Nach der wahren Erleuchtung befreit man sich von Illusionen, engen Doktrinen und falschen Lehrern. Die Abhängigkeiten von Worten weicht dem vollen direkten Leben. Das volle Leben gewinnt also. Aber wie?
Ein großer Zen-Meister beschrieb einmal einen Menschen, der sich über die Vorstellung von Buddha hinaus entwickelt hat, zur wahren Freiheit:
„Es ist ein großer Mensch, der keinen illusionären Samen der
Buddha-Natur hat. Wenn er den (unwahren) „Buddha“ trifft, tötet er einen
solchen Buddha. Wenn er nur die illusionären Worte „Vorfahren im Dharma“
trifft, tötet er solche „Vorfahren im Dharma“. Der Himmel kann ihn nicht
annehmen und auch die Hölle hat kein Tor, um ihn einzulassen. Mönche (!) kennt
ihr einen solchen Menschen oder nicht?“
Nach
dieser Frage entstand eine Pause bei den Zuhörern, keiner wusste zu antworten
und der Meister fügte hinzu:
„Der Mensch, der vor euch steht, ist nicht besonders klug.
Er schläft viel und redet eine Menge im Schlaf.“
Zweifellos: Dieser Meister ist ein natürlicher einfacher
Mensch, aber war voll erwacht! Warum? Worte, Begriffe, Illusionen und Dogmen
sind zur Ruhe gekommen. Denn die Buddha-Natur ist die wahre Natur und keine gelernte Vorstellung. Und Illusionen werden häufig durch Dogmen erzeugt. Sie
können nicht mehr stören und keine Extreme oder Übertreibungen erzeugen. Dogmen und Extreme sind unwahr, denn es geht um den freien Weg der Mitte. Dogmen verhärten die Bedeutungen der Worte und Gedanken, sie spalten und erzeugen Hass und Verachtung in den menschlichen Gruppen. Und Hass führt bei allen betroffenen Menschen zum Leiden: Bei denen, die hassen, und denen, die gehasst werden! Hass ist kein Heldentum sondern das Gegenteil.
Was
bedeutet ein solcher fast brutaler Zen-Spruch nun wirklich? Ist damit gemeint,
dass man den wahren lebenden Buddha töten muss, um frei zu werden und sich
weiterzuentwickeln? Das kann wohl nicht sein.
Dōgen
erläutert, dass sich ein solcher Mensch aus der einseitigen Abhängigkeit von
seinen eigenen sechs Sinnen befreit hat. Eine solche Abhängigkeit wäre
Materialismus. Seine Augen zeigen uns, dass er nicht von Gier, Leidenschaften,
Hass Narzissmus und ungesteuerten Emotionen abhängig und getrieben wird.
Wenn
es die Hölle gäbe, würde er dort gar keine Aufnahme finden, weil er nicht
hineinpasst. Er wäre zum Beispiel als Höllenwächter völlig ungeeignet. Er passt
auch nicht in einen illusionären Himmel von Heiligen und Helden
Ein
solcher Mensch muss nicht besonders intelligent sein und hat vielleicht kein
großartiges komplexes Wissen aufzuweisen. So steht er einfach da, lächelt und
lebt sein natürliches Leben mit den anderen. Und jeder sieht: Er ist ein
befreiter zufriedener Mensch.
Aber er hat ein umfassendes, tiefes Verständnis der Berge und der ganzen Erde; sie sind ihm vertraut und ans Herz gewachsen. Er ist nicht mehr einsam in den menschlichen Gruppen und leidet nicht unter Frustrationen. Damit werden nach Meister Dōgen die täuschenden und nur idealistischen aber auch die verflachten materiellen Bereiche des Lebens überschritten.