Die Buddha-Natur ist kein
Ding, keine Entität wie ein Atom oder ein Wort, sondern die wahre Natur des ganzen Menschen in
dieser Welt. Sie überschreitet die Grenzen der verbalen Formulierungen, der Intellektualität
und hat keine metaphysischen Extreme wie absolute
Substanz oder unsichtbare übernatürliche
Essenz. "Natürlich" heißt auch, dass die wahre Natur keine intellektuelle absolute Wahrheit ist,
die von manchen verkopften Philosophen behauptet aber nie gefunden oder
beobachtet wurde. Nicht umsonst unterstreicht Dôgen in diesem Zusammenhang, wie
wichtig die Zazen-Praxis ist, denn sie ist Verwirklichung der Buddha-Natur jäh
im Augenblick oder, wie Nishijima Roshi es ausdrückt: das ist die erste Erleuchtung.
Dôgen zitiert den fünften
Nachfolger im Dharma in China:
„Die
Buddha-Natur ist Leerheit.[i] Daher
nennen wir sie ‚ohne sein‘"
Sie ist ganz ohne metaphysische Spekulationen, ohne irgendetwas
außer der Soheit: einfach, direkt, unverstellt und wunderbar.
Der Begriff „Leerheit“ wird häufig
missverstanden und mystifiziert. Auf keinen Fall bedeutet Leerheit, dass es keine Wirklichkeit gibt, und einen
isolierten Geist gibt es auch nicht: Geist und Form treten nicht getrennt auf. Leerheit
meint auch nicht das Nichts, denn das
wäre Nihilismus, der m. E. meist unecht oder sogar verlogen daher kommt. Das Gegenteil ist richtig: Sie bedeutet
die nicht auslotbare Wirklichkeit selbst, die einfach so erfahren und gesehen
wird, wie sie ist.[ii]
Im Japanischen wird dafür häufig das Wort ku
verwendet. Man kann es mit „Himmel“, „Raum“, „Luft“ und „Leerheit“ übersetzen; ku hat auch eine materielle Bedeutung
der Form. Denn wie gesagt Form und Geist können nicht getrennt werden.
Der Begriff „Leerheit“
stammt ursprünglich aus dem Sanskrit und lautet dort shunyata. Aufgrund einer eingeengten philosophischen Semantik wurde
dieser Begriff mit „Nichts“, „Nicht-Existenz“, „Nicht-Wirklichkeit“ und
„illusorische Natur aller weltlichen Phänomene“ wiedergegeben. Eine solche
Erklärung geht jedoch völlig in die Irre und an der Zen-buddhistischen
Bedeutung vorbei.
Shunyata steht nämlich für „nackt“,
„rein“ oder „transparent“ und heißt aus meiner Sicht vor allem, frei zu sein
von Täuschungen, Illusionen, affektiven Verzerrungen, Selbstsucht usw., und vor
Allem frei sein von extremen Ideologien der Extremisten. Buddha große Leistung
ist es nicht zuletzt, dass er sich von den damaligen Ideologien im Gewande der
Religion des Brahmamismus frei machte, nämlich dass die Menschen-verachtende
totale Trennung in Kasten und sogar Kastelose von Gott gewollt, bestimmt und ewige Wahrheit sei, die nicht zerstört
werden kann. Aber genau diese Zerstörung leistete Buddha.
Von Etwas leer zu sein
bedeutet, frei von davon zu sein. Der Begriff „Freiheit“ wird im Westen
überwiegend nur politisch verstanden und meint in diesem Sinne, frei zu sein
von Repressionen, Unterdrückung, Ausbeutung oder politischer Entmündigung. Das
ist sicher nicht ganz falsch. Die psychischen und spirituellen Aspekte dürfen
jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Solche Freiheit ist zum Beispiel die
Unabhängigkeit von psychischen Fesseln, Fixierungen, Verdrängungen,
Affektsteuerungen oder Suchtabhängigkeiten und andere vielfältige
Unterdrückungen. Das ist mit Leerheit ausgedrückt.
Psychische und politische
Freiheit bedeutet aber auf keinen Fall, verantwortungslos
und auf Kosten anderer in der Gemeinschaft zu leben und seine Aufgaben im Beruf, in der Familie usw. zu vernachlässigen:
"Erleuchtung ist
Feuerholz tragen und Wasser schöpfen",
einfach und unkompliziert. Freiheit
bedeutet auch nicht, sich wichtigen Lernprozessen zu verschließen und zu
behaupten, ein bestimmter psychisch-sozialer Zustand sei Ausdruck der eigenen
großartigen Persönlichkeit oder sogar Gott-gewollt. Das glauben vor Allem
Narzisten. Aber sie irren gründlich!