Dôgen arbeitet die tiefere
Bedeutung der Begriffe „konstant“ und „unveränderlich“ heraus, das ist der
Gegensatz zum Prinzip Buddhas der Veränderung, Emanzipation Entwicklung und
Innovation. Die Trennung von Subjekt und Objekt sei die Ursache der scheinbaren
unveränderlichen Konstanz, bei welcher der Geist vom Augenblick und der
Sein-Zeit der Menschen getrennt ist.
Dôgen formuliert dies in der
Sprache des Zen-Buddhismus so:
„Zusammengefasst
gilt: Dasjenige ohne Konstanz und Dauerhaftigkeit, wie das
Veränderliche: das Gras, die Bäume und der Wald, ist genau die Buddha-Natur.“
Denn die Natur, in diesem
Fall die nicht-empfindenden Wesen, ist Augenblick für Augenblick genau in ihrem
natürlichen Zustand. Die nicht-empfindenden Wesen sind niemals erstarrt und
unveränderlich und gleichen nicht einem menschlichen Geist, der von Ideologien, materieller Gier, innerem
Zwang und Abhängigkeiten okkupiert ist. Auch Länder, Berge und Flüsse seien
niemals konstant und starr, auch sie seien die Buddha-Natur. Wer das erkannt
hat, ist auf dem Weg der Erleuchtung und Freude.
Dôgen ist sich bewusst, dass
eine solche Aussage in manchen buddhistischen Gruppen ungläubiges Erstaunen hervorruft, weil sie den tradierten Meinungen
widerspricht, die sich angeblich auf
die Sûtras von Gautama Buddha beziehen. Er drückt sich in diesem Zusammenhang
recht drastisch aus:
„Wenn (solche Menschen) erstaunt sind
und zweifeln, sind sie Dämonen und keine Buddhisten.“
Der Begriff des bedingten
Entstehens wird auch heute noch häufig ausschließlich als prozesshafter Verlauf
entlang der linearen Zeit verstanden. Dieser theoretische Gedanke ist zwar
nützlich, um zum Beispiel eine ökologisch heile Umwelt für zukünftige
Generationen zu erhalten. Mit Recht werden Joanna Macy und andere engagierte
buddhistische Umweltschützerinnen und Umweltschützer nicht müde, darauf mit
Nachdruck hinzuweisen.[i]
Aber die existenzielle und
spirituelle Wirklichkeit ist auch nach meiner festen Überzeugung genau mit dem
Augenblick verknüpft. Der existenzielle Augenblick kennt aber keine Aspekte wie
Konstanz oder Nicht-Konstanz. Er ist die Existenz-Zeit ohne zeitliche Dauer.
Augenblicke entstehen unaufhörlich und vergehen wieder, und genau in diesen
Augenblicken ist die Zeit gleichzeitig Wirklichkeit und Existenz.[ii]
Aber die Augenblicke sind absolut isoliert und getrennt
voneinander, wie bei einigen Zen-Buddhisten zu hören ist. Das wäre eine
metaphysische Doktrin, die in der Wirklichkeit nicht gefunden werden kann. Denn
ohne Zweifel sind dies auch Aktivitäten des Gehirns, das keine absolutern
Trennungen kennt und permanente Dynamik des neuronalen Netzes kennzeichnet.
Das Geheimnis der
Buddha-Natur ist die lebendige
Wechselwirkung des Entstehens und die klare überintellektuelle Kraft des
Augenblicks. Das sind die Kernaussagen zur Überwindung des Dualismus und
des Leidens.