Dôgen besuchte auf seiner
Reise nach China viele Klöster und war häufig enttäuscht, dass der wahre
Buddhismus an Kraft und Lebendigkeit verloren hatte. Er sah auch das berühmte
Bild Nagarjunas in der Form des runden Mondes und sagt glasklar: "Bilder müssen die Wirklichkeit
darstellen". Aber welche Wirklichkeit? Das ist die Soheit, das ist die Alltags-Erleuchtung von "Feuerholz tragen und Wasser schöpfen",
also weder illusionärer Idealismus noch magerer Materialismus. Deshalb schätze
ich selbst den Zen so sehr!
Bedauerlicherweise seien diese
Soheit und Wirklichkeit im China der Song-Zeit kaum richtig verstanden und
wiedergegeben worden:
„Es war für sie unmöglich, (das Geschehen)
mit dem Körper zu beschreiben, mit dem Geist zu beschreiben, es im Raum zu
beschreiben oder es auf einer Wand darzustellen.“
Und wie steht es heute mit
dem Zen und dem Verständnis von Dôgen und Nagarjuna? Nishijima Roshi wurde bei
der Frage des wahren Buddhismus in
seinen letzten Lebensjahren mit über 90 kämpferisch und sagte mir, dass er
gerade auf den Westen setzten würde.
Das ist m. E. unser Auftrag.
Aber weiter zu Dôgen: Vergeblich
hätten die Menschen mit ihren Pinseln einen runden Kreis wie einen runden
Spiegel oberhalb des Sitzes von Nâgârjuna gezeichnet. Diese Darstellung sollte Nâgârjuna
zeigen, der sich als die Rundheit des
Mondes manifestiert. Dôgen wundert sich darüber, freundlich ausgedrückt, dass
keiner seit vielen Jahrhunderten kritisiert hatte, dass solche Zeichnungen oberflächlich seien. Er spricht von
einem „Metallsplitter in den Augen der
Menschen“, bezeichnet diese Bilder als Pfusch
und bedauert sehr, dass dadurch die tiefe
spirituelle Bedeutung der Manifestation von Nâgârjunas Körper überhaupt nicht
korrekt dargestellt wurde.
Solche minderwertige Malerei beschreibt er treffend als „gemalten Reiskuchen“ – ein Gleichnis
dafür, dass die zentrale Botschaft verfehlt wird. Mit dem gemalten Reiskuchen kann
man nämlich den eigenen Hunger nicht stillen, dies ist nur mit dem wirklichen Reiskuchen möglich.[i]
Das heißt auch, dass man die
Abbildungen der Wirklichkeit nicht mit der Wirklichkeit
selbst verwechseln darf. Ein wahres Bildnis Nâgârjunas ist daher gerade
nicht das Gleiche wie das kritisierte Bild des Reiskuchens, sondern muss die
volle Wirklichkeit des erleuchteten großen Meisters darstellen. Und den digitalen Reiskuchen kann man schon gar nicht essen.
Ohne Frage schätzt Dôgen buddhistische
Bilder und Malerei außerordentlich hoch und stellt an sie deshalb klare
Qualitätsanforderungen: Zum Beispiel dürfen Bilder niemals vereinfachen oder romantisieren. Er erklärt, dass der Buddha-Dharma
gar nicht authentisch übermittelt
werden könnte, wenn es keine Bilder und
Statuen gäbe, die durch die künstlerische und spirituelle Tiefe sogar oft
stärker auf Menschen und ihr Leben einwirken als Sprache und Geschriebenes.
[i] Kap. 40, ZEN Schatzkammer, Bd. 2, S. 133 ff.: „Was
bedeutet das Bild eines Reiskuchens? (Gabyô)“