Die Buddha-Natur wirklich zu
kennen, bedeutet, dass wir sie genau hier
und jetzt erfahren. Sie ist die wahre
Natur des Menschen und der Welt, die nicht von Ideologien, Täuschungen,
Illusionen, aber auch nicht von Gier, Hass, Ablehnung und Neid abhängt. Und die
Buddha-Natur hat in uns sehr viele positive
Potentiale, mehr als Sie vielleicht denken.
Psychische Phänomene wie
Enttäuschung, Verzweiflung oder Lebensangst verstellen dagegen die direkte
Erfahrung der Buddha-Natur. Dasselbe gilt für gedachte oder gar konstruierte
Ursachen und Umstände, dass zum Beispiel der Lehrer oder Meister in uns von
außen die Buddha-Natur erzeugt und uns gibt. Solche Vorstellungen beziehen sich
nicht auf den Augenblick hier und jetzt und haben keine Klarheit. Im Augenblick
zu leben und den Geist gerade nicht herumwandern zu lassen, bringt uns Freude
und Ruhe.
Wandernde Gedanken und einer
herumwandernder Geist drückt unsere Stimmung und macht uns einsam und Grübeln erzeugt
Elend. Das hat die Gehirnforschung und Psychologie ganz klar nachgewiesen! Im
Zen ist das schon seit Langem bekannt.
Die wahre Bedeutung der
Aussage im Zen:„wenn die Zeit gekommen ist“ kann daher nur sein: „Die Zeit ist schon gekommen“, sie ist die
Gegenwart, sie ist jetzt. Daran kann es keinen Zweifel geben. Aber selbst Zweifel kann die Sein-Zeit sein: Wenn
wir uns des Zweifels bewusst werden,
gibt das zusätzliche Klarheit und die Möglichkeit, ihn zu überwinden – dann ist
laut Dôgen die Buddha-Natur schon verwirklicht: Aus dem Zweifel in die
Klarheit.
Er betont, dass wir die Zeit
nicht vergeuden sollen. Den ganzen
Tag, also 24 Stunden lang, existiert die Buddha-Natur genau hier und jetzt. Es
geht dabei nur um die Gegenwart: Wir sollen zum Beispiel verantwortungsvoll
handeln, Zazen praktizieren, die Dinge und Phänomene klar und genau ansehen,
ganzheitlich hören und ohne eigenen Vorteil anderen helfen. Auch das Smartphone
einmal ganz ausschalten, nicht immer erreichbar sein, und so im Jetzt zur Ruhe
kommen. Präzise ausgedrückt heißt dies, „dass die Buddha-Natur nicht (irgendwann
von irgendwoher) ankommt“, sie wartet oder versteckt sich nicht in der Ferne,
auch nicht im Internet, sondern sie ist bereits
da. Die Buddha-Natur ist selbst direkt offenbar; es hat niemals irgendeine
Zeit gegeben, die nicht Buddha-Natur
war.
Nun zitiert Dôgen den
ehrwürdigen Ashvaghosha, den zwölften
indischen Dharma-Nachfahren.[i]
Ashvaghosha lehrte seinen Nachfolger Meister Kapimala den Ozean der
Buddha-Natur:
„Die
Berge, die Flüsse und die Erde sind alle auf der Grundlage (der Buddha-Natur)
geschaffen.
Der Samâdhi und die sechs Kräfte manifestieren sich selbst und beruhen auf ihr.“[ii]
Der Samâdhi und die sechs Kräfte manifestieren sich selbst und beruhen auf ihr.“[ii]
Nishijima und Cross
erläutern dazu, dass Dôgen mit diesen Worten Ashvaghoshas überwiegend theoretische Untersuchungen der Buddha-Natur
abschließt und auf die konkrete Welt,
hier die Berge, Flüsse und die Erde, überleitet. Er bezeichnet sie als den
umfassenden Ozean der Buddha-Natur und fügt hinzu, dass es genau um den Augenblick geht, in dem die Berge,
Flüsse und die Erde entstehen und geschaffen werden. Dann sind sie wirkliche
Berge und Flüsse.
Der Ozean verweist auf die
Grenzenlosigkeit und All-Gegenwart des Lebens. Nishijima Roshi sieht den Ozean
als Symbol für die vierte und höchste Lebensphilosophie,
also den Zustand des Erlangens der
Wahrheit. Ein solches Leben ist jedem zugänglich. Eingeengte materielle
Dimensionen wie innen, außen und in der Mitte haben damit ihre Bedeutung
verloren. Dasselbe gilt für Ideologien und Dogmen.
„Die
Berge und Flüsse anzuschauen, ist dasselbe wie die Buddha-Natur anzuschauen.“
In dieser Aussage kommt das
tiefe Verständnis des Zen-Buddhismus für die Natur zum Ausdruck, die Dôgen in
mehreren Kapiteln poetisch beschreibt.[iii]
Wenn wir Tiere erleben, erfahren wir die Buddha-Natur, erklärt er und spricht
in diesem Zusammenhang ganz konkret vom „den Kiefern des Esels“ und den
„Nüstern des Pferdes“. Dabei wird das subjektive und objektive Verständnis,
also die dualistische getrennte Sicht des Universums überschritten, es geht um
die Ganzheit und Einheit mit uns selbst.
Das führt zum großen Frieden.