Wer auf dem Weg ist, die wahre NATUR des Menschen, also die
Buddha-Natur, zu sehen, reduziert sich nicht allein auf die äußere Form. Gerade
in Familien und in der Partnerschaft sollten wir auf Feinheiten im Ausdruck des
Gesichts und auf die ganze Körpersprache achten. Wie verändert sich die Sprache
des Gesichts und des Körpers in Wechselwirkung
mit unseren eigene Worten und unserer Tonlage? Machen wir, dass sich ein
Lächeln zeigt, das uns mehr über den inneren Prozess beim anderen sagt, als
der formale Inhalt des Gespräches? Und: Die wahre Natur ist keine Erinnerung und keine Erwartung, denn beides ist recht unzuverlässig, sondern genau dasjenige, was im AUGENBLICK da ist. Diese tiefe Weisheit des Zen wird von der modernen Gehirnforschung voll bestätigt.
Laut Nishijima und Cross
unterscheidet Dôgen zwei verschiedene Arten des Sehens.[i] Zum
einen geht es um das materielle Sehen der äußeren Form, also um eine oft eingeengte
Dimension der Wahrnehmung mit den Augen. Zum anderen ist das intuitive, umfassende Sehen und Schauen
gemeint, das für den Lernprozess und die Erfahrung der Buddha-Natur
maßgeblich ist.
Dôgen untersucht Nâgârjunas
Lehre mit großer Sorgfalt. Er beginnt damit, dass der Körper die Rundheit des
Mondes manifestiert und die Physis der Buddhas damit zeigt. Er interpretiert
die Physis und Rundheit des Mondes also sehr konkret als Form und nimmt damit
Abstand von einer esoterischen und nicht-körperlichen Erklärung. Auch diese
Rundheit will genau beobachtet sein!
Nishijima und Cross
erläutern, dass Nâgârjuna aber von seinem Körper-und-Geist
redet, der ganz konkrete Eigenschaften habe, aber gleichzeitig eine ungeteilte
Ganzheit mit dem Universum sei.[ii] Es
geht also um die spirituelle und konkrete umfassende Ganzheit.
Dôgen grenzt sich konsequent
von jenen ab, denen der eigene Körper
fremd geworden ist. Sie seien nicht nur ignorant gegenüber der Rundheit des
Mondes, sondern auch gegenüber der Physis
der Buddhas. Insbesondere kritisiert er törichte Menschen, welche
„die Rundheit des Mondes als die
Manifestation eines fantastisch transformierten (übernatürlichen!) Körpers“
bezeichnen. Solche Versionen gibt es auch heute bei manchen
buddhistischen Lehrern. Das führt aber von der klaren Wirklichkeit fort in die spekulative Scheinwelten der
Illusionen und gibt falschen Heiligen den angestrebten Raum für Macht und Missbrauch.
Dies ist nach Dôgen eine völlig abwegige Idee derjenigen, die keine authentische Übertragung von Buddhas Wahrheit empfangen hätten.
„An welchem Ort und in welchem Augenblick mag
es eine andere Manifestation eines ganz anderen Körpers geben?“,
fragt er und erklärt,
Nâgârjuna habe ganz einfach wie jeder andere Mensch auf seinem Sitz gesessen.
Er habe sich als Meister ganz konkret manifestiert,
jenseits von diffusen Begriffen oder Vorstellungen wie Existenz und Nicht-Existenz oder von Unsichtbarkeit oder
Sichtbarkeit:
„Es ist genau der Körper, der sich
genau (und umfassend) manifestiert.“
Anschließend führt Dôgen
aus, dass die Rundheit des Mondes symbolisch für die Erleuchtung und die
Buddha-Natur steht:
„Dieser
Ort ist der Ort, wo etwas Unfassbares da ist. Erkläre es (wenn du willst) als
fein, oder erkläre es als grob.“