine Kleidung und Essschalen nicht ausleihen sollte, sondern dass sie ihm selbst gehören und dass er dann mit diesen Zeichen als Mönch die Gelöbnisse empfangen kann. Dann sollten die werdenden Mönche die sechzehn Bodhisattva-Gelöbnisse empfangen, auch wenn sie bereits vorher andere umfangreiche Gelübde eines Mönchs oder einer Nonne abgelegt hatten.

Dogen bekräftigt dann noch einmal, dass die Verwirklichung der Wahrheit der Buddhas und alten großen Meister nichts anderes sei, als das „normale“ Familienleben zu verlassen und die Gelöbnisse zu empfangen. Dies sei das Lebensblut der Buddhas. Ein Mensch, der dieses Familienleben nicht verlassen habe, könne niemals ein buddhistischer großer Meister sein.

Diese Aussagen sollten nach Nishijima Roshi gleichnishaft als der entscheidende Schritt verstanden werden, sich von den Fesseln der Gier nach Reichtum, Ruhm, Macht und Ansehen zu befreien und sich ganz auf den Weg der Wahrheit zu konzentrieren. Wenn man sich nicht vom materiellen Streben nach eigenem Vorteil oder von ideologischer Rechthaberei löst, ist der Weg zur Wahrheit versperrt. Die Wahrheit eröffnet sich nur, wenn wir die Wirklichkeit erleben, so wie sie ist, und nicht von Begierden, Wünschen und Ängsten hin- und hergeworfen werden. Das Familienleben zu verlassen bedeutet also, die gewöhnlichen Ziele und Interessen des sozialen Lebens in unserer Gesellschaft zu hinterfragen und sich entschlossen von ihnen freizumachen.

Sonntag, 13. Dezember 2009

Verlassen des Familienlebens für den Buddha-Weg (Shukke), Teil 1


Dogen hat im Shobogenzo in zwei verschiedenen Kapiteln beschrieben, wie wichtig es ist, das übliche Familienleben in der sozialen Gesellschaft zu verlassen, um sich dem Buddha-Dharma zu widmen. Das erste dieser Kapitel wurde zu seinen Lebzeiten im Jahre 1246 verfasst und ist recht kurz und kompakt gehalten.
Ein zweites Kapitel wurde erst zwei Jahre nach seinem Tod veröffentlicht und ist sicher von seinem Nachfolger Ejo aus dem Nachlass zusammengestellt, veröffentlicht und eventuell auch von ihm bearbeitet worden. Wir wissen, dass Dogen durch Krankheit und Tod seinen Plan nicht mehr vollenden konnte, einige neue Kapitel seiner tiefgründigen und umfassenden buddhistischen Lehre und Praxis auszuarbeiten.
Als Vorbereitung für die endgültige Fassung im Shobogenzo sammelte er umfangreiches Material und viele Zitate aus verschiedenen Sutras, um sie dann zu kommentieren, neu auszuloten und zu interpretieren. Wir wissen, dass Dogen insgesamt 100 Kapitel für das Shobogenzo vorgesehen hatte, davon enthält die heutige umfangreiche Fassung insgesamt 95 Kapitel.
Eine tiefgründige und umfangreiche Ausarbeitung ist bei einigen nach seinem Tode veröffentlichten Kapiteln nicht immer erkennbar, vermutlich weil Meister Ejo im Wesentlichen die gesammelten Originaltexte der Sutras verwendete, weil Dogens eigene Ausarbeitungen nicht vorlagen.
Besonders in der Zeit von Gautama Buddha war es im alten Indien nicht selten, dass die Sucher nach der Wahrheit ihr soziales und familiäres Leben verließen, um zu großen Meistern zu gehen. Sie wollten sich von den Zwängen des gewöhnlichen Lebens befreien und sich ganz der spirituellen Wahrheit widmen.
Buddha selbst hat bekanntlich auch diesen Weg der Sucher gewählt und ist freiwillig aus einem recht angenehmen wohlhabenden und auch Erfolg versprechenden sozialen Leben ausgestiegen. Er hätte mit seinen großartigen Begabungen zweifellos auch den Weg des politischen und ökonomischen Erfolges wählen können. Es gab die Weissagung, dass er dann ein großer König und Herrscher über viele Länder in Indien geworden wäre.
Er lebte in einer Zeit des politischen, sozialen und religiösen Umbruchs, in der sich kleinere Königreiche einigen wenigen expandierenden Machthabern unterwerfen mussten, sodass große zentral beherrschte Reiche entstanden. Buddha wählte jedoch nicht den politischen Weg und entwickelte die, wie wir glauben, einzigartige und geniale Lehre, die wir heute als Buddhismus bezeichnen. Als er neunundzwanzig Jahre alt war, erlebte er das große Erwachen oder, wie es heute heißt, die tiefe Erleuchtung. Er hatte diesen Weg gewählt, um für andere und sich selbst die Befreiung aus den Ängsten, Täuschungen und Leiden des menschlichen Daseins und Handelns zu finden.

Im Buddhismus wird daher seit alters her sehr hoch geschätzt, wenn jemand sich ganz dem Weg der Wahrheit widmet und sein übliches, soziales Familienleben verlässt, um sich ganz auf sein großes Anliegen zu konzentrieren. Dies ist in Zeiten des politischen, wirtschaftlichen und religiösen Umbruchs häufiger zu beobachten, als in sicheren Zeiten. Wir können sogar sagen, dass die Zeiten Gautama Buddhas durchaus Ähnlichkeiten mit der sogenannten Postmoderne im Westen nach dem Zweiten Weltkrieg haben.

Nishijima Roshi betont, dass wir das Verlassen des Familienlebens nicht unbedingt zu eng und dogmatisch verstehen sollen, sondern dass es vor allem darum geht, die Fesseln und Bindungen eines unreflektierten sozialen Lebens in der jeweiligen Epoche zu überwinden. Dabei ist die Befreiung von der Gier nach Reichtum, Ruhm und Macht besonders wichtig, um dadurch die eigene Unwissenheit zu überwinden. Dies sei die eigentliche Bedeutung des von Dogen beschriebenen Entschlusses, das Familienleben zu verlassen.
Gerade in Zeiten des Materialismus, des religiösen Niederganges und der Gier nach allen möglichen dinglichen Genüssen, Ablenkungen und der oberflächlichen Unterhaltung, ist es von großer Bedeutung, sich von diesen Zwängen freizumachen und von den scheinbar unumstößlichen Regeln der Gesellschaft zu distanzieren. Die Formulierung: "Verlassen des Familienlebens", ist daher so zu verstehen, dass wir im buddhistischen Sinn die gesellschaftlichen und psychischen Zwänge hinter uns lassen.