(Aus meinem neuen Buch
"Sternstunden des Buddhismus")
Buddha bezeichnet bei den Fünf Hemmnisses der Befreiung und des Erwachens den Stress und die damit verbundenen Angst als Aufgeregtheit
und Unruhe.
Stress und Angst sind neben der Einsamkeit die Haupt-Leiden der modernen
Welt und die häufigsten Ursachen für Krankheit. Denn sie schwächen unser
Immunsystem ganz entscheident.
Die hektische Betriebsamkeit ohne Rast und Ruh ist also ein typisches
Merkmal der postindustriellen Gesellschaft. Oft ist sie mit materieller Gier
gepaart und führt letztlich zu ineffizientem Handeln, sodass der Zeit- und
Energieaufwand höher ist als bei einer Vorgehensweise, die auf Ausgeglichenheit und Übersicht basiert.
Wenn wichtige Entscheidungen in einem Zustand der Aufgeregtheit und Unruhe
gefasst werden, ist der Prozentsatz an Fehlentscheidungen hoch, die wiederum zu
erhöhtem Aufwand führen, weil sie korrigiert werden müssen. Wer dagegen im
Zustand des inneren und äußeren
Gleichgewichts und mit guter Übersicht auch in schwierigen Situationen sich
selbst und die gegebene Situation beobachten kann, wird schnell und sogar
intuitiv die richtigen Entscheidungen fällen können. Diese Kräfte entwickeln
wir im ZEN-Buddhismus. Hierbei ist es von großer Bedeutung, sich selbst klar zu
analysieren und Defizite mutig zu erkennen, um vorhandene Hektik und Stress
abzubauen und in Zukunft zu vermeiden. Stress ist immer selbst gemacht, auch
wenn er von außen erregt wird. Er kann auch selbst gesteuert werden.
Von großer Bedeutung im Buddhismus ist daher die meditative Vertiefung, die meistens als Sammlung bezeichnet wird. Buddha nennt sie bei den Sieben Gliedern der Erleuchtung und beim
Achtfachen Pfad . Man kann diese Sammlung als Vollendung der acht
Bereiche auf dem Weg der Befreiung ansehen. Sie ist das Gegenteil von
Zerstreutheit und Fragmentierung der Gedanken und Gefühle, von Stress, Übelwollen
und Kritiksucht. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass oberflächliches
Multitasking unserem natürlichen Geist grundsätzlich fremd ist, oder um es
klarer auszudrücken, dass es von unserem Geist überhaupt nicht geleistet werden
kann.
Der Gehirnforscher Manfred Spitzer formuliert es so: „Man kann nicht
zwei Bücher gleichzeitig lesen.“[i] Es ist
also eine Illusion, dass unser Geist in der Lage wäre, mehrere Bereiche
gleichzeitig gründlich zu analysieren oder, wie es bei Buddha heißt, achtsam zu behandeln. Ähnliches gilt für
die sozialen Netze: Wie kann man achtsam leben, wenn uns das Smartphone all
sechs bis zehn Minuten unterbricht, denn das ist der gegenwärtige
Durchschnittswert in Deutschland. Achtsamkeit und Multitasking schließen sich
aus. Solche Netze sind Informations-Epidemien!
Ein weiters Glied des
Erwachens ist die Gleichmut. Es
handelt sich dabei um das Gleichgewicht unseres Gemüts und unseres Geistes,
also unsere Gestimmtheit und unseren
geistig-psychischen Zustand. Die wirkungsvolle Vorgehensweise gegen Stress und
Angst besteht darin, dass wir die Achtsamkeit innen, außen und sowohl innen als
auch außen vertiefen und üben. Gleiches gilt für das Entstehen und Vergehen von
Gleichmut.
Und so heißt es bei Buddha: "Unabhängig lebt er
und haftet an nichts"
[i] Spitzer, Manfred: Cyberkrank, S. 61