Weder die Buddha-Natur noch
die Dharma-Natur lässt sich gedanklich voll erfassen, denn sie würden dann nur
in der Lebensphilosophie des Idealismus bleiben. Auf dieser Ebene kann man auch
zum Beispiel die Frage, ob es die Buddha-Natur gibt oder nicht, überhaupt nicht
beantworten und nicht einmal sinnvoll angehen. Es ist die falsche Ebene. Dōgen
sagt dazu:
„Der Geist, den die großen
buddhistischen Meister ausdrücken (und lehren), ist die Haut, das Fleisch, die
Knochen und das Mark. Die Essenz, die die großen buddhistischen Meister
bewahren, ist ein Bambusrohr und ein Stab.“
Der Geist umfasst damit die
ganze Wirklichkeit des Denkens, Redens, Lehrens, der materiellen Wirklichkeit
der Natur sowie das Handeln und ist das erwachte Leben selbst.
Dōgen betont im Hinblick auf
den Geist in besonderer Weise das Handeln beim Hören, Darlegen, Praktizieren
und Erfahren dieses Zustandes des Geistes. Genau dieses Handeln sei der Geist
und die Essenz des Buddhismus:
„(Die großen Meister) bewahren und
lernen im Handeln diesen Zustand des Tiefgründigen und Feinen.“
Wer kein solches Verständnis
und Erleben hat, taumelt durch die Zeiten seines Lebens und schwankt zwischen
Erlangen und Nicht-Erlangen der Wahrheit hin und her. Nach Nishijima und Cross
geht es um die intuitive Betrachtung „unmittelbar vor und nach einer Handlung“.
Dies sei nichts anderes, als den Geist zu erklären und die Natur darzulegen.[i] Einen
anderen Weg und eine andere Möglichkeit gibt es im Buddhismus nicht.
Dōgen zitiert dann den ersten Zen-Meister Bodhidharma, der zu seinem Nachfolger Taiso Eka sagte:
„Wenn du genau die externen Bindungen
enden lässt und in deinem Geist keine Unruhe und keine Hektik sind, wird dein
Geist wie Hecken und Mauern sein, und du kannst in die Wahrheit eingehen.“
Eka konnte mit diesen
Aussagen zunächst nichts anfangen. Aber plötzlich erlangte er eine tiefe Betrachtung
und Einsicht und sagte zu Bodhidharma, dass er zum ersten Mal die Bindungen an
die Außenwelt beendet habe. Dieser erkannte, dass Eka bereits im Zustand der
Verwirklichung und des Erwachens war und wollte von ihm eine genaue Bestätigung
dazu haben. Deshalb stellte er die scheinbar entgegengesetzte Frage:
„Du hast die Beendigung (der Bindung an
die äußere Welt) nicht verwirklicht. Nicht wahr?“
Eka antwortete mit „Mu“, dessen Bedeutung sich etwa mit dem
deutschen Ausdruck umschreiben lässt „nein es gibt nichts“ oder „ich habe
nichts“. Mu ist keine einfache
Negation und überhaupt keine nihilistische
Aussage, sondern verweist auf eine Ebene, die mit simplen Worten und dem
unterscheidenden Verstand nicht zu erfassen ist. Sie verweist also auf die Unfassbarkeit des Geistes.
In diesem Sinne äußerte sich
auch Meister Eka:
„Ich erkenne es immer sehr klar, daher
kann ich es nicht mit Worten ausdrücken.“
Meister Bodhidharma
bestätigte daraufhin, dass dies genau die wesentliche Essenz des Geistes ist,
die seit der Vergangenheit von den Buddhas weitergegeben wird:
„Nun hast du es erlernt, du musst es
jetzt selbst gut bewahren.“