Im
Folgenden möchte ich einen kurzen Überblick über die Überlieferung zur Buddha-Natur
und des klaren Lichts in Indien geben; dabei folge ich den Ausführungen von
Peter Gäng.[i]
Er verdeutlicht, dass die Lehre der Buddha-Natur im frühen Buddhismus erst in
Ansätzen vorhanden war, sich dann aber umfassend weiterentwickelte und sich
auch mit der Yoga-Praxis verband. Da es sich bei der Buddha-Natur letztlich um
ein Erlebnis und eine Erfahrung handelt, die häufig dem mystischen Bereich
zugeordnet werden, gibt es hierzu verschiedene Ansätze der sprachlichen
Formulierung.
Durch die Buddha-Natur entsteht laut Peter Gäng „für Andere eine Art von
spiritueller Landkarte, die ihnen die Orientierung erleichtern kann“.[ii]
Allerdings sei eine Landkarte nicht die Erfahrung selbst, sondern nur ein
Hilfsmittel und ein Hinweis auf die Wirklichkeit, die mit dem Begriff Buddha-Natur
belegt ist.
Basis
jeder Lehre über die Buddha-Natur ist die Grundwahrheit, dass jeder Mensch das vollständige Erwachen oder die Erleuchtung
erfahren kann und sich dadurch von vielfältigen Zwängen des Lebens befreit, die
immer wieder Leiden, Angst, Gram und Verzweiflung verursachen. Dieses Potenzial
sei nicht auf die Menschen beschränkt, sondern Wesensmerkmal der Natur aller
Lebewesen. Es gibt verschiedene Faktoren, die verhindern, dass sich diese wahre
Natur verwirklicht, es gibt laut Peter Gäng etwas, das „hinzugekommen ist und
demnach auch wieder verschwinden kann“.[iii]
Jeder
Meditierende habe die Erfahrung einer friedvollen Stille gemacht, einer
Gelassenheit, die in sich selbst ruht, ohne sich vor der Welt abzuschließen,
und der wunderbaren Ausgeglichenheit.
Dieser
Zustand existiert wirklich, ist keine
Einbildung und verbale oder dichterische Konstruktion. Aber gemäß der Lehre
Gautama Buddhas darf dieser Zustand nicht mit der altindischen âtman-Lehre
verwechselt werden, die einen unveränderlichen Wesenskern postuliert, der sich
in verschiedenen Wiedergeburten vervollständigt, bis er sich schließlich mit
dem Allgeist (brahman) verbinden und
das Ziel des Nirvâna erreichen würde, bei dem es keine Individualität des
Menschen mehr gebe. Jede buddhistische Theorie müsse darauf bedacht sein,
erklärt Peter Gäng, sich fundamental von der âtman-Lehre abzusetzen, das habe
Gautama Buddha in aller Deutlichkeit gelehrt.
Das
frühe Verständnis der Buddha-Natur klammerte
negative, unheilsame Bereiche des Menschen im Hinblick auf die Buddha-Natur
aus. Spätere, stärker psychologisch orientierte Entwicklungen des tantrischen Buddhismus bezogen diese
unheilsamen Bereiche auch und gerade ein, anstatt sie einfach zu negieren.
Der
Sanksrit-Begriff für „Buddha-Natur“ lautet tathagata
garbha, wobei tathagata wörtlich übersetzt
der „Vollendete“, „so Gekommene“ oder
der „so Gegangene“ heißt. Ein solcher Mensch hat seinen wahren Weg gefunden, ist
ihn gegangen und am Ziel angekommen. Manchmal wird dafür der Begriff der Soheit verwendet; das ist eine
Wirklichkeit, die genauso ist, wie sie ist, der
nichts hinzugefügt und nichts weggenommen wird. Dôgen benutzt häufig die Formulierung
„Es
ist, wie es ist“ – und meint damit also die Soheit.
Der
Begriff garbha hat laut Peter Gäng
eine doppelte Bedeutung: Gebärmutter und Embryo, also der weibliche Schoß und „das in ihm heranwachsende Kind“.[iv]
Diese symbolische Bedeutung lässt sich um die folgenden erweitern:
„Herkunftsort“, „Höhle“, „Inneres“, „Kern“, „Essenz“ und „Keim“.
Tathagata-garbha kann daher
vor allem heißen:
„Alle Lebewesen sind embryonale Buddhas“ und
„Alle Lebewesen sind ein Schoß, in dem ein Buddha heranwächst“.
Dementsprechend
sagt Dôgen über die Buddha-Natur:
„Alle
Wesen haben die Buddha-Natur.“ Umgehend
erweitert er ihn jedoch auf die Bedeutung
„Alle
Wesen sind Buddha-Natur“.