Dōgen zählt mehrere Beispiele
aus der buddhistischen Überlieferung auf, die veranschaulichen, wann und wie
der Geist gelehrt und die Natur-Essenz dargelegt wird:
eine Blume in den Händen zu halten,
ein Zeichen mit den Augen zu geben,
ein Gesicht, in dem ein Lächeln
erscheint,
Niederwerfungen zu machen und
bei der Dharma-Übertragung auf seinem
Platz zu stehen.
Diese Beispiele sprechen die Dharma-Übertragung von Gautama Buddha auf Mahākāshyapa und von Bodhidharma auf Meister Eka an. In diesen besonderen Augenblicken werden keine Worte verwendet, denn die spirituelle Interaktion vollzieht sich durch Handeln in vollständiger Übereinstimmung der Menschen.
Auch in den anderen
Beispielen aus der Zen-Geschichte, die Dōgen noch aufführt, haben die Meister vor allem durch Handeln und Gesten den umfassenden Geist
gelehrt und die Essenz des Buddhismus dargelegt.
Diese Zustände des Geistes
präzisiert Dōgen, indem er die Augenblicke
der Wirklichkeit anspricht sowie die Einheit von Geist und konkreten Dingen und
Phänomenen betont:
„(Es sind Augenblicke,) wenn die
Wahrheit verwirklicht wird, dass das Entstehen des Geistes (gleichzeitig) das
Entstehen der vielfältigen wirklichen Dharmas (Dinge und Phänomene) ist.
Außerdem wird die Wahrheit verwirklicht, dass das Vergehen des Geistes das
Vergehen der vielfältigen wirklichen Dharmas ist. In diesen Augenblicken wird
der Geist gelehrt, und in diesen Augenblicken wird die Natur dargelegt.“
Damit unterstreicht er die
Einheit von Geist und konkreten Dingen und Phänomenen, die sich genau in den
Augenblicken verwirklichen, die kommen und gehen, entstehen und vergehen.
Demgegenüber behaupten diejenigen Menschen, die den Buddha-Dharma nicht kennen,
dass der Geist unabhängig von den konkreten Dingen und Phänomenen wie den
Zäunen, Hecken, Ziegeln und Kieselsteinen und überhaupt der Natur sei. Sie
lehren nicht den Geist und legen nicht die Essenz dar, sondern sie reden nur über den Geist.
Sie sind fest davon
überzeugt, dass kluges, intellektuelles Reden das Wesentliche sei und dass sich
dabei der Geist und die Natur manifestieren würden. Dōgen distanziert sich von
dieser Sichtweise, weil Lehre und
praktisches Handeln beim Geist und bei der Natur im Augenblick immer
identisch sind und es keinen von dieser umfassenden Wirklichkeit losgelösten,
denkenden oder redenden Geist gibt. Dem Irrtum eines unabhängigen Geistes
unterliegen diese Menschen laut Dōgen hauptsächlich deshalb,
„weil sie nicht kritisch darüber nachdenken,
ob sie die große Wahrheit durchdrungen haben oder nicht.“
Dann berichtet er von einem
gewissen Meister Sōkō, der
gleichzeitig mit dem großen Meister Wanshi
im 12. Jahrhundert lebte. Er kritisiert Sōkōs oberflächliches und nicht
authentisches Verständnis des Geistes
und der Wirklichkeit, das er leider auch als Buddha-Lehre im damaligen China
verbreitet habe.
Sōkōs Aussagen wirken zunächst recht glaubhaft und stimmen
scheinbar mit der wahren buddhistischen Lehre und Praxis überein. Bei genauerer
Untersuchung stellen wir jedoch fest, dass es sich um theoretische und intellektuelle Aussagen, um nicht zu
sagen Behauptungen, handelt, die
keine Einheit von Lehre, Praxis und Zazen beinhalten.
In einem anderen Kapitel[i]
schildert Dōgen die Geschichte von Sōkō detaillierter und stellt fest, dass
dieser den wahren Dharma nicht erlangt und keinen Zugang zu einem wahren
Meister gefunden hat. Sōkō war auch einer der Initiatoren und Gründer einer
bestimmten Richtung des Kōan-Zen, die Dōgen nicht immer schätzte. Der dabei
versprochene schnelle Weg zur Erleuchtung
erweist sich meist als Sackgasse. Ich folge Dōgen, wenn er betont, dass seine
und Wanshis Praxis des Zazen in der Einheit mit der authentischen Lehre weniger
Gefahren birgt, vom wahren buddhistischen Weg abzuirren.
[i] Kap. 75, ZEN Schatzkammer, Bd. 3, S. 134 ff.: „Der
Samâdhi als Erfahrung des Selbst (Jishō-zanmai)“