Sonntag, 21. Oktober 2018

Stress, Angst und Buddhismus


(Aus meinem neuen Buch "Sternstunden des Buddhismus")

Buddha bezeichnet bei den Fünf Hemmnisses der Befreiung und des Erwachens den Stress und die damit verbundenen Angst als  Aufgeregtheit und Unruhe.
Stress und Angst sind neben der Einsamkeit die Haupt-Leiden der modernen Welt und die häufigsten Ursachen für Krankheit. Denn sie schwächen unser Immunsystem ganz entscheident.

Die hektische Betriebsamkeit ohne Rast und Ruh ist also ein typisches Merkmal der postindustriellen Gesellschaft. Oft ist sie mit materieller Gier gepaart und führt letztlich zu ineffizientem Handeln, sodass der Zeit- und Energieaufwand höher ist als bei einer Vorgehensweise, die auf Ausgeglichenheit und Übersicht basiert. Wenn wichtige Entscheidungen in einem Zustand der Aufgeregtheit und Unruhe gefasst werden, ist der Prozentsatz an Fehlentscheidungen hoch, die wiederum zu erhöhtem Aufwand führen, weil sie korrigiert werden müssen. Wer dagegen im Zustand des inneren und äußeren Gleichgewichts und mit guter Übersicht auch in schwierigen Situationen sich selbst und die gegebene Situation beobachten kann, wird schnell und sogar intuitiv die richtigen Entscheidungen fällen können. Diese Kräfte entwickeln wir im ZEN-Buddhismus. Hierbei ist es von großer Bedeutung, sich selbst klar zu analysieren und Defizite mutig zu erkennen, um vorhandene Hektik und Stress abzubauen und in Zukunft zu vermeiden. Stress ist immer selbst gemacht, auch wenn er von außen erregt wird. Er kann auch selbst gesteuert werden.

Von großer Bedeutung im Buddhismus ist daher die meditative Vertiefung, die meistens als Sammlung bezeichnet wird. Buddha nennt sie bei den Sieben Gliedern der Erleuchtung und beim Achtfachen Pfad . Man kann diese Sammlung als Vollendung der acht Bereiche auf dem Weg der Befreiung ansehen. Sie ist das Gegenteil von Zerstreutheit und Fragmentierung der Gedanken und Gefühle, von Stress, Übelwollen und Kritiksucht. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass oberflächliches Multitasking unserem natürlichen Geist grundsätzlich fremd ist, oder um es klarer auszudrücken, dass es von unserem Geist überhaupt nicht geleistet werden kann.

Der Gehirnforscher Manfred Spitzer formuliert es so: „Man kann nicht zwei Bücher gleichzeitig lesen.“[i] Es ist also eine Illusion, dass unser Geist in der Lage wäre, mehrere Bereiche gleichzeitig gründlich zu analysieren oder, wie es bei Buddha heißt, achtsam zu behandeln. Ähnliches gilt für die sozialen Netze: Wie kann man achtsam leben, wenn uns das Smartphone all sechs bis zehn Minuten unterbricht, denn das ist der gegenwärtige Durchschnittswert in Deutschland. Achtsamkeit und Multitasking schließen sich aus. Solche Netze sind Informations-Epidemien!

Ein weiters Glied des Erwachens ist die Gleichmut. Es handelt sich dabei um das Gleichgewicht unseres Gemüts und unseres Geistes, also unsere Gestimmtheit und unseren geistig-psychischen Zustand. Die wirkungsvolle Vorgehensweise gegen Stress und Angst besteht darin, dass wir die Achtsamkeit innen, außen und sowohl innen als auch außen vertiefen und üben. Gleiches gilt für das Entstehen und Vergehen von Gleichmut.

Und so heißt es bei Buddha: "Unabhängig lebt er und haftet an nichts"




[i] Spitzer, Manfred: Cyberkrank, S. 61