Samstag, 20. Februar 2021

Was passiert nach der wahren Erleuchtung?

Nach der wahren Erleuchtung befreit man sich von Illusionen, engen Doktrinen und falschen Lehrern. Die Abhängigkeiten von Worten weicht dem vollen direkten Leben. Das volle Leben gewinnt also. Aber wie? 

Ein großer Zen-Meister beschrieb einmal einen Menschen, der sich über die Vorstellung von Buddha hinaus entwickelt hat, zur wahren Freiheit:

„Es ist ein großer Mensch, der keinen illusionären Samen der Buddha-Natur hat. Wenn er den (unwahren) „Buddha“ trifft, tötet er einen solchen Buddha. Wenn er nur die illusionären Worte „Vorfahren im Dharma“ trifft, tötet er solche „Vorfahren im Dharma“. Der Himmel kann ihn nicht annehmen und auch die Hölle hat kein Tor, um ihn einzulassen. Mönche (!) kennt ihr einen solchen Menschen oder nicht?“

Nach dieser Frage entstand eine Pause bei den Zuhörern, keiner wusste zu antworten und der Meister fügte hinzu:

„Der Mensch, der vor euch steht, ist nicht besonders klug. Er schläft viel und redet eine Menge im Schlaf.“

Zweifellos: Dieser Meister ist ein natürlicher einfacher Mensch, aber war voll erwacht! Warum? Worte, Begriffe, Illusionen und Dogmen sind zur Ruhe gekommen. Denn die Buddha-Natur ist die wahre Natur und keine gelernte Vorstellung. Und Illusionen werden häufig durch Dogmen erzeugt. Sie können nicht mehr stören und keine Extreme oder Übertreibungen erzeugen. Dogmen und Extreme sind unwahr, denn es geht um den freien Weg der Mitte. Dogmen verhärten die Bedeutungen der Worte und Gedanken, sie spalten und erzeugen Hass und Verachtung in den menschlichen Gruppen. Und Hass führt bei allen betroffenen Menschen zum Leiden: Bei denen, die hassen, und denen, die gehasst werden! Hass ist kein Heldentum sondern das Gegenteil.

Was bedeutet ein solcher fast brutaler Zen-Spruch nun wirklich? Ist damit gemeint, dass man den wahren lebenden Buddha töten muss, um frei zu werden und sich weiterzuentwickeln? Das kann wohl nicht sein.

Dōgen erläutert, dass sich ein solcher Mensch aus der einseitigen Abhängigkeit von seinen eigenen sechs Sinnen befreit hat. Eine solche Abhängigkeit wäre Materialismus. Seine Augen zeigen uns, dass er nicht von Gier, Leidenschaften, Hass Narzissmus und ungesteuerten Emotionen abhängig und getrieben wird.

Er hat die illusionären Bilder und Vorstellungen einer äußerlich goldenen Buddha-Figur hinter sich gelassen, denn diese sind letztlich nur Bilder und nicht die Wirklichkeit des buddhistischen Lebens. Genauso hat er die negativen Sichten eines „Schlamm-Buddha“ verlassen. Sein Buddha ist einfach aus Holz geschnitzt, wie dies früher häufig in China anzutreffen war. Und dieser Holzbuddha eröffnet den wahren Buddha. Seinen Geist hat er in der buddhistischen Praxis viele Jahre lang geschult und geklärt, so dass er einem „alten zerbrochenen Holzlöffel“ gleicht, der viele Jahre lang benutzt wurde.

Wenn es die Hölle gäbe, würde er dort gar keine Aufnahme finden, weil er nicht hineinpasst. Er wäre zum Beispiel als Höllenwächter völlig ungeeignet. Er passt auch nicht in einen illusionären Himmel von Heiligen und Helden

Ein solcher Mensch muss nicht besonders intelligent sein und hat vielleicht kein großartiges komplexes Wissen aufzuweisen. So steht er einfach da, lächelt und lebt sein natürliches Leben mit den anderen. Und jeder sieht: Er ist ein befreiter zufriedener Mensch.

Aber er hat ein umfassendes, tiefes Verständnis der Berge und der ganzen Erde; sie sind ihm vertraut und ans Herz gewachsen. Er ist nicht mehr einsam in den menschlichen Gruppen und leidet nicht unter Frustrationen. Damit werden nach Meister Dōgen die täuschenden und nur idealistischen aber auch die verflachten materiellen Bereiche des Lebens überschritten.

Weiterlesen: Nach der Erleuchtung